Parteitag in Bonn Linke kürt Spitzenkandidaten für Europawahl
Die Linke stellt den Europaabgeordneten Martin Schirdewan und die Gewerkschafterin Özlem Alev Demirel als Kandidaten für die Europawahl auf.
Ihre Gesichter dürften selbst fleißigen Zuschauern politischer Talkshows weitgehend unbekannt sein: Martin Schirdewan und Özlem Alev Demirel sind das Spitzenduo der Linken für die Europawahl. Die Partei setze bewusst auf "eine neue Generation, für die Europa gelebte Selbstverständlichkeit bedeutet", sagt Parteichef Bernd Riexinger. Beide fuhren deutliche Ergebnisse ein: 83,8 Prozent für Schirdewan – trotz eines Gegenkandidaten. 84,4 Prozent für Demirel. Hinter vorgehaltener Hand allerdings gibt es Zweifel, dass ihre Gesichter im Wahlkampf viel Bonus bringen können.
Denn anders als die Linke schickt so manch andere Partei bewährte – und vor allem bekannte – Namen ins Rennen. Für die SPD kandidiert Justizministerin Katarina Barley. Die FDP sendet ihre Generalsekretärin Nicola Beer, die Grünen die beliebte junge Europa-Politikerin Ska Keller.
Martin Schirdewan – der Mann aus dem Osten
Der 43-Jährige Berliner sitzt bereits seit 2017 im Europäischen Parlament. Dort ist er zuständig für Wirtschafts- und Währungsfragen, beschäftigt sich mit Finanzkriminalität und Steuerhinterziehung. In Bonn forderte er einen Bruch mit "der falschen Spar- und Kürzungspolitik" der EU. Der promovierte Politikwissenschaftler ist auch Mitglied im Parteivorstand der Linken.
Für eine humane Flüchtlingspolitik und "gute Arbeit" sowie gegen Rechts setzt er sich auch außerparlamentarisch ein. Schirdewan stammt aus dem "roten Adel": Sein Großvater Karl Schirdewan war Politiker in der DDR. Zwischenzeitlich galt er als zweiter Mann hinter Walter Ulbricht, stand diesem aber kritisch gegenüber, trat für ein vereinigtes Deutschland ein und wurde aus der SED ausgeschlossen.
Özlem Alev Demirel – die Gewerkschafterin mit Migrationshintergrund
Die 34-Jährige ist Gewerkschaftssekretärin bei Verdi und war bis 2018 vier Jahre lang Landesvorsitzende der Linken in NRW. Schon als Schülerin organisierte sie Anti-Nazi-Proteste und Bildungsstreiks und gründete Schülerinitiativen gegen Krieg. Heute engagiert sich die Mutter zweier Kinder vor allem für Arbeits- und Sozialpolitik, kämpft für höhere Mindestlöhne und einen sozial-ökologischen Wandel.
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Ihr Migrationshintergrund – 1989 flüchtete ihre Familie aus politischen Gründen aus der Türkei – mache sie nicht automatisch zur Migrationspolitikerin, sagt Demirel. Doch er beeinflusse ihre politische Haltung. Auf dem Parteitag betonte sie in einer leidenschaftlichen Rede, die EU dürfe nicht länger zulassen, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken.
- Nachrichtenagentur dpa