Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Vertrag von Aachen Fünf Dinge, die wir Deutschen von Frankreich lernen können
Filme, Süßigkeiten und echte Revolutionen: Die deutsch-französische Freundschaft ist das Beste, das uns nach dem Zweiten Weltkrieg passieren konnte. Eine Liebeserklärung.
Was würden wir nur ohne Merlot, Champagner oder dem Urlaub an der Côte d'Azur machen? Frankreich hat so viel zu bieten, von dem wir Deutschen etwas lernen können. Fünf Beispiele.
1. Revolution
Deutsche Revolutionen sind vergleichsweise friedlich. Deutsche Revolutionen sind vernünftig, ordentlich und sauber, siehe das Ende der DDR. Vielleicht ist das ein Ausgleich zu den grausamen Kriegen, die Deutschland angefangen hat. Der Deutsche fühlt sich schon wie ein kleiner Revoluzzer, wenn er Gemüse in das Käsefach vom Kühlschrank packt.
Dabei will der Deutsche ja revolutionär sein, aber er wartet eben brav darauf, dass der Arbeitgeber ihm einen Urlaubstag gibt, damit er streiken gehen kann. Der Franzose dagegen kramt die gelbe Warnweste aus dem Kofferraum seines Citroens (Autos, sorry, Autos können sie nicht) und zieht seinen Chef an der Krawatte auf die Straße.
Franzosen sind die Mütter aller Revolutionäre. Ihr erster Umsturz war so legendär, es gibt sogar ein episches Musical und einen okayen Blockbuster darüber. Gut, am Ende haben sie den einen oder anderen Menschen getötet, der die Revolution vorangetrieben hat (Robespierre, Carrier, Olympe de Gouges), aber immerhin wurde bei der Französischen Revolution klar, dass es die Leute auf der Straße ernst meinten. Was wir Deutschen eine Revolution nennen, ist für die Franzosen wie ungewürzter Ofenkäse: Ein bisschen billig und ohne Wumms.
2. Filme
Haben Sie schon einmal gehört, dass der "Feelgood-Film des Jahres" aus Deutschland kam? Nein, aus Gründen. "Ziemlich beste Freunde", "La boum", "Willkommen bei den Sch'tis" – diese Filme begeistern uns mit Humor, Intelligenz und Herzschmerz und kommen allesamt aus Frankreich. In Cannes ist eines der berühmtesten Filmfestivals der Welt zu Hause. Woran liegt das?
Das Zauberwort lautet Kulturförderung. Auch Kurzfilme von Kunstschaffenden laufen in kommerziellen Kinos und erreichen damit ein breites Publikum. Auch unsere allseits geliebte Romy Schneider war nach Sissi 1, Sissi 2 und Sissi 3 vom deutschen Film übersättigt und floh nach Frankreich, um dort für epische Streifen wie "La Piscine", "Die Frau am Fenster" und "Die Spaziergängerin von Sans-Souci" mit Preisen überhäuft zu werden. Wer sie in Deutschland wiedersehen wolle, der solle ins Kino gehen, sagte sie damals.
Selbst, wenn Deutschland versucht, französische Filme eins zu eins wiederzugeben, wirkt das Ergebnis wie gewollt und nicht gekonnt: Siehe die deutsche Variante des französischen Meisterwerks "Der Vorname". Den boshaften, französischen Charme bekommen wir Deutschen einfach nicht hin.
3. Gastfreundschaft
Mit 14 Jahren verbrachte ich meinen ersten Schüleraustausch in Romans-sur-Isère, einer kleinen Gemeinde nahe Lyon im Süden Frankreichs. Meine Gastfamilie tischte Nudeln mit Ketchup und Kartoffelchips auf, weil sie gehört hatte, dass deutsche Kinder mit der französischen Küche Probleme haben.
Ich könnte jetzt behaupten, dass ich das super traurig fand und lieber Kaviar mit Camembert gegessen hätte, aber ich war nun mal 14 und begeistert, das vorgesetzt zu bekommen, was es zu Hause nur so selten gab.
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Doch nicht nur beim Essen erfüllte mir die Gastfamilie jeden unausgesprochenen Wunsch: Meine Austauschpartnerin schlief auf der Couch, während ich in ihrem Bett nächtigte, ich bekam jeden Tag zwei Lunchpakete und Flaschen voller süßem Eistee für Ausflüge mit. Ich hatte genau einen Satz perfektioniert, bevor ich nach Frankreich kam: "Est-ce que je peux vous aider, si vous plaît?", um meine Hilfe im Haushalt anzubieten. Daraufhin parkte meine Gastmutter mich mit einem Hotdog und Erdbeereis vor dem Fernseher und suchte die einzige DVD heraus, die deutsche Untertitel hatte. Ich war im Teenager-Himmel.
Zum Abschied bekam ich Tüten voller Schokolade und sechs Flaschen Rotwein für meine Eltern geschenkt. Wenn ich an die Besuche bei Verwandtschaft und Eltern von deutschen Freunden denke, überlege ich heute immer noch – in schwachen, hungrigen Stunden – ob eine Adoption nach Frankreich nicht das richtige gewesen wäre.
4. Blaue Schokolade
Egal, was ich über Wein, Käse und Baguette schreiben werde: Dieser Artikel kann dem Essen Frankreichs nicht gerecht werden. Also überspringen wir diesen Teil und reden über Dinge, von denen auch wir Deutschen etwas verstehen: Schokolade. In dem wunderbaren Film "Chocolat" wurde mir eingeredet, dass Schokolade in Frankreich in der Champions League spielt, während die deutsche eher in der Kreisliga stagniert. Der erste Bissen eines französischen Schokoriegels auf der Raststätte in Moselle enttäuschte mich deshalb umso mehr.
Als ich in Lyon aber blaue Schokolade sah, wurde mir klar, dass es nicht der Geschmack war, sondern das gute Aussehen, das Frankreich und Deutschland hier – vielleicht nicht nur hier – unterscheidet. Ja, manchmal kommt es doch auf die äußeren Werte an. Blaue Schokolade schmeckt nicht besonders ausgefallen, aber allein die Überwindung, etwas Blaues zu essen und dann nicht an einer Schimmelvergiftung zu sterben, erzeugte ein Glücksgefühl. So etwas habe ich in Deutschland noch nie erlebt.
5. Sprechen
Als ich im Alter von elf Jahren vor die Entscheidung gestellt wurde, ob ich Französisch oder Latein lernen wollte, entschied ich mich für Ersteres. Der Grund war damals sehr plausibel: Französisch klingt schöner. Zum Beispiel: "Rupture de tuyau" – ist auf Deutsch nur ein langweiliger Rohrbruch. Oder "purée de pommes de terre" kennen wir hierzulande nur als "Kartoffelbrei". Vielleicht sind die Franzosen deshalb auch besser bei Revolutionen: Die bloße Aufforderung, mal an die frische Luft zu gehen ("Hors de ma vue!") ist dank der Phonetik mit so viel Pathos angereichert, dass der Aufgeforderte sich denkt: "Los, stürmen wir die Bastille!" Die deutsche Sprache dagegen wird von Nicht-Muttersprachlern als hart und unfreundlich beschrieben. Nicht nur Kleider machen Leute.
Nach meinem ersten Diktat im Französischunterricht starb meine Faszination für die Schönheit dieser Sprache: Mehr als ein Mangelhaft war nicht drin. Die Faszination kehrte zurück, als unser Mittelstufen-Chorleiter, der des Französischen nicht mächtig war, vorschlug, das Lied "Lady Marmalade" singen zu lassen. Es enthält den schönen Satz "Voulez-vous coucher avec moi, ce soir?". Eine seltsame Aufforderung, die von einem Chor von Minderjährigen gesungen werden sollte. Googeln Sie es. Auf unsere Nachfrage, ob der Chorleiter wisse, worum es in diesem Lied gehe, sagte er: "Ist doch egal. Auf Französisch klingt alles zauberhaft."