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Deutsch-französischer Freundschaftsvertrag: Das steht im Aachener Vertrag


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Neuer Freundschaftsvertrag
So nah waren sich Frankreich und Deutschland nie


Aktualisiert am 22.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Emmanuel Macron und Angela Merkel: Zwei Karlspreisträger wollen mehr Integration.Vergrößern des Bildes
Emmanuel Macron und Angela Merkel: Zwei Karlspreisträger wollen mehr Integration. (Quelle: Thibault Camus/AP/dpa)
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Deutschland und Frankreich galten ehemals als ewige Feinde. Mit dem neuen Freundschaftsvertrag kommen sie sich näher, als selbst die EU vorsieht.

Deutsch-Französischer Krieg, Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Streit um Elsass-Lothringen, Streit ums Saarland, Abertausende Tote: Deutschland und Frankreich haben sich lange erbittert bekämpft. Sogar von Erbfeindschaft war im 19. und 20. Jahrhundert die Rede.

Diese Beziehung des Hasses, der Verachtung, des Mordens und der Demütigung endete nach dem Zweiten Weltkrieg. Frankreich, zusammen mit den Westalliierten, hatte Deutschland besetzt, aber nicht unterworfen.

Den formalen Höhepunkt erreichte die Annäherung 1963 mit dem Élysée-Vertrag. Darin wurden regelmäßige Treffen von Vertretern der Regierungen, Parlamente, Behörden oder Armeen vereinbart und das Deutsch-Französische Jugendwerk geschaffen.

Der Élysée-Vertrag hatte immense symbolische Bedeutung: Aus Feinden waren Partner geworden. Und der Vertrag sorgte dafür, dass es nicht bei Symbolik blieb, sondern echte Beziehungen entstanden.

Verschmelzen statt nur zu kooperieren

Am heutigen Dienstag, auf den Tag genau 56 Jahre später, werden Angela Merkel und Emmanuel Macron einen neuen Vertrag unterzeichnen, den Aachener Vertrag. Er löst den Élysée-Vertrag nicht ab, sondern ergänzt ihn. Er etabliert eine Zusammenarbeit, die einmalig sein dürfte zwischen zwei Staaten. Im Vertrag heißt es, es geht darum, die "bilateralen Beziehungen auf eine neue Stufe zu heben".

Der Élysée-Vertrag war noch ein Vertrag über die "Zusammenarbeit", der Aachener Vertrag ist einer über "Zusammenarbeit und Integration". Damals ging es also darum, zwei eigenständige Staaten zu koordinieren. Heute geht es auch darum, zu verschmelzen, wo es sinnvoll ist. Integration heißt schließlich: zu einer Einheit werden. In der EU spricht man von Integration. Zwischen zwei Staaten ist das unerhört.

Kein Gegenmodell zur EU

Gleichzeitig ist im Vertrag viel von der EU die Rede, von Übereinstimmung mit EU-Verträgen, von der multilateralen Weltordnung und den Vereinten Nationen. Der Vertrag ist ein Sonderfall in der Welt, aber er soll keinen Sonderweg markieren. Die beiden wichtigsten Staaten des europäischen Kontinents wollen sich nicht außerhalb der EU integrieren, sondern in ihr und mit ihr. Weil die internationale Ordnung zersetzt wird, steuern Deutschland und Frankreich gegen.

Praktisch ist der Vertrag in fünf Kapitel unterteilt, die etwas gerafft lauten:

1. Europa – 2. Außenpolitik und Verteidigung – 3. Kultur und Austausch – 4. Zusammenarbeit an der Grenze – 5. Organisatorisches.

In ihnen wird manchmal immer noch sehr allgemein, aber doch viel differenzierter, viel kleinteiliger und gleichzeitig weitreichender als bisher geregelt, wie sich Deutschland und Frankreich abstimmen.

Militärischer Beistand mit allen Mitteln

Im Fokus steht unter anderem die Außen- und Verteidigungspolitik. Es soll Austauschprogramme für Diplomaten geben. Eine "gemeinsame Kultur" in den Armeen wird angestrebt und die "engstmögliche Zusammenarbeit zwischen … Verteidigungsindustrien". Beide versichern sich, wortgleich wie im EU-Vertrag, den Beistand, sollte ein Land angegriffen werden.

Eher vage heißt es, die Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Geheimdiensten solle intensiviert werden. Konkreter sind die Vorgaben für die Entwicklungspolitik: Eine "immer engere Partnerschaft zwischen Europa und Afrika" durch Förderung privater Unternehmen, regionaler Integration, Bildung und Geschlechtergleichheit.

Kein EU-Sitz im Sicherheitsrat

Beide Staaten müssen künftig "alles daran setzen, eine einheitliche Position" in den Vereinten Nationen zu vertreten. Andererseits wird die Aufnahme Deutschlands als ständiges Mitglied in den UN-Sicherheitsrat als "Priorität der deutsch-französischen Diplomatie" bezeichnet. Die Idee, für einen EU-Sitz im Sicherheitsrat zu kämpfen, dürfte damit vom Tisch sein. An dieser Stelle übertrumpfen die Einzelinteressen der Staaten die europäische Einigung.


Sprachförderung, mehr deutsch-französische Ausbildungsangebote, leichtere Anerkennung von Abschlüssen, mehr Städtepartnerschaften: So sollen Deutsche und Franzosen einander näherkommen. Die deutschen Goethe-Institute und die französischen Instituts Français, die jeweils im Ausland Sprachkurse anbieten und die jeweilige Kultur verbreiten sollen, können künftig integriert werden. Dann würden beide Länder im Ausland gemeinsam für sich werben.

Wirtschaftliche Integration

Eine besonders bemerkenswerte Passage lautet: "Beide Staaten vertiefen die Integration ihrer Volkswirtschaften hin zu einem deutsch-französischen Wirtschaftsraum mit gemeinsamen Regeln." Übersetzt: Deutschland und Frankreich wollen noch über das Maß an Vereinheitlichung hinausgehen, das die EU im Binnenmarkt sowieso vorsieht – und die EU sieht fast in keinem Bereich so viel Harmonisierung vor wie in Wirtschaftsfragen. Dafür sollen systematisch Gesetze angepasst werden.

Ziemlich dünn ist die Passage zur Förderung der künstlichen Intelligenz, ein Projekt der schwarz-roten Koalition.

Zusammenarbeit über die Grenze

Es geht also um das ganz Große, um Beistand im Kriegsfall, und um das Kleine, das aber wahrscheinlich weitreichender ist: Die Zusammenarbeit in den Grenzregionen. Grundlage ist die Erkenntnis, dass für den Alltag im baden-württembergischen Kehl das benachbarte Straßburg mitunter wichtiger ist als die Landeshauptstadt Stuttgart.

Zweisprachigkeit soll gefördert werden, Straßen- und Schienennetze besser abgestimmt. Gemeinden oder Regionen sollen mehr Geld und Möglichkeiten bekommen, sich abzustimmen – im Zweifel auch mit rechtlichen Ausnahmen. Ein neuer Ausschuss soll die Zusammenarbeit planen und koordinieren. Am Ende sollen Nahverkehr, aber auch Stromversorgung oder Müllabfuhr besser abgestimmt werden, weil es womöglich leichter für eine deutsche Gemeinde ist, das mit einer französischen Nachbargemeinde abzustimmen als mit einer weiter entfernten deutschen Gemeinde.

Neue Institutionen

Um all das umzusetzen, wird eine ganze Reihe neuer Institutionen geschaffen. Mal sind das Räte, mal Austauschprogramme, mal neue Treffen. In der Zusammenschau:

  • ein Deutsch-Französischer Verteidigungs- und Sicherheitsrat, um die Verteidigungspolitik und das Militär zu koordinieren
  • neue Austauschprogramme für Diplomaten in den Vertretungen bei UN, Nato und EU
  • eine "Einheit für Stabilisierungsoperationen in Drittstaaten", um die Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten zu stärken
  • ein jährlicher Dialog über Entwicklungspolitik
  • deutsch-französische Exzellenzförderung in der Forschung
  • neue deutsch-französische duale Studiengänge – die also Studium und Ausbildung kombinieren
  • ein Fonds, der Bürgerinitiativen und Städtepartnerschaften fördern soll
  • ein Ausschuss, der dafür sorgen soll, dass Politik über die Grenze hinweg in den Grenzregionen koordiniert wird
  • ein Rat der Wirtschaftsexperten, der beide Regierungen in Wirtschaftsfragen beraten soll – ähnlich den Wirtschaftsweisen in Deutschland
  • ein sogenanntes "Zukunftswerk", das noch ziemlich undefiniert ist, aber als Forum dienen soll, in dem Experten aus verschiedenen Bereichen gemeinsam nachdenken
  • Kabinettsbesuche: Mindestens einmal im Quartal nimmt ein Regierungsmitglied an einer Kabinettssitzung im anderen Land teil.
Verwendete Quellen
  • Vertragstext: Aachener Vertrag
  • Vertragstext: Élysée-Vertrag
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