Wiedereinführung von Grenzkontrollen Britische Regierung probt für Brexit-Superstau
London und Brüssel rüsten sich für den Ernstfall – den harten Brexit. Um am Ärmelkanal ein totales Chaos zu verhindern, hat London für eine Großübung Dutzende Lastwagen aufgefahren.
Den Hafen von Dover passieren täglich rund 10.000 Lastwagen. Pro Fahrzeug dauert die Abfertigung in der Regel zwei Minuten. Kommt es aber zum harten Brexit und es werden wieder Grenzkontrollen eingeführt, droht ein Stauchaos. Nur zwei zusätzliche Minuten, und die Lastwagen könnten sich auf 27 Kilometern stauen, schreibt der Hafen von Dover auf seiner Internetseite.
Um sich für den Ernstfall zu rüsten, hat das Verkehrsministerium in London am Montag eine großangelegte Übung gestartet. Sie ließ 89 Lastwagen auf dem stillgelegten Flughafen von Manston knapp 32 Kilometer vom Hafen von Dover auffahren. Das Gelände könnte genutzt werden, um im Falle eines ungeordneten EU-Austritts Großbritanniens Staus nahe Dover zu verhindern, teilte das Verkehrsministerium in London mit.
Der Konvoi fuhr probeweise bis zum Hafen von Dover. Er nutzte dabei eine zweispurige Straße, die seltener von Lastern benutzt wird als die Autobahn nach London. Die Lastwagen machten anschließend kehrt und fuhren zum stillgelegten Flughafengelände zurück, um dort eine zweite Übung dieser Art zu beginnen.
Ziel der Testfahrt sei es sicherzustellen, dass es "einen wirksamen Plan für den Fall von Störungen nach dem EU-Austritt" gebe, teilte das Verkehrsministerium mit. Eine Sprecherin hob hervor, dass die Regierung "hart" an einem geordneten Brexit arbeite. Es liege aber auch in ihrer Verantwortung, "sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten", dazu gehöre ein harter EU-Austritt ohne Abkommen.
Abgeordnete schreiben Brandbrief an May
Großbritannien will sich am 29. März von der Europäischen Union trennen. Im Fall eines ungeregelten Austritts droht ein Chaos in fast allen Lebensbereichen. Für ein Abkommen, das Premierministerin May mit Brüssel ausgehandelt hat, zeichnet sich noch immer keine Mehrheit ab.
Mehr als 200 britische Parlamentarier haben nun in einem parteiübergreifenden Brief an die Regierungschefin appelliert, es so weit nicht kommen zu lassen. Ein "No Deal" würde zu Arbeitsplatzverlusten führen, sagte die Tory-Abgeordnete Caroline Spelman am Montag in London.
Die Politikerin initiierte den Brief mit einem Vertreter der oppositionellen Labour-Partei. Dem Unterhaus gehören 650 Abgeordnete an. Sie sollen nächste Woche – möglicherweise am 15. Januar – über das Brexit-Abkommen abstimmen. Der Termin ist noch nicht bestätigt.
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Ursprünglich war die Abstimmung über das Brexit-Abkommen schon am 11. Dezember geplant. Die Regierungschefin hatte den Termin aber wegen der sich abzeichnenden Niederlage um mehrere Wochen verschoben. Weder in ihrer eigenen Konservativen Partei noch bei der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, zeichnete sich zuletzt Bewegung ab. Labour-Chef Jeremy Corbyn setzt auf eine Neuwahl.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa