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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Die Unsicherheit ist das Schlimmste" So erlebt ein Deutscher in London den Brexit
Toni Horn ist in Berlin aufgewachsen, seit acht Jahren lebt er in London. Vor allem die berufliche Unsicherheit macht ihm zu schaffen.
Im Folgenden der Bericht von Toni Horn, Protokoll von Nathalie Helene Rippich:
Als ich im September 2010 für mein Studium von Berlin nach London gezogen bin, hätte ich nicht gedacht, dass ich nach acht Jahren immer noch hier leben würde, geschweige denn, dass ich London mein Zuhause nennen würde. Daher finde ich es nicht nur schade, sondern vor allem traurig, ansehen zu müssen, was für negative Auswirkungen der Brexit auf Großbritannien und den Rest von Europa hat.
Ich kann mich noch sehr gut an den Tag der Abstimmung erinnern: Wir waren in Los Angeles in den USA bei einem Abendessen mit einigen unserer Kunden, als das Ergebnis bekannt gegeben wurde. Mein Geschäftspartner beugte sich zu mir rüber und sagte, dass Großbritannien sich soeben entschlossen hätte, aus der EU auszutreten.
Das Ergebnis kam überraschend
Das war ein Schock. Wir waren der festen Überzeugung, dass das "Remain"-Lager gewinnen würde. London ist nicht repräsentativ für ganz Großbritannien. Weit mehr als die Hälfte der Wähler hat für den Verbleib in der Europäischen Union gestimmt. Ich habe an der Hult International Business School studiert, an der Menschen aus aller Welt lernen und lehren. Und auch mein jetziges Arbeitsumfeld im Innovationsbereich ist sehr international. Das beeinflusst natürlich meine Sicht der Dinge. Damit hatte ich einfach nicht gerechnet.
Direkt nach der Wahl gab es eine Periode, die ziemlich schrecklich war. In fast jedem Gespräch kam das Thema auf und ich hatte das Gefühl, dass beide Seiten sich gegenseitig aufgeschaukelt haben. Die Presse hatte einen wesentlichen Einfluss. Alle Schlagzeilen drehten sich nur um den Brexit. So wurden die Diskussionen immer weiter angeheizt.
Das Gefühl, die Briten schämen sich für das "Ja" zum Brexit
In den Berichten ging es auch um Wahllügen und man hat das Gefühl bekommen, dass viele Briten sich für das Ergebnis des Referendums geschämt haben. Das Schlimmste für alle – mich eingeschlossen – war das große Gefühl der Unsicherheit. Was genau bedeutet der Brexit jetzt für das Land? Und welche Folgen hat er für mich als Ausländer?
Die Unsicherheit in Bezug auf den Arbeitsmarkt ist meine größte Angst. Denn ich weiß, dass zum Beispiel Nicht-Europäer es schwer haben, beruflich Fuß zu fassen. Für die Firmen ist es sehr teuer, ein Arbeitsvisum für die Angestellten zu beschaffen und der administrative Aufwand ist auch groß. Deshalb ist es für Briten und bisher Europäer einfacher, einen guten Job zu bekommen. Nun ist natürlich die Angst groß, dass es nach dem Brexit für alle Ausländer schwer wird. Auch für mich. Zwar sagt die Regierung, dass die, die schon länger hier leben und arbeiten, nichts zu befürchten haben. Aber ich weiß nicht, wie sich das entwickeln wird. Eine Sicherheit gibt es nicht.
Wir sollten mehr über den Klimawandel reden
Das Thema ist mittlerweile nicht mehr ganz so präsent, wie es in den ersten Monaten nach dem Schock war. Vieles dreht sich im Kreis, es gibt selten handfeste Neuigkeiten. Außerdem ist es unangenehm, darüber zu sprechen. Die meisten Politiker sehen im Brexit eine Möglichkeit, sich selbst zu profilieren. Die eigentlichen Probleme und Herausforderungen gehen sie gefühlt nicht an.
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Ich finde es wirklich traurig, dass fast nur noch über Dinge wie eine Immigrationsquote geredet wird, anstatt Themen anzugehen, die uns allen zugutekommen. Zum Beispiel die Bekämpfung des Klimawandels. Das ist viel dringender, denn die Folgen könnten verheerend sein. Das sehen in meinem Umfeld viele Menschen so. Ich höre öfter, dass Menschen wünschen, die Brexit-Entscheidung rückgängig machen zu können. Nun müssen aber alle das Beste aus der Situation machen. Ich hoffe einfach, dass alles gut geht und das Augenmerk dann wieder auf anderen Themen liegt.
- eigene Recherche