"Der weiße Rauch steigt auf" EU und Großbritannien einigen sich auf Entwurf für Brexit-Abkommen
Der befürchtete harte Brexit ist unwahrscheinlicher geworden. Großbritannien und die EU haben sich offenbar auf einen Entwurf für ein Austrittsabkommen geeinigt.
Die Brexit-Unterhändler Großbritanniens und der EU haben sich auf einen Entwurf für ein Austrittsabkommen geeinigt. Der Entwurf sei beschlossen worden, teilte das Büro von Premierministerin Theresa May am Dienstagabend mit.
Auch der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber bestätigte den Durchbruch bei den Verhandlungen. "Ja, der weiße Rauch steigt auf. Wir haben positive Signale, dass es nach Wochen und Monaten der quälenden Debatten jetzt endlich zu einer Einigung kommt", sagte Weber am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Man habe sich auf eine Übergangsphase verständigt, um Schaden für die Wirtschaft und EU-Bürger, die in Großbritannien leben, abzuwenden, erklärte der CSU-Politiker, der selbst nicht an den Verhandlungen teilgenommen hat.
Eine Bestätigung der EU in Brüssel gab es zunächst nicht. "Die Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über ein Austrittsabkommen laufen noch und sind nicht abgeschlossen", teilte ein Sprecher des irischen Außenministers Simon Coveney mit. Dennoch wurde für Mittwoch eine Sondersitzung der Botschafter der 27 bleibenden EU-Länder angesetzt. Die Regierung in London hofft Berichten zufolge darauf, dass es noch im November zu einem Sondergipfel der EU kommt.
Auch in London kommt am Nachmittag das Kabinett zu einer Sondersitzung zusammen, um den Entwurf zu prüfen und über die weiteren Schritte zu entscheiden, wie es hieß.
Premierministerin May lud ihre Minister für Dienstagabend zu Einzelgesprächen in die Downing Street Nummer 10. Einer nach dem anderen verschwand mit ernster Miene hinter der schwarzen Tür des Regierungssitzes. London hofft Berichten zufolge darauf, dass es noch im November zu einem Sondergipfel der EU kommt.
Immer wieder geht es um die irische Grenze
Großbritannien will die EU am 29. März 2019 verlassen. Ein Austrittsvertrag soll ein geordnetes Verfahren festschreiben sowie eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der sich fast nichts ändert. Haupthindernis war zuletzt die komplizierte und politisch heikle Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland offen bleiben kann.
Der irische Fernsehsender RTE berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, es sei eine Einigung erzielt worden, die eine Rückkehr zu einer festen Grenze zwischen Irland und der britischen Provinz Nordirland vermeide. Wegen der Grenzfrage waren die Verhandlungen zuletzt kaum noch voran gekommen.
May steht weiter unter massivem Druck
Zudem bestehen weiterhin Zweifel, ob Premierministerin May für den Brexit-Deal auf eine Mehrheit im Parlament in London hoffen kann. Abgeordnete der nordirischen DUP und Mays Konservativer Partei drohten damit, den Deal durchfallen zu lassen, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit chaotischen Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May. Auch eine Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum werden für diesen Fall nicht ausgeschlossen. Für den Fall eines ungeordneten Austritts Grobritanniens hat die EU-Kommission inzwischen einen Notfallplan beschlossen.
Ex-Außenminister Boris Johnson und der einflussreiche Parlamentarier Jacob Rees-Mogg schäumten vor Wut. Sie warfen May in Interviews vor, sich Brüssel unterworfen zu haben. Großbritannien lasse sich zum Vasallenstaat der EU degradieren und sei im Begriff, Dublin teilweise die Kontrolle über Nordirland auszuhändigen. Die beiden Brexit-Hardliner gelten als schärfste Widersacher Mays.
Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, teilte per Twitter mit, man werde sich den Text im Detail anschauen, es sähe aber nicht nach einem guten Deal für Großbritannien aus.
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Noch am Dienstag musste die Regierung im Parlament klein beigeben, um einer Abstimmungsniederlage zu entgehen. Labour forderte die Veröffentlichung eines Rechtsgutachtens zu dem angestrebten Brexit-Abkommen, die nordirisch-protestantische DUP unterstützte diese Forderung. Mays Minderheitsregierung ist auf die Stimmen der DUP angewiesen. Sie kündigte an, das Gutachten zumindest teilweise zugänglich zu machen.
Mit der Vorlage des Entwurfs für das Brexit-Abkommen tritt der Austrittsprozess in eine entscheidende Phase. Spätestens im Dezember muss eine Einigung stehen, um die Ratifizierung durch die Parlamente auf beiden Seiten rechtzeitig vor dem Brexit-Datum zu ermöglichen. Wahrscheinlich noch im November soll es dazu einen Gipfel der EU in Brüssel geben.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP
- Bericht beim "Guardian"