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Macrons Vorschläge zu Europa: Die Illusion der Euro-Rettung


Schulden über Schulden
Die Illusion der Euro-Rettung

Meinungt-online, Daniel Stelter

Aktualisiert am 20.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Emmanuel Macron: Die Vorschläge des französischen Präsidenten zur Lösung der wirtschaftlichen Krise der EU findet t-online.de-Autor Daniel Stelter kritisch.Vergrößern des Bildes
Emmanuel Macron: Die Vorschläge des französischen Präsidenten zur Lösung der wirtschaftlichen Krise der EU findet t-online.de-Autor Daniel Stelter kritisch. (Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa-bilder)

Um Europa zu retten, muss Deutschland die Vorschläge des französischen Präsidenten Macron mittragen: Das wird gerade überall gefordert. Welch ein Irrtum!

Viel ist dieser Tage von der Rettung Europas und des Euros die Rede. Deutschland brauche endlich eine handlungsfähige Regierung, um auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron reagieren zu können. Wer so spricht, der gründet sich auf zwei Annahmen:

1. dass die Vorschläge des französischen Präsidenten geeignet sind, die Eurozone und die EU zu sanieren.
2. dass es in unserem Interesse ist, genau diese Vorschläge auch umzusetzen.

Beides ist falsch.

Im Kern möchte der französische Präsident die Krise, die durch zu viel billiges Geld und zu viele Schulden verursacht wurde, mit noch mehr Schulden bekämpfen. Ein Euro-Finanzminister soll finanzielle Mittel europaweit verteilen, gespeist aus eigenen Steuereinnahmen und – besonders wichtig – eigener Verschuldungsmöglichkeit. Dahinter steht die Idee, dass nur so eine gleichmäßige Entwicklung in der Eurozone erzielt werden kann. In die gleiche Richtung zielen die Vollendung der Bankenunion (die ökonomisch auf eine Sozialisierung der faulen Privatschulden hinausläuft, Stichwort: italienische Banken!) und Überlegungen für eine eurozonenweite Arbeitslosenversicherung.

Damit wäre die Eurozone auch offiziell eine Transferunion. Dass sie es dank der Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) ohnehin schon ist, habe ich letzte Woche erläutert.

Umverteilung verhindert keine Krisen

Diese Maßnahmen hätten die letzte Krise nicht verhindert. Sie wurde durch eine übermäßige Kreditvergabe durch Banken verursacht, angereizt durch viel zu tiefe Zinsen. Die Folge war ein sich selbstverstärkender Boom: Der Privatsektor fragte die von den Banken angebotenen Mittel bereitwillig nach, vor allem, um Immobilien zu kaufen. Das führte zu einem Bau- und Wirtschaftsaufschwung, wodurch Löhne und Importe erheblich stiegen. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise wurde jedoch deutlich, dass ein guter Teil der Kredite unproduktiv verwendet worden war und es kam es zur Eurokrise. Die Wirtschaft stürzte in eine tiefe Rezession und das Bankensystem der Eurozone wurde insolvent.

Keine der Maßnahmen, die EU-Kommission und französische Regierung vorschlagen, würde eine Wiederholung dieser Entwicklung verhindern. Immer noch ist es in unserem Wirtschafts- und Finanzsystem möglich, dass Banken prozyklisch Fehlinvestitionen finanzieren können, dank ihres Privilegs faktisch unbegrenzt Geld zu schaffen.

Gemeinsames Budget bringt wenig

Auch zur Stabilisierung der Wirtschaft in einer Krise wären die Maßnahmen wenig geeignet. Selbst in den USA, wo der Anteil der Umverteilung zwischen den Bundesstaaten deutlich über dem Niveau zwischen den Mitgliedsländern der Eurozone liegt, tragen fiskalische Transfers nur wenig dazu bei, Schocks auf Ebene der Bundesstaaten aufzufangen. So rechnet der IWF vor, dass in den USA bis zu 80 Prozent eines lokalen Schocks über Umverteilung aufgefangen werden. Mit anderen Worten: Bei einem Einbruch des BIP um ein Prozent geht der Konsum nur um 0,2 Prozent zurück. Dieser Risikopuffer ist aber vor allem die Folge privater Kapitalflüsse. Der Staat hat nur einen Anteil von 15 Prozent. Bei uns in Deutschland liegt der Anteil staatlichen Ausgleichs im regionalen Krisenfall gar noch unter dem Niveau in den USA.

In der Eurozone werden nach dieser Studie weniger als 40 Prozent eines lokalen Schocks über Umverteilung aufgefangen, was natürlich innerhalb einer Währungsunion unbefriedigend ist. Dies liegt aber weniger an dem geringen Grad staatlicher „Solidarität“, sondern am Fehlen der privaten Kapitalströme. Selbst wenn wir den Grad der staatlichen Umverteilung auf das US-Niveau verdreifachen, ändert sich an dieser Lage nichts.

Mehr fiskalische Solidarität innerhalb der Eurozone ist nicht nur sinnlos, weil ohne entscheidende Wirkung mit Blick auf das eigentliche Problem, sondern verbraucht erhebliches politisches Kapital. Am Ende stärkt ein solcher Umverteilungsmechanismus nur die antieuropäischen Kräfte und legt die Basis für ein Katalonien in ganz Europa.

Europäische Einlagensicherung – wozu?

An dieser Stelle kommt die Forderung nach einer europäischen Einlagensicherung ins Spiel, denn nur so ließe sich ein krisenverstärkender „eigendynamischer Prozess“ verhindern. Die Banken sind immer noch die größten Gläubiger der (eigenen) Staaten und müssten deshalb theoretisch vom bankrotten Staat gerettet werden. Kommt es aus anderen Gründen zu einer Schieflage, sind die Staaten für die Einlagensicherung ihrer Bankensysteme und für die Finanzierung der Abwicklung einzelner Institute zuständig. So ziehen sich Banken und Staaten gegenseitig in die Krise und die Volkswirtschaft gleich mit.

Hier nun soll eine europäische Einlagensicherung einspringen. Kommt es also zu einer Bankenkrise in Italien, sollen die europäischen Sparer solidarisch an den Kosten beteiligt werden.

Interessant an diesen Überlegungen ist, dass die Einlagensicherung in der EU auf 100.000 Euro beschränkt ist. In den bisherigen Fällen blieben diese Beträge immer geschützt, auch ohne europäische Solidarität. Für die kleinen Sparer braucht man die europäische Einlagensicherung also nicht. Die realen Probleme liegen bei den über diesen Betrag hinausgehenden Forderungen. Hier sind Verluste beim Abbau der Überschuldung unvermeidbar, doch sollten diese nach den Regeln der Bankenabwicklung verteilt werden und nicht über europäische Solidarität.

Erst sanieren, dann reformieren

Die Vorschläge zur Sanierung der Eurozone sind wirkungslos. In der heutigen Situation kann man mit mehr Umverteilung die gigantischen Probleme nicht mehr lösen.

Eine funktionierende Währungsunion setzt private Kapitalströme voraus, die in guten wie in schlechten Zeiten funktionieren. Voraussetzung für diese Kapitalströme sind klare Regeln, die für alle gelten. In den USA ist das unter anderem die eiserne Regel, dass der Bund nicht für die finanziellen Schieflagen der einzelnen Staaten eintritt. Bei uns in Europa überwiegt die Angst vor den politischen Konsequenzen gepaart mit der gerne verdrängten Tatsache, dass wir nun mal keinen europäischen Bundesstaat haben, sondern eine Gemeinschaft souveräner Staaten, die in Zukunft eher mehr als weniger auf ihre Souveränität achten werden.

Wer die Eurozone retten möchte, kommt um einen geordneten Schuldenschnitt und eine Neuordnung nicht herum. Erst danach können und sollten Reformen, die zu mehr Eigenverantwortlichkeit von Schuldnern und Gläubigern führen, umgesetzt werden. Alles andere erzeugt die Illusion der Rettung oder kauft schlicht Zeit.

Nur die EZB hält die Währungsunion am Laufen, womit auch die Frage nach dem Ende der aggressiven Geldpolitik beantwortet ist: erst nach einem solchen Schritt oder niemals. Ich selbst tippe auf eine Flut noch aggressiverer Maßnahmen, sobald die konjunkturelle Zwischenerholung vorbei ist.

Daniel Stelter zählt zu den führenden Ökonomen Deutschlands und betreibt den Blog "Think beyond the obvious", in dem er wirtschaftliche und finanzpolitische Themen analysiert und kommentiert.

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