Europäische Union "Ich klebe nicht an irgendeinem Stuhl"
Die Bemühungen für eine schnelle Lösung der politischen Krise in Griechenland haben am Donnerstagabend einen Rückschlag erlitten. Oppositionschef Antonis Samaras warf Ministerpräsident Giorgos Papandreou "Erpressung, Lügen und Festklammern an der Macht" vor und forderte bei einer Rede im Parlament den Rücktritt des Regierungschefs. Danach könne es eine Übergangsregierung in Griechenland geben.
Die Partei von Samaras verließ demonstrativ den Parlamentssaal. "Ich habe ihn (Papandreou) aufgefordert, erst zurückzutreten", sagte Samaras. Sein Vorschlag sei weiterhin eine Regierung für kurze Zeit, "damit wir nicht Bankrott gehen". Nachdem eine Übergangsregierung das Hilfsprogramm unter Dach und Fach gebracht habe, werde es vorgezogene Wahlen in Griechenland geben.
Beobachter werteten die Äußerungen Samaras so, dass damit die Möglichkeiten für die Bildung einer Übergangsregierung erheblich erschwert werden. Noch am Nachmittag hatte es in Athen nach einem Telefongespräch zwischen Papandreou und Samaras Hoffnungen gegeben, dass die Krise schnell beendet werden könnte.
"Ich will nicht unbedingt wiedergewählt werden"
Papandreou weigert sich bislang, zurückzutreten, signalisierte aber am späten Abend, unter bestimmten Bedingungen doch bereit zu sein für einen Rücktritt. "Ich klebe nicht an irgendeinem Stuhl, ich will nicht unbedingt wiedergewählt werden".
Papandreou warf Samaras vor, Forderungen zu stellen, die nicht sofort umsetzbar seien. Das Land könne nicht so einfach auf Anhieb ohne Regierung bleiben. "Haben wir etwa eine Regierung parat hier vor der Tür?", fragte Papandreou. Er erklärte sich bereit, weitere Gespräche mit der Opposition zu führen. Unter Umständen sei er sogar bereit, einen Schritt weiter zu machen.
Papandreou forderte die Abgeordneten seiner sozialistischen Fraktion auf, ihm am Freitagabend das Vertrauen auszusprechen, damit er weiter für die Bildung einer Übergangsregierung arbeiten könne. Sollte Papandreou sie verlieren, müssen in Griechenland binnen 30 Tagen Wahlen stattfinden.
Merkel: "Für uns zählen Taten"
Ungeachtet der aktuellen Ereignisse in Athen dringt Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter auf eine rasche Umsetzung der Beschlüsse des EU-Gipfels aus der vergangenen Woche. "Für uns zählen Taten", sagte sie in Cannes am Rande des G20-Gipfels. Griechenland müsse den Beschlüssen zustimmen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei noch nicht "ganz ersichtlich, wie das passieren soll".
Auch werde sie sich nicht "in die griechische Innenpolitik einmischen", sagte Merkel weiter. Auf jeden Fall müsse es ein schnelles Ja zu den Beschlüssen geben, sonst könne das verloren gegangene Vertrauen nicht wiederhergestellt werden. Die CDU-Politikerin sagte weiter, es sei international festgestellt worden, dass Griechenland bereits erhebliche Fortschritte gemacht habe. Umso mehr habe es verwundert, "dass jetzt Schwierigkeiten aufgetreten sind".
Referendum versetzte Finanzmärkte in Angst
Papandreous Vorstoß zu einem Referendum hatte nicht nur europäische Länder und Finanzmärkte in Angst versetzt. Die Idee wurde nach Angaben aus Papandreous Umgebung ad acta gelegt, weil die Opposition signalisierte, dass sie das Hilfspaket unterstützen werde. Allerdings stieß der Plan auch in der eigenen Regierung auf Kritik. Finanzminister Venizelos führte die Revolte an.
Venizelos sagte, nach dem Signal der Opposition, dass sie die Einigung unterstützen werde, sei ein Referendum nicht mehr nötig gewesen. "Die Regierung ging nach Cannes mit der Position, dass, wenn der notwendige Konsens gefunden wird, ein Referendum nicht notwendig ist", sagte er. Von den 300 Abgeordneten müssten in dem vorgesehenen Verfahren 180 dem Rettungsplan zustimmen, sagte Venizelos. Die Sozialisten verfügen allerdings nur über 152 Mandate. Damit ist die Regierung auf jeden Fall auf Stimmen aus der Opposition angewiesen.
Kein Zurück zur Drachme
Der politische Druck auf Papandreou war im Laufe des Tages zunehmend gewachsen. Während die Schuldenkrise den G-20-Gipfel in Cannes beherrschte, mehrten sich in Athen die Rücktrittsforderungen. Politiker der Opposition, aber auch des eigenen Lagers, plädierten dafür, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden und diese den europäischen Rettungsplan billigen zu lassen, statt den riskanten Weg einer Volksabstimmung zu gehen. Auch mehrere Kabinettsmitglieder sprachen sich für eine Koalition aus mit dem Ziel, die nächste Kreditrate sicherzustellen und einen Staatsbankrott zu vermeiden.
Der Bankrott hätte bereits Mitte Dezember gedroht. Spätestens dann benötige Griechenland die nächste Tranche der Rettungskredite von acht Milliarden Euro, teilte das griechische Finanzministerium mit. Ohne diese Mittel hätte der Staat dann wohl keine Löhne und Renten mehr zahlen und auch seinen Schuldendienst nicht leisten können. Weitere Auszahlungen von Hilfsgeldern hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy aber von Fortschritten bei der Umsetzung des Rettungspakets abhängig gemacht.