Europäische Union Papandreous Regierung vor dem Sturz
Die griechische Regierung unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou könnte in den kommenden Stunden fallen. Während schon über seinen Rücktritt spekuliert wird, fordern zahlreiche Minister und Abgeordnete der Sozialisten die Bildung einer Regierung der Nationalen Rettung. Streitpunkt ist vor allem Papandreous Vorhaben, sein Volk über das EU-Rettungspaket abstimmen zu lassen.
Mindestens zwei Abgeordnete, darunter Eva Kaili, haben nach Angaben des staatlichen Fernsehens "NET" erklärt, sie würden Papandreou nicht mehr das Vertrauen aussprechen. Damit hätte Papandreou mit 150 Mandaten keine Mehrheit mehr im Parlament und würde bei einer für morgen geplanten Vertrauensabstimmung ohne Mehrheit dastehen.
Medien spekulieren schon über Nachfolger
Papandreou berief eine Krisensitzung seines Ministerrates ein. Sie begann gegen Mittag. Anschließend soll nach Berichten des staatlichen Fernsehens auch die Parlamentsfraktion der regierenden Sozialisten tagen. Unklar ist, ob Papandreou seinen Rücktritt ernsthaft in Erwägung zieht. Angeblich will er am Nachmittag Staatspräsident Karolos Papoulias treffen.
Laut der Online-Seite von "bbc.com" wird sein Rücktritt in Kürze erwartet. Nach der Krisensitzung werde er zurücktreten und sodann eine Koalitionsregierung mit dem früheren Vizechef der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, anstreben. Anderen Quellen zufolge soll er das Ansinnen zurückzutreten deutlich abgelehnt haben.
In Athen spekulieren die Medien bereits über mögliche neue Regierungschefs. Darunter sind neben Papademos auch der frühere griechische Ministerpräsident Kostas Simitis (1996-2004). Er ist nach Informationen des Chefs der kleinen ultrakonservativen Partei Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS), Giorgos Karatzaferis, aus Kreisen der EU vorgeschlagen worden, die griechische Regierung zu führen. Eine Bestätigung aus offiziellen Quellen lag nicht vor.
Zieht Papandreou das Referendum zurück?
Zuvor hatte sich Finanzminister Evangelos Venizelos von dem von Papandreou geplanten Referendum über das europäische Hilfspaket distanziert. Bisher hieß es, Papandreou habe für sein Vorhaben die Unterstützung seines Kabinetts.
In Athen gingen Analysten davon aus, dass "schlagartige" Entwicklungen zu erwarten seien. Zahlreiche Minister und Parlamentarier hatten zuvor den griechischen Premier aufgerufen, seine Pläne zu einer Volksabstimmung zum Hilfspaket für Griechenland zurückzunehmen.
Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge könnte Papandreou möglicherweise auch auf die Idee kommen, das Referendum zurückzuziehen. Dies will die Agentur von einem Vertreter der Regierungspartei Pasok erfahren haben, der nicht genannt werden wollte.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatten zuvor die Geduld mit Athen verloren und die Regierung offen unter Druck gesetzt: So sollen die Hilfszahlungen für Griechenland - geplant waren zunächst acht Milliarden Euro - gestoppt werden, bis klar ist, wie sich die Griechen bei der vermutlich für den 4. Dezember geplanten Volksabstimmung über die Annahme des EU-Rettungspaketes entscheiden. Nach Angaben aus Regierungskreisen hat Griechenland noch Geld bis Mitte Dezember.
Aus auch für EU-Mitgliedschaft?
Derweil deutete die EU-Kommission noch viel weiterreichende Folgen an: Nach der gültigen Rechtslage könne ein Land nur aus der Eurozone ausscheiden, wenn es auch die Europäische Union verlasse, hieß es in Brüssel.
"Der EU-Vertrag sieht keinen Austritt aus der Eurozone ohne ein Verlassen der EU vor", sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. "Das ist die derzeitige Lage."
Juncker: Nicht um jeden Preis
Zudem machte Merkel in einer Pressekonferenz deutlich, das Referendum sei zugleich eine Abstimmung Griechenlands über dessen Verbleib in der Euro-Zone. Würden sich die Griechen gegen das vorgeschlagene Rettungspaket entscheiden, so bliebe ihnen demnach am Ende nur die Rückkehr zur Drachme.
Auch Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sieht in der Volksabstimmung in Griechenland vor allem ein Votum zum Verbleib in der Eurozone. "Wir hätten gern, dass Griechenland Mitglied bleibt", sagte er im ZDF. "Aber wir sagen nicht: Griechenland muss um jedem Preis Mitglied bleiben." In Sachen Griechenland könne die Europäische Union nicht "permanent Achterbahn fahren". "Wir müssen wissen, wo es lang geht."
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) schloss neue Verhandlungen mit Athen über die Bedingungen für die beschlossenen Griechenland-Hilfen aus. Die Hilfsprogramme seien mit klaren Bedingungen verknüpft, sagte Kauder. "Die muss Griechenland einhalten. Es kann nicht darum gehen, Verhandlungen führen zu wollen, unter welchen Bedingungen man zustimmt oder nicht."