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Russland streut Desinformation: EU-Parlament fordert härtere Sanktionen


Fake News aus Russland
Putin zielt auf Deutschland


28.01.2025Lesedauer: 4 Min.
Wladimir Putin mit einem russischen Scharfschützengewehr. Russland soll aber auch weiterhin Gewehre aus westlicher Fertigung erhalten.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin mit einem russischen Scharfschützengewehr (Archivbild): Das EU-Parlament verurteilt russische Propaganda. (Quelle: Alexei Nikolsky/Kremlin)
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Geschichtsfälschung, Desinformation, Wahlbeeinflussung: Russlands Propaganda nutzt alle Möglichkeiten, um die europäischen Gesellschaften zu erschüttern. Das EU-Parlament fordert jetzt ein strikteres Vorgehen.

Niklas Golitschek berichtet aus Straßburg.

Die russische Propaganda läuft auf vielen Kanälen. Mit einer Resolution hat das EU-Parlament in Straßburg nun die Desinformation und Geschichtsfälschungen aus Moskau ins Visier genommen und die Union zu weiteren Sanktionen gegen kremltreue Medien aufgerufen. Vor dem Hintergrund des Angriffs auf die Ukraine warnt der deutsche Abgeordnete Sergey Lagodinsky (Grüne/Freie Europäische Allianz) vor einer Einmischung Russlands in den deutschen Wahlkampf zur bevorstehenden Bundestagswahl.

Der 49-Jährige spricht selbst Russisch und verfolgt seit Langem die Narrative rund um die "Russki Mir" (Russische Welt), die Präsident Wladimir Putin mit seiner Gefolgschaft spinnt. "Es ist wichtig, die Traditionen nachzuvollziehen", sagt Lagodinsky t-online. Der Angriff auf die Ukraine sei im Kontext imperialistischer Bestrebungen zu sehen: "Das ist das Ergebnis langer Geschichtsfälschung."

Erst über die falschen Erzählungen des "Großen Vaterländischen Krieges", wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird, könne Russland den Krieg rechtfertigen. Der Kreml ignoriere bewusst sowjetische Verbrechen, um die eigene Geschichte zu schönen.

In der Resolution sind unter anderem die Vertreibung der Krimtataren sowie der Bevölkerung in den baltischen Ländern erwähnt. Hinzu kommen das Zwangsarbeiter-System mit einem Netz aus Straf- und Gefangenenlagern, bekannt als Gulags, die von Stalin verursachte Hungersnot in der Ukraine (Holodomor) mit Millionen Toten oder das Katyn-Massaker. Die Rote Armee hatte Tausende polnische Offiziere und Intellektuelle systematisch ermordet.

Große Mehrheit für Resolution

Ebendiese Propaganda beunruhigt die baltischen Staaten und Polen zunehmend, da sie ebenfalls Teil dieser Geschichte sind. Das EU-Parlament benennt mit der beschlossenen Stellungnahme die Propaganda aus Russland eindeutig.

Die Resolution wurde mit 480 Ja-Stimmen, 58 Gegenstimmen und 48 Enthaltungen angenommen. Vor allem Abgeordnete der Fraktionen "Europa der Souveränen Nationen" und "Patrioten für Europa" aus dem rechten Lager sowie der Linken schlossen sich der Mehrheit nicht an.

Nur durch eine solche Geschichtsverfälschung lasse sich die Erzählung von einer Bedrohung durch die ukrainische Unabhängigkeit und einem angeblichen Nazi-Regime in Kiew aufrechterhalten, sagt Lagodinsky: "Das ist verknüpft mit der Sowjet-Armee als Befreier – ohne Besatzung und Vertreibung."

Eine wichtige Rolle spiele dabei auch die russisch-orthodoxe Kirche, die den Angriff auf die Ukraine unterstützt und Kritiker in den eigenen Reihen verfolgt. Ihr Einfluss wirke auch auf die orthodoxen Kirchen in der Ukraine, Moldau, Georgien oder Serbien, sagt der EU-Politiker.

EU-Vizepräsidentin: "Das hat eine deutliche Wirkung"

EU-Vizepräsidentin Kaja Kallas hatte bereits bei der Aussprache zur Resolution im Dezember die russische Propaganda mit deutlichen Worten verurteilt und sie als wichtigen Teil der russischen Kriegsführung bezeichnet: "Die russischen Behörden überarbeiten die Geschichtslehrbücher für russische Schüler und Studenten, bringen die imperiale Kriegspropaganda in die Schulen und unterziehen die Kinder seit Jahren einer Gehirnwäsche. Und das hat eine deutliche Wirkung."

Historiker und Organisationen, die nach der Wahrheit suchten, würden verhaftet oder zerschlagen. In der Folge wüssten auch die Menschen in Europa immer weniger, welchen Informationen sie noch glauben könnten.

Russlands Fokus auf der Bundestagswahl

Auch die deutsche Bundestagswahl steht im Fokus russischer Kampagnen. Seit 2022 verbreiten sogenannte "Doppelgänger"-Webseiten russische Narrative auf gefälschten Portalen, die großen deutschen Nachrichtenseiten nachempfunden sind. t-online hatte über die Kampagne zuerst berichtet.

Am Donnerstag enthüllte "Correctiv" parallel zur Abstimmung über die Resolution eine russische Desinformationskampagne mit rund 100 gefälschten Nachrichtenseiten, die den Wahlkampf beeinflussen sollten. "Es ist nicht im Interesse Russlands, dass kritische Kräfte erfolgreich sind", sagt EU-Parlamentarier Lagodinsky.

Um mit solchen Narrativen zu brechen, unterstützt das EU-Parlament unter anderem ein paneuropäisches Mahnmal in Brüssel für die Opfer aller totalitären Regime im 20. Jahrhundert. Auch für ein Verbot von Nazi- und kommunistischen Sowjet-Symbolen sprechen sich die Abgeordneten mehrheitlich aus. Zudem sollten unabhängige russische Exilmedien unterstützt werden.

Parlament kann nur wenig ausrichten

Doch wenn die EU-Kommission und -Mitgliedsstaaten keine Taten folgen lassen, dürften die teils deutlichen Worte aus Straßburg verhallen. "Das sind Anregungen. Wir können als Parlament nichts beschließen", sagt Lagodinsky über die begrenzten Möglichkeiten seiner Institution. Gleichwohl sieht der deutsche Abgeordnete Handlungsbedarf, um den Desinformationskampagnen aus Russland standzuhalten: "Wir brauchen hier einfach eine ganzheitliche Strategie."

Das schließe auch Erkenntnisse und Nachforschungen der Geheimdienste ein, wie das Korruptionsverfahren gegen den AfD-Politiker Petr Bystron zeige. Dem EU-Abgeordneten wird vorgeworfen, im Zusammenhang mit dem prorussischen Portal "Voice of Europe" Geld erhalten zu haben. Bystron selbst warf den Befürwortern der Resolution vor, keine Angst vor Desinformation zu haben, sondern vor der Wahrheit. Das Thema werde künstlich aufgebauscht, kritisierte der AfD-Mann.

Mit Blick auf die russische Desinformation müssten bestehende Diskursräume in sozialen Medien einen sicheren Rahmen erhalten. "Die Gefahr für unsere Demokratie ist jetzt da", sagt Lagodinsky. Allein im Juni 2024 seien auf der Plattform X 1.400 falsche pro-russische Konten mit einer Reichweite von 4,5 Millionen Nutzern identifiziert worden.

Experten hatten bereits im Januar des Vorjahres innerhalb nur eines Monats 50.000 gefälschte Nutzerkonten ausfindig gemacht, die mutmaßlich von Russland gesteuert gegen die Ampelregierung hetzten. Auch auf Plattformen wie YouTube beobachte er einen Trend für Propaganda, etwa von nach Russland ausgewanderten Deutschen.

"Wir müssen die Plattformen in die Pflicht nehmen"

Die jüngst annullierte Präsidentschaftswahl in Rumänien unterstreicht die Gefahren, die von der Kremlpropaganda ausgehen. Das rumänische Verfassungsgericht hatte den Überraschungssieg des Rechtsextremisten Călin Georgescu für ungültig erklärt, nachdem der Geheimdienst Cyberangriffe und Wahleinmischung offengelegt hatte.

"Wir müssen auch die Plattformen in die Pflicht nehmen", sagt Lagodinsky mit Blick auf den TikTok-Wahlkampf des rumänischen Kandidaten. Auch X-Besitzer Elon Musk stand jüngst in der Kritik, weil er der AfD-Spitzenkandidatin eine reichweitenstarke Plattform für ihren Wahlkampf geboten hatte. Die EU hat unter anderem mit dem Digital Services Act im Vorjahr einheitliche Vorschriften erlassen, um illegale Inhalte schneller zu entfernen. Das Parlament wünscht sich jedoch ein entschiedeneres Vorgehen gegen die russische hybride Kriegsführung.

Andernfalls würden die Nutzer das Vertrauen in die digitale Kommunikation verlieren. Im Hinblick auf die Bundestagswahl müssten sich die Deutschen deshalb davor wappnen, auf Fakes hereinzufallen. Insbesondere Nachrichten kurz vor dem Termin am 23. Februar sollten mit Vorsicht konsumiert werden, mahnt Lagodinsky: "Es ist nicht im Interesse Russlands, dass kritische Kräfte erfolgreich sind."

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