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Grundsatzrede in Prag: So will Kanzler Olaf Scholz die EU reformieren


Grundsatzrede in Prag
Scholz will neue Luftverteidigung für Europa

Von afp, t-online, dpa, cck, csi

Aktualisiert am 29.08.2022Lesedauer: 3 Min.
Olaf Scholz: "Einseitige Abhängigkeiten müssen wir schnellstmöglich beenden".Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: "Einseitige Abhängigkeiten müssen wir schnellstmöglich beenden". (Quelle: David W. Cerny/dpa)

Bei seinem ersten Besuch in Tschechien hat Olaf Scholz über den Zustand der Europäischen Union gesprochen. Er wünscht sich Reformen in mehreren Bereichen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in Prag eine Grundsatzrede an der renommierten Karls-Universität gehalten. Darin ging es vor allem um aus seiner Sicht notwendige Reformen der Europäischen Union und die Auswirkungen der sogenannten Zeitenwende. Als "Zeitenwende" hatte Scholz Ende Februar den Angriff Russlands auf die Ukraine und die damit verbundene Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik bezeichnet.

Scholz schlägt eine Reihe von Reformen für die EU vor. Unter anderem will er die EU auch militärisch stärken, etwa mit einem gemeinsam aufgebauten Luftverteidigungssystem. Das "wäre ein Sicherheitsgewinn für ganz Europa", sagte Scholz in seiner Rede. Zudem wäre es kostengünstiger und effizienter als nationale Lösungen. Details nannte er zunächst nicht.

Laut dem Kanzler ist zudem die Erweiterung der EU notwendig, um Stabilität innerhalb Europas zu sichern und unsere gemeinsamen Werte zu schützen. Die Kandidatenländer des westlichen Balkans, die Ukraine, Moldau und perspektivisch auch Georgien sollen deshalb auf ihrem Weg zum EU-Beitritt bestmöglich unterstützt werden.

Um mit 30 und mehr Mitgliedsstaaten handlungsfähig zu bleiben, brauche es allerdings auch Reformen der EU. Dazu gehört laut Scholz, dass es mehr Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeit geben müsse. Zudem fordert der Kanzler eine neue Balance für die Zusammensetzung des Parlaments sowie einer effizienter organisierten Kommission.

"Einseitige Abhängigkeiten müssen wir schnellstmöglich beenden"

Europa müsse auch wirtschaftlich unabhängiger und stärker werden, sagte Scholz. Das habe der russische Angriffskrieg gezeigt. "Einseitige Abhängigkeiten müssen wir schnellstmöglich beenden", sagt er mit Blick auf Lieferengpässe bei Chips und Halbleitern. "Ich möchte ein Europa, das Vorreiter bei wichtigen Schlüsseltechnologien ist."

Auch die außen- und sicherheitspolitischen Strukturen müssen laut dem Bundeskanzler gestärkt werden. "In diesen Zeiten brauchen wir einen eigenständigen Rat der europäischen Verteidigungsministerinnen und -minister." Die militärischen Fähigkeiten innerhalb der EU und mit der Nato sollen besser abgestimmt werden. In dem Zusammenhang spricht er von einer "schnellen Eingreiftruppe der EU" und einem "voll ausgestatteten EU-Hauptquartier", für das Deutschland einen deutlichen Beitrag leisten wolle.

Scholz unterstützt französischen Vorschlag

Zudem unterstützt Scholz die französische Idee für eine neue europäische politische Gemeinschaft, die einen engeren Austausch mit Partnern außerhalb der EU ermöglichen soll. Derzeit fehle ein Forum, bei dem die Staats- und Regierungschefs der EU mit Partnerstaaten ein- oder zweimal jährlich zentrale Themen besprechen könnten, sagte der Bundeskanzler am Montag bei seiner Rede an der Karls-Universität. Als mögliche Bereiche nannte er beispielsweise Sicherheits- und Energiefragen sowie Klimaschutz.

Als weiteren Punkt spricht Scholz die Geschlossenheit innerhalb der EU an, die besser werden müsse. Autokraten würden "offene Flanken" ausnutzen, wenn die Europäische Union uneinig sei. Alte Konflikte, insbesondere die Migrations- und Finanzpolitik, müssten überwunden und neue Lösungen gefunden werden. Mit Blick auf den Fachkräftemangel betont er: "Wir brauchen Zuwanderung." Legale Arbeitsmigration soll laut Scholz gefördert und irreguläre Migration begrenzt werden.

Scholz bot ukrainischer Armee stärkere deutsche Unterstützung

Der ukrainischen Armee bot Scholz eine stärkere Unterstützung im Kampf gegen Russland an. "Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass Deutschland besondere Verantwortung beim Aufbau der ukrainischen Artillerie und Luftverteidigung übernimmt", sagte der Kanzler.

"Auf solch ein System der koordinierten Unterstützung sollten wir uns schnell verständigen. Und damit unser Bekenntnis zu einer freien, unabhängigen Ukraine auf Dauer untermauern", so Scholz. Eine internationale Expertenkonferenz soll am 25. Oktober in Berlin außerdem über den Wiederaufbau der Ukraine beraten.

Am Mittag trifft Scholz den tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala. Bei dem Gespräch dürfte es auch um den geplanten Panzer-Ringtausch gehen. Die Bundesregierung will Tschechien Leopard-Panzer liefern, das seinerseits der Ukraine Waffen sowjetischer Bauart bereitstellt. Im Anschluss ist eine Pressebegegnung geplant.

Verwendete Quellen
  • Rede des Bundeskanzlers Olaf Scholz in Prag
  • Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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