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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Motorräder Dieses Motorrad hat 12 Zylinder
Zweirad-Wahnsinn: Ein Bastler aus Wuppertal hat sich ein Motorrad mit zwölf Zylindern gebaut. Warum? Weil er es kann.
Selbstbau-Bike mit Zwölfzylinder-Motor
"Ach, musste wieder ausparken?", scherzen Frank Ohles Kollegen, als er seinen Motorradhelm heraus kramt. Der 50 Jahre alte Wuppertaler liebt Motorräder. Zu seiner kleinen aber exklusiven Sammlung gehört seit zwei Jahren ein selbstgebautes Bike mit zwölf Zylindern. Schon das erste zum Leben erwecken und Fluten des sechs Liter fassenden Hubraums ist ein Erlebnis für sich. Das Grollen zaubert in Sekundenbruchteilen eine Ganzkörper-Gänsehaut hervor und zur Vorahnung auf einen gemeinsamen Ausritt kommt ein wenig Angstschweiß hinzu.
V12 kommt aus einem Aston Martin DB7
Das 430 PS starke Triebwerk hat der Bastler damals aus einem verunfallten Aston Martin DB7 ausgebaut und in den Rahmen einer alten Boss Hoss eingesetzt. Doch ganz so einfach wie es klingt, war es nicht. Denn der Rahmen der V8-Maschine war zu klein für das 85 Zentimeter breite Ungetüm. Also musste er selbst Hand anlegen und das Motorrad um den Motor herum bauen.
Show-Bike wiegt 700 Kilo
Der gelernte Maschinenschlosser verbrachte knapp anderthalb Jahre lang nahezu jede freie Minute mit dem Monster auf zwei Rädern. Zu seinem Glück und dank seiner 33-jährigen Zugehörigkeit in seiner Firma konnte Frank Ohle, nach Rücksprache mit seinen Vorgesetzten, einen ca. zehn Quadratmeter großen Bereich im hinteren Teil einer Fertigungshalle für sein Projekt absperren und nutzen. So führte ihn sein Weg nach Feierabend nahezu täglich in die eigene kleine Werkstatt nebenan, wo das drei Meter lange und fast 700 Kilogramm schwere Show-Bike auf ihn wartete. Dass bei so viel Motorrad- und Schrauberliebe nur wenig Zeit für Zwischenmenschliches bleibt, stört den notorischen Single nicht wirklich: "Da ich sowieso viel auf Montage in der ganzen Welt unterwegs bin und meine Motorradbastelei den letzten Rest meiner freien Zeit einnimmt, ist das nicht ganz so tragisch", erklärt er.
Monster-Bike
Zu seinem zweirädrigen Zwölfender fehlen ihm noch heute fast die Worte: "Dass es so groß wird, hat mich dann doch ein wenig erschrocken", gib Frank zu. Die einzigen Bauteile, die das Zweirad mit der ursprünglichen Rahmengeberin Boss Hoss gemeinsam hat, sind der Lenkkopf und die hintere Schwinge. Auf dem 33 Liter fassenden Treibstofftank prangt der Zeichentrick-Serien-Held Homer Simpson in kultiger Rockerkluft mit dem Untertitel Springfield Choppers.
Ein bisschen Spaß muss sein
Frank Ohles Ziel ist es, mit dem übergroßen und nicht für den Straßenverkehr zugelassenen Motorrad die Biker-Szene ein wenig aufzulockern. "Ich kann diese bösen Blicke einiger Biker nicht mehr sehen. Warum müssen die alle so böse gucken? Motorradfahren ist so schön und Motorradfahrer eigentlich so nett. Ich möchte das Ganze ein wenig auf die Schippe nehmen", grinst Frank. Der kleine Elefantenkopf auf seinem gut 1,20 Meter breiten Lenker, welcher die nicht funktionierende Hupe ersetzt und der Schriftzug "…Harley… Japaner… V8… alles Kinderkacke" untermauern sein Vorhaben. Es wundert daher nicht, dass es schon "ein paar Anfeindungen bezüglich dieser Dinge gab".
500 Newtonmeter brauchen nur drei Gänge
Dabei hat es doch eigentlich ganz harmlos angefangen. Die große Frage nach dem "Warum baut Mann so etwas?" beantwortet sich Frank Ohle nämlich so: "Das Ganze ist ja an sich totaler Blödsinn und braucht kein Mensch. Aber mich hat die Umsetzung der Idee so sehr gereizt, dass ich es einfach machen musste. Lange Rede kurzer Sinn: Weil ich es kann!" Seine größte Herausforderung war es, das Getriebe an den 500 Newtonmeter stemmenden Motor anzuflanschen. Zwei Vorwärtsgänge und ein Rückwärtsgang sind das Ergebnis. Der erste Gang beschleunigt das hinten auf einem 30 Zentimeter breiten Reifen fahrende Bike bis auf 200 km/h. Frank selbst ist schon 250 km/h gefahren und meint, dass noch wesentlich mehr möglich wäre. Und das alles ohne Windschott oder andere aerodynamischen Hilfsmittel zur Windkraftbekämpfung.
16 Liter schluckt die Maschine
Ganz so schnell fiel die erste Testfahrt des im Normalbetrieb 16 Liter schluckenden Zwölfenders nicht aus. Das Gefühl einen bebenden Aston Martin zwischen den Schenkeln zu spüren, der unter Volllast auch gern einmal den ganzen Tank auf 100 Kilometern leer säuft, ist dennoch einmalig. Das Standgas reicht schon fast für ein Überschreiten der Tempo-30-Zonen-Topspeed. Ein wenig mulmig wird es einem schon, denn wenn sich einer von zwölf Kolben in Richtung Fahrer verabschieden sollte, war es das mit der Familienplanung. Doch diese Gedanken werden schnell von dem ständigen Bestreben, das 700 Kilogramm schwere Ungetüm bei Schrittgeschwindigkeit in der Aufrechten zu halten in den Hintergrund gefahren. Denn wenn das Motorrad seinen Fahrer erst einmal unter sich vergraben hat, würde dies einem Reitunfall gleichkommen, wo das Pferd plötzlich oben und der Reiter unten ist.
Tuner hofft auf Promi-Käufer
Aber soweit ist es dann doch nicht gekommen und die von Anfang an quälende Frage drängt sich hervor: "Was macht man mit so einem Motorrad, wenn es fertig ist?" Da viele Dinge, die in der Entstehung oder neu sind, irgendwann ihren Reiz verlieren, ist für den Erbauer klar, "Die Maschine wird verkauft". Gut 70.000 Euro verspricht er sich durch einen Verkauf. Am liebsten wäre ihm ein Sammler wie der motorbegeisterte US-Talkmaster Jay Leno. Den ersten Garagenplatz in seinem Herzen hat übrigens schon längst ein neues Projekt eingenommen. Gezeigt hat er es schon, darüber reden darf man allerdings noch nichts. Aber so viel sei verraten: Nur Fliegen ist schöner.