Qual der Wahl Welche Kreuzchen sind wichtig beim Neuwagenkauf?
Brühl/München (dpa/tmn) - Sssssssst - und schon ist die Scheibe runter gefahren. Das war bis vor gar nicht allzu vielen Jahren absoluter Luxus und später zumindest aufpreispflichtig.
Heute ist das bis hinunter zum Kleinwagen längst Standard. So wie mit dem Fensterheber ist es auch mit den meisten anderen Ausstattungsoptionen von der Klimaanlage über das Navigationssystem bis hin zum Tempomat mit Abstandsregelung: Unter dem Stichwort "Demokratisierung von Komfort und Technologie" finden vermeintlich luxuriöse Extras ihren Weg aus der Oberklasse in preisgünstigere Autos und lassen die Optionslisten und Konfiguratoren immer weiter anschwellen.
Und weil immer mehr dieser Extras auf Software basieren und nicht auf teurer Hardware, beschleunigt sich diese Entwicklung zunehmend, sagt Jan Burgard vom Strategieberater Berylls. Er nennt als Beispiel das Bediensystem MBUX von Mercedes mit großem Bildschirm und Sprachsteuerung, das vor der S-Klasse in der A-Klasse eingesetzt wurde. Für den Käufer wird die Sache dadurch nicht einfacher, sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigen-Organisation KÜS. Selbst bei preiswerten Kleinwagen hat er mittlerweile die Qual der Wahl und muss seine Kreuzchen an der richtigen Stelle machen.
Mehr ist nicht immer mehr
Dabei lenkt Marmit den Blick vor allem auf die Sicherheitssysteme. Zwar sind ABS oder ESP auf Druck der Gesetzgeber längst Standard, doch gelte für die Assistenten keineswegs die Regel "viel hilft viel". Sinnvoll seien sie nur dann, wenn sie die Verkehrssicherheit erhöhen oder den Fahrer in häufig aufkommenden Situationen entlasten können. "Eine Bergabfahrhilfe wird jemanden auf dem platten Land nicht sonderlich unterstützen können", sagt Marmit. Und wer kaum längere Distanzen mit seinem Fahrzeug zurücklegt, werde Abstandsregeleinrichtungen, Spurhalteassistenten, oder Überholassistenten auch nicht unbedingt benötigen.
Wem die Wahl aus vielen Einzeloptionen zu mühsam ist, dem empfiehlt Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer so genannte Ausstattungspakete. Von den Herstellern geschätzt, weil sie so die Zahl der einzelnen Varianten reduzieren können, werden dort viele Extras in so genannten Lines, Editionen oder Paketen gebündelt.
Allerdings mogeln die Autohersteller dort dann oft auch Extras mit hinein, die wenig Zusatznutzen bieten und den Preis unnötig in die Höhe treiben, sagt Dieter Fess vom Marktbeobachter Bähr & Fess. Etwa Zierkonsolen aus Karbon, farbige Sitznähte oder Spiegelkappen in Kontrastfarben.
Das Autoleben geht weiter
Bei der Zusammenstellung eines Neuwagens und der Konfiguration von Extras und Optionen darf man allerdings nicht nur an den eigenen Nutzen denken, so Fess. "Sondern damit stellt man auch die Weichen für den Wiederverkauf und den Werterhalt seines Wagens." Das Vorhandensein erhöhe den Restwert allerdings nur marginal, denn der Wertverlust der Extras ist deutlich höher als der des Fahrzeugs.
"Aber wenn bestimmte, zum Segment passende Extras nicht vorhanden sind, dann schadet das dem Wiederverkauf beträchtlich und man muss beim Verkauf mit deutlichen Abschlägen rechnen." Das gelte besonders für die Ausstattung mit Assistenzsystemen, die auch für den Zweitkäufer immer wichtiger werden. Ferner spielten digitale Vernetzung und Konnektivität eine zunehmende Rolle und Automatikgetriebe seien selbst in jenen Segmenten gefragt, in denen sie bis vor kurzem noch als exotisch angesehen wurden.
Extras später dazu buchen
Immer mehr Fahrzeuge werden auch mit so genannten "Functions on Demand" angeboten, die wie Apps auf dem Smartphone gekauft oder abonniert und jederzeit frei geschaltet werden können, so Burgard: "Das gibt dem Kunden viel mehr Flexibilität und fordert weniger finale Entscheidungen: Überflüssige Extras wird man schnell wieder los und fehlende kann man problemlos nachbuchen."