Allradantrieb boomt Allrad, Front oder Heck: Welcher Antrieb passt zu wem?
Jeder vierte Neuwagen in Deutschland fährt mit Allradantrieb – doppelt so viel wie noch 2010. Woran das liegt und welcher Antrieb zu wem passt.
25 Prozent betrug der Allrad-Anteil an den Neuzulassungen in den ersten vier Monaten des Jahres 2023. Das zeigen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), die die Deutsche Presse-Agentur ausgewertet hat. 2022 waren es sogar 25,9 Prozent. Davor ging es Jahr für Jahr nach oben: 2010 waren es erst 11 Prozent.
"Ein Grund für die Zunahme des Allradanteils könnte im Boom der SUV liegen. Da gehört Allrad für viele Käufer dazu", vermutet man beim ADAC. "Ein anderer Aspekt könnte die Beliebtheit von Wohnwagen sein."
Im Fahrzeugbestand macht sich der Allradboom der vergangenen Jahre bereits mit steigenden Anteilen bemerkbar. Weil Autos aber viele Jahre gefahren werden, passiert dies nur langsam. Knapp 6,5 Millionen Fahrzeuge am Stichtag 1. Januar 2023 entsprechen einem Anteil von 13,3 Prozent auf den Straßen.
Ungleichmäßige Verteilung zwischen Nord und Süd
Insgesamt zeigt sich ein klares Gefälle zwischen Süden und Norden: In allen drei Stadtstaaten sowie Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt kommt kein Zulassungsbezirk auf 14 Prozent oder mehr Allrad-Autos. In Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen liegt dagegen mehr als die Hälfte darüber. Die höchsten Quoten finden sich in Bayern. Teils könnte dies an der Lage an den Alpen oder im bergigen Bayerischen Wald liegen. Auch eine Rolle spielt wohl, dass durch dort ansässige Autohersteller wie Audi oder BMW die Zahl der Firmenwagen deutlich höher ist.
München liegt mit 21 Prozent weit über dem deutschen Durchschnitt. In Hamburg sind es 13 Prozent Allrad-Anteil, in Berlin 11,5 – in Stuttgart mit Mercedes und Porsche sind es 17,2. Insgesamt hat der Allradantrieb in Städten allerdings weniger Freunde. Die niedrigsten Anteile finden sich in Emden mit 8 Prozent, Wilhelmshaven mit 8,3 und Herne mit 8,4 Prozent.
Welcher Antrieb passt zu wem?
Eigentlich sollte die Wahl zwischen drei Alternativen nicht so schwer sein: Doch bei manchen Autokäufern gerät die Antriebswahl zur philosophischen Frage. Der Ansatz von Andreas Zygan ist eher pragmatisch. Bei der Entscheidung kommt es auf den Einsatzzweck an, findet der Leiter der Entwicklung im Bereich Vans bei Mercedes-Benz. "Es gibt nicht den besten Antrieb", sagt er.
"Für Regionen mit vielen Steigungen und häufigem Schneefall eignen sich Fahrzeuge mit Allradantrieb, für flachere Regionen reichen zwei angetriebene Räder", führt Zygan aus. Hans-Joachim Kirchvogel vom Auto Club Europa (ACE) beantwortet die Antriebsfrage wie folgt: "Stadtfahrer setzen besser auf ein Auto mit Frontantrieb, da es weniger verbraucht und günstiger ist." Die Kraft werde erzeugt, wo sie benötigt wird: nämlich vorne.
Fahrdynamik und Sicherheit
Laut Reinhard Buchsdrücker, Fahrsicherheitstrainer bei der Sachverständigenorganisation Dekra, schiebt ein Fahrzeug mit Frontantrieb in einer zu schnell gefahrenen Kurve über die Vorderräder – es untersteuert also. Ein Fahrzeug mit Heckantrieb übersteuert in so einer Situation eher – es bricht aus. Vor allem auf glatten Straßen könne sich das bemerkbar machen. Durch moderne ESP-Regelung merke der Autofahrer bei der Fahrdynamik keinen großen Unterschied, so Buchsdrücker.
Frontangetriebene Autos seien aber in solchen Situationen tendenziell besser zu beherrschen als Autos mit Hinterradantrieb. "Die sind wiederum dynamischer ausgelegt und eher etwas für sportlichere Fahrer." Was für den Allradantrieb spricht: "Vor allem der Frontantrieb ist häufig mit den oft hohen Motorleistungen moderner Autos überfordert", sagt ADAC-Experte Maximilian Bauer. Auch bei schlechten Witterungsverhältnissen bietet Allradantrieb die beste Traktion und damit auch die meiste Sicherheit.
Wenn es dennoch nicht der Vierradantrieb sein soll, fahren Autofahrer im Winter mit einem Frontantrieb sicherer, so Hans-Joachim Kirchvogel vom ACE. Denn es sei besser, wenn ein Fahrzeug gezogen wird, als wenn es geschoben wird, wie es beim Heckantrieb passiert.
Verbrauch und Umwelt
Allradfahrzeuge sind beim Verbrauch klar im Nachteil gegenüber vergleichbaren Modellen ohne diese Technik: "Auch heute noch verbrauchen moderne Allradfahrzeuge etwa einen halben Liter mehr auf 100 Kilometer als Autos mit nur einer angetriebenen Achse", sagt Maximilian Bauer vom ADAC. Der Mehrverbrauch sei zwar geringer als früher, "auch weil der Allradantrieb nicht durchgehend genutzt wird, sondern sich in der Regel automatisch zu- oder abschaltet", erklärt er. Da habe sich technisch viel getan. "Allerdings bleibt es dabei, dass der Allradantrieb mehr bewegte Teile und ein zusätzliches Gewicht von 50 bis 80 Kilogramm bedeutet. Und das kostet Sprit." Das ist bei Elektroantrieben etwas anders – wobei auch hier die Themen Mehrgewicht und Mehrverbrauch eine Rolle spielen.
Das geht auf Dauer auch ins Geld und belastet das Klima, insbesondere bei Verbrennermotoren. Je nachdem, mit welchen Fahrleistungen und Preisen man rechnet, kann sich das über ein Autoleben auf mehr als 2.000 Euro summieren. Zudem sorgt es grob gerechnet für zusätzlichen CO2-Ausstoß in einer Dimension um die drei Tonnen.
Leistung und Preis
Ein weiterer Faktor ist die Leistung des Autos. Bei PS-starken Motoren setzen die Hersteller eher auf Hinterradantrieb oder Allrad. Ein Frontantrieb wird hingegen meistens eingesetzt, weil der Motor quer eingebaut ist und so einen kompakten, leichten und günstigen Antrieb ermöglicht. Zudem schafft das mehr Platz im Innenraum.
Anhänger
Gespannfahrer seien mit einem Hinter- oder Allradantrieb besser beraten, weil durch den Anhänger die Hinterachse stärker belastet werde und mehr Traktion biete. Allrad-Autos eignen sich für Fahrer, die große Lasten zu transportieren haben und häufig auf schlechten Straßen unterwegs sind.
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa