Stau, Abgase und Verkehrslärm Diese Städte wollen eine City-Maut testen
Zu viel Autoverkehr in Innenstädten geht auf Kosten der Gesundheit und der Lebensqualität. Am Vorschlag einer City-Maut wie in London scheiden sich die Geister – einige Städte wollen sie trotzdem ausprobieren.
Der Deutsche Städtetag findet, interessierte Kommunen sollten eine Gebühr für die Fahrt ins Stadtzentrum testen können. Der Verkehrsclub ADAC und der Handel warnen dagegen vor Verunsicherung und unfairen Kosten. In den Großstädten ist das Chaos aus Pendlern, Lieferverkehr und "Elterntaxis" ein Dauerthema: Die Vorschläge zur Lösung reichen von einer Nahverkehrsabgabe bis zur Seilbahn.
City-Maut nach Londoner Vorbild
Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagt der Deutschen Presse-Agentur, die Städte müssten selbst entscheiden, was für die Verkehrslenkung sinnvoll sei. "Denkbar wäre beispielsweise, eine City-Maut oder Nahverkehrsabgaben in einzelnen Städten zu erproben, die dies wünschen." Entscheidend sei die Akzeptanz.
Anlass ist eine Debatte in Berlin über eine City-Maut nach Londoner Vorbild angesichts von Lärm, Luftverschmutzung und Staus. Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos) sagt, "über kurz oder lang" werde man über eine solche Abgabe diskutieren müssen. "Es wird bei der knappen Ressource Fläche in der Stadt deutlich teurer werden müssen, mit Autos den öffentlichen Raum zu nutzen."
Der Städtetag wolle zwar keine flächendeckenden neuen Abgaben für Verkehrsteilnehmer in den Städten einführen, sagt Dedy. "Aber wir plädieren ausdrücklich dafür, einzelnen Städten die Möglichkeit zu geben, finanzielle Maßnahmen zu erproben, um den Verkehrsfluss in bestimmten Zonen zu lenken."
Baden-Württemberg diskutiert Nahverkehrsabgabe
In der "Pendlerhauptstadt" Frankfurt am Main gibt es keine Mautpläne – auch, weil dazu keine Rechtsgrundlage existiere, sagt ein Sprecher des Verkehrsdezernats. Es werde stattdessen unter anderem darüber nachgedacht, ob Seilbahnen eine Alternative sein könnten. Solche Überlegungen gibt es auch in München. Vor ein paar Wochen hat der dortige Stadtrat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.
In Hamburg tauchen die Begriffe City-Maut oder Umweltzone immer mal wieder auf. In der politischen Diskussion spielen derzeit aber nur die Diesel-Fahrverbote wegen der Luftverschmutzung eine Rolle. Köln versucht, mit dem Verkehrskalender Autofahrer frühzeitig auf Baustellen, Messen und Großveranstaltungen vorzubereiten.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) denkt über eine Nahverkehrsabgabe nach. Wer mit dem Auto in die Innenstadt fahren will, bräuchte dann ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, das auch für Busse und Bahnen genutzt werden kann. Mit dem zusätzlichen Geld könnten die Städte den Nahverkehr ausbauen. Auch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ist dafür.
ADAC: City-Maut trifft finanziell Benachteiligte
In der Berliner City-Maut-Debatte bezieht der ADAC klar Stellung: Grundsätzlich sei man dagegen, sagt Sprecherin Sandra Hass. Es gebe zwar wirklich ein Platzproblem in der Hauptstadt – "das weiß jeder, der mit dem Auto in Berlin unterwegs ist". Statt auf eine Maut müsse man aber auf Alternativen zum Auto setzen, die bisher noch nicht ausreichend vorhanden oder nicht attraktiv genug seien. Dazu gehörten mehr Züge mit schnellerer Taktung. Autofahrer würden über die Steuer, Parkgebühren und Spritpreise bereits stark belastet. Eine Maut treffe diejenigen besonders, die finanziell ohnehin benachteiligt seien.
Auch der Handelsverband HDE hält nichts von einer Maut für Innenstädte. Schon die Debatte schade dem dortigen Einzelhandel, teilt er mit: "Viele Kunden sind verunsichert, ob die Stadtzentren weiterhin unkompliziert mit dem Auto erreichbar bleiben."
Öffentlicher Nahverkehr soll zuerst verbessert werden
Anders als der Städtetag lehnt auch der Städte- und Gemeindebund eine City-Maut entschieden ab. So etwas komme "allenfalls für Megastädte, wie sie in Deutschland kaum zu finden sind, in Betracht" und wirke nur, wenn nachhaltige Mobilitäts-Alternativen ausgebaut würden, sagt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Rheinischen Post".
- Ab Sommer: Diesel-Fahrverbote auf 15 Berliner Straßen
- Verhandlung vor BGH: Deutsche Umwelthilfe darf wohl weiter abmahnen
- Experten: So lange werden Diesel-Fahrverbote gelten
Die Union im Bundestag äußert sich ebenfalls skeptisch. "Erst müssen mit kürzeren Taktzeiten sowie sauberen Zügen und Stationen die Hausaufgaben beim öffentlichen Nahverkehr gemacht werden", sagt Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) der "Rheinischen Post", danach könne man über weitere Maßnahmen nachdenken. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sagt der dpa, es fehle ein "vernünftiges Gesamtkonzept". Eine City-Maut könne Teil einer Gesamtstrategie sein – aber ohne vernünftigen öffentlichen Nahverkehr und ein gutes Radwegenetz scheine es sich "mehr um ein neues Einnahmeinstrument für die Kommunen zu handeln".
- Nachrichtenagentur dpa