Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Debatte um generelle Tempolimits "Tempo 180 ist angenehme Reisegeschwindigkeit"
Mitten in der Debatte um generelle Tempolimits auf deutschen Autobahnen schwelgt er von einer Fahrt mit Tempo 320: Tobias Huch ist genervt von der Diskussion – und zeigt das in seinem Gastbeitrag deutlich.
Ich bin ein entschiedener Gegner eines generellen Tempolimits auf 120 km/h und sehe den Sinn dahinter ganz und gar nicht. Früher war ich oft auf deutschen Autobahnen unterwegs – meist mit Autos, die auf dem Tacho als Höchstgeschwindigkeit die magische „3“ vor den letzten zwei Ziffern stehen hatten. 320 km/h waren bei einer Fahrt einmal das Höchste der Gefühle – Sonntagnacht um drei Uhr auf der A5, entlang des Frankfurter Flughafens – auf einer achtspurigen Autobahn mit Standstreifen, es war kein weiteres Fahrzeug in Sicht.
Ich habe der Versuchung nicht widerstehen können, diese Erfahrung auf Twitter zu teilen, um – meinem Temperament entsprechend – zu provozieren, Denkanstöße zu geben und der Debatte eine gewisse Würze zu verleihen. Während über generelle Tempolimits diskutiert wird, habe ich von einer Fahrt mit 320 km/h geschrieben.
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Es hat ohnehin etwas Religiöses, wenn Verfechter und Gegner eines generellen Tempolimits aufeinanderprallen: Von einer ausgewogenen Diskussion kann fast nie die Rede sein. Es ist eher ein gegenseitiges Vorbeten der eigenen Dogmen. Und auf Twitter fallen in der Kürze Zwischentöne dann noch weg, Ironie und Sarkasmus sind kaum mehr herauszulesen. Ein herrliches Medium also, für die Tempolimit-Diskussion geradezu maßgeschneidert!
"Moralbesoffene Geschwindigkeitsgegner"
Es dauerte nicht lange, bis ich den Zorn der einschlägigen Community auf mich gelenkt hatte: Allein, dass ich die gefahrenen 320 km/h erwähnt hatte, führte bei manchen zu regelrechter Schnappatmung: Wer ein Auto mit 320 Sachen fährt, der muss ja ein Bonze sein, ein dekadentes Schwein, auf jeden Fall natürlich ein rücksichtsloser Raser. Genau die Art von Resonanz, die ich erwartet hatte. Diese geäußerten Klischees sind ganz typisch für viele moralbesoffene Geschwindigkeitsgegner.
Schnell hielt mir ein "Verkehrs- und Klimaexperte" vor, ich sei sicherlich einer von der Sorte, die besonnene Verkehrsteilnehmer per Lichthupe von der linken Spur wegdrängeln. Auch hier: von sachlicher Diskussion keine Spur. Diese Unterstellung war für mich eine willkommene Steilvorlage für eine ironische Antwort: Er hat mich viel zu milde beschrieben, halte ich ihm entgegen.
Tatsächlich würde ich ihn nicht nur auf den Seitenstreifen abdrängen, sondern alles daransetzen, seine lahme Kiste in Flammen aufgehen zu sehen, schrieb ich. Herrlich – ich, der Nero der deutschen Autobahnen. Natürlich eine reichlich übertriebene und provokante Replik.
Auf angepasste Geschwindigkeit kommt es an
Aber auch ohne das speziell bei Twitter-Debatten erforderliche Maß an Sarkasmus kann ich guten Gewissens, ganz sachlich und ohne jeden Schaum vorm Maul zu meiner Meinung stehen: 180 km/h sind, soweit es die Verkehrssituation erlaubt, eine durchaus sichere, adäquate und angenehme Reisegeschwindigkeit, die sich auch von anderen Verkehrsteilnehmer problemlos einschätzen lässt.
Die mögliche Höchstgeschwindigkeit kann man unter normalen Umständen in der Praxis auch kaum ausreizen. In 999 von 1000 Autobahnfahrten ist so etwas schlicht unmöglich – wegen Fahrbahnbeschaffenheit, Baustellenhäufigkeit, Lkw-Aufkommen und unberechenbaren Verkehrsteilnehmern. Zudem bestehen über weite Teile der deutschen Fernstraßen ohnehin schon Tempolimits auf diversen Streckenabschnitten.
Und jeder von uns, der öfter auf deutschen Autobahnen unterwegs ist, kennt die Zauberformel: angepasste Geschwindigkeit. Angepasst heißt: dem Verkehrsfluss, der Verkehrsdichte und der jeweiligen Situation angemessen. Dies lässt sich nicht in Verbote gießen. Ich fahre meist mit Tempomat 140. Ich will aber das Recht haben, schneller fahren zu können.
120 bei geringem Verkehr ist Nonsens
Defensive Fahrweise, wo sie angebracht ist, führt automatisch zur Geschwindigkeitsreduktion, ganz freiwillig. Aber es ist vollkommener Nonsens, gerade bei geringem Verkehr, auf völlig freien, überschaubaren Pisten mit 120 oder gar nur 80 Sachen entlang zu tuckern. Diese Einschätzung spricht klar gegen ein pauschales Tempolimit.
Ich erhielt aber eine regelrechte Predigt über „Entschleunigung“ und – natürlich – den allgegenwärtigen „Klimawandel“. Vielleicht von Leuten von der Sorte, die am Ryanair-Schalter beim Check-In mit Vornamen begrüßt werden, aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit wohlfeile populistische Schlagworte twittern, um „Haltung“ zu zeigen und sich als moralisch überlegen darzustellen. Hauptsache, man bekommt Zuspruch in Form von Likes und Retweets.
Der springende Punkt an der meiner Meinung nach gänzlich müßigen Diskussion ums Tempolimit ist, dass es sich um eine reine Scheindebatte handelt. Sachliche, zwingende Argumente lassen sich nämlich faktisch keine finden für eine solch schwerwiegende Einschränkung der persönlichen Freiheit, wie sie ein generelles Tempolimit bedeuten würde.
Weder bei Emissionswerten noch Unfallzahlen auf den davon betroffenen Fernstraßen stünde die Schikane in einem Verhältnis zum behaupteten Nutzen. Da mögen hysterische Öko-Apostel in ihren durch Kohlekraftwerke bewegten Elektroautos noch so laut brüllen.
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Sie sollten zuerst einmal den Cobalt-, Coltan- und Lithium-Minen (für die Akkus ihrer Teslas) in den von ihnen mit ausgebeuteten Entwicklungsländern einen Besuch abstatten, die sie mit ihrem „ökologisch korrekten“ Konsumverhalten am Laufen halten, bevor sie mir die Zerstörung der Umwelt vorwerfen, weil ich nicht Schritttempo fahren will. Sonnen in der eigenen weltfremden Selbstzufriedenheit unter dem Himmel Afrikas.
Der Autor besitzt seit seinem Umzug von Mainz in seine Wahlheimat London vor knapp drei Jahren kein Auto mehr und bewegt sich in London mit Zug, Bus und Tube (U-Bahn) fort. Huch ist Gründer des Thinktanks FDP Liberté. Er arbeitet als Journalist und Buchautor und gehört dem Beirat der Kurdischen Gemeinde in Deutschland an.