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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuvorstellungen & Fahrberichte Mercedes SL Pagode wird 50 Jahre alt
Am Anfang vor 50 Jahren hatte die Mercedes Pagode keinen allzu leichten Stand, so genial ihr Konzept aus Sicherheit, Komfort und Design auch war. Sollte sie doch den Boulevard-Flitzer Mercedes 190 SL wie auch den Supersportwagen Mercedes 300 SL gleichermaßen beerben.
Zu den 215 PS des offenen Mercedes 300 SL fehlten dem neuen Sportwagen dann aber doch satte 65 PS. Mit 150 PS starkem und 2,3 Liter großem Sechszylinder debütierte der Mercedes 230 SL 1963 auf dem Genfer Salon. Und auch über sein Design gab es im Vorfeld Kontroversen. "Der sieht ja aus, als sei ein Baum drauf gefallen" witzelte der junge Ingenieur Erich Waxenberger gegenüber Mercedes-Direktor Karl Wilfert.
Das Hardtop gab der Mercedes Pagode ihren Namen
Seine spöttische Bemerkung bezog sich auf das in der Mitte leicht nach unten gewölbte Hardtop des Mercedes SL mit der internen Bezeichnung W113. Es erinnerte an die Dach-Form fernöstlicher Pagoden und gab dieser Mercedes SL-Reihe ihren bis heute charakteristischen Kosenamen. Dabei steckte in dem Dach eine vernünftige Überlegung: An den Rändern war das Dach etwas höher, um Fahrer wie Beifahrer das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. In der Mitte dagegen hing das Dach leicht durch, um dem Fahrtwind weniger Widerstand entgegen zu setzen und die Aerodynamik zu verbessern.
Mercedes Pagode wurde ein Symbol der 60er Jahre
Den Käufern gefiel der neue Sportwagen von Mercedes auf Anhieb. Ihre filigrane Schönheit mit geschickt akzentuierendem Chromschmuck verschaffte der Pagode schnell einen Status als jedermanns Liebling, ähnlich dem im gleichen Jahr erstmals auf der IAA gezeigten Porsche 911. Ihre Optik wirkt selbst heute noch nicht veraltet. Die Pagode tritt vielleicht nicht ganz so heiß auf wie ein Jaguar E-Type, aber sie hat einen ähnlichen Status als Stilikone wie der britische Sportwagen-Klassiker.
Mercedes Pagode setzte Maßstäbe in Sicherheit
Bei der Pagode kommen noch eine Vielzahl von sicherheitstechnischen Erneuerungen dazu. Eine steife Fahrgastzelle mit leicht verformbaren Knautschzonen schützt den Fahrer von allen Seiten. Im Innenraum hatten Designer und Techniker alle scharfen Kanten sorgfältig abgerundet. Und die Lenksäule verfügte über Gelenke, um bei Unfällen den gefährlichen "Lanzen-Effekt" zu verhindern.
Ist der SL wirklich ein Frauenauto?
Auch im Bezug auf die Antriebstechnik war die Mercedes-Pagode eine Revolution: erstmals gab es in einem Mercedes SL wahlweise ein automatisches Getriebe. Was der Pagode auch wegen ihres zumeist gebrauchten bestimmenden Artikels "die" und ihrer fast schon femininen Eleganz schnell einen Ruf als Frauenauto einbrachte. Dabei steckte in dem gediegenen Cabriolet ein durchaus ernsthafter Sportwagen, der auch zum Kurvenräubern taugte.
Sport treiben mit der Mercedes Pagode
Ihre breite Spur in Verbindung mit dem kurzen Radstand - Basis war die um 30 Zentimeter gekürzte Bodengruppe der Mercedes-Limousine W111 - verschaffte der Mercedes-Pagode große Wendigkeit und ausgezeichnete Straßenlage. Sie ließ sich leicht fahren und selbst ihr Federungskomfort - nicht eben die stärkste Seite vieler Sportwagen - überzeugte die Kritiker. Dass die hübsche und zart-feminine Pagode aber selbst wilde Raufereien in Staub und Dreck nicht scheute, bewies sie schon kurz nach ihrem Debüt in Genf: Ein Mercedes 230 SL mit Eugen Böhringer am Steuer gewann die knallharte 6600 Kilometer langen Rallye Spa-Sofia-Lüttich.
Versionen bis zu 2,8 Liter Hubraum
Im Dezember 1966 löste der ebenfalls 150 PS starke Mercedes 250 SL, der aber nur ein Jahr lang gebaut werden sollte, den 230 SL ab. 1968 kam schließlich der 280 SL mit 170 PS. Von den Fahrleistungen unterscheiden sich die drei Pagoden-Versionen nur unwesentlich: Die 150 bis 170 PS reichten für eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in zehn Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von um die 200 km/h, die Automatik-Versionen machen es nur unwesentlich schlechter. Der 2,8 Liter-Motor im 280 SL fand mit dann 185 PS Leistung auch seinen Weg unter die Motorhaube des Pagoden-Nachfolgers Mercedes W 107.
Die Amis mochten die Pagode
Vor 42 Jahren, am 23. Februar 1971, lief die letzte Mercedes Pagode vom Band. In ihrer achtjährigen Bauzeit hatte sie es auf eine Stückzahl von fast 50.000 Exemplaren gebracht. Sie war ein Zeichen für den wirtschaftlichen Aufschwung im Deutschland der sechziger Jahre, obwohl mehr als die Hälfte aller Pagoden in den Export in die USA ging. Vor allem für den US-Markt gab es die Pagode auch ohne Stoffdach, aber mit Hardtop und durchgehender hinterer Sitzbank.
Auch Til Schweiger fuhr Mercedes Pagode
Eine von Pininfarina gestaltete Coupé-Version entstand als "Springer-Pagode" für den Verleger Axel Springer, der das Auto als Ersatz für ihren in die Jahre gekommenen BMW 507 seiner Frau schenkte. Der Ferrari-Designer sagte später aber selbst, dass er den Originalentwurf von Mercedes-Designer Paul Bracq für gelungener hielt als seine Version. Die Beliebtheit der Pagode als Oldtimer führen zu soliden Preisen bis zu 150.000 Euro für Spitzenexemplare. Die Mercedes Pagode fuhr in etlichen Spielfilmen vor. Auch wer schon eine Mercedes Pagode besitzt, sollte sich unbedingt den Pagoden-Kinofilm schlechthin ansehen: "Knockin’ on Heaven’s Door" von Thomas Jahn und Til Schweiger.