Industrie auf Kollisionskurs? Autoboss Källenius schlägt Alarm
13 Millionen Arbeitsplätze, sieben Prozent des europäischen BIP – und dennoch sieht sich die Autobranche im Abseits. ACEA-Präsident Ola Källenius schreibt einen Brandbrief an die Politik.
Ola Källenius, Chef von Mercedes und neuer Präsident des Verbands der Europäischen Automobilhersteller (ACEA), schlägt Alarm: In einem Schreiben an die Politik fordert er grundlegende Korrekturen – und mahnt zur Zusammenarbeit.
"Ein Drittel aller privaten Forschungsausgaben"
Die Automobilindustrie sei ein Kernstück der europäischen Wirtschaft, betont Källenius. Sie biete nicht nur 13 Millionen Menschen Arbeit, sondern steuere auch sieben Prozent zum EU-Bruttoinlandsprodukt bei. Zudem finanziere die Branche rund ein Drittel der privaten Forschung und Entwicklung in Europa – und fülle die Staatskassen mit über 390 Milliarden Euro.
Klimaziele: Realismus statt Ideologie
Vor allem der europäische Green Deal müsse überarbeitet werden. Zu unflexibel, zu unrealistisch, schreibt Källenius. CO2-Ziele sollten die Hersteller nicht bestrafen, sondern Anreize schaffen. Er plädiert für Steuervergünstigungen für Elektroautos, eine beschleunigte Förderung erneuerbarer Energien und den Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur.
Ola Källenius: Ein Konzernlenker unter Druck
Ola Källenius (*1969 in Västervik) ist seit 2019 Chef von Mercedes. Der Aufstieg des Schweden begann 1993, als er nach seinem Studium in Stockholm und St. Gallen in die Nachwuchsgruppe von Daimler-Benz eintrat. Heute ist er deutscher und schwedischer Staatsbürger. Sein Fokus auf Luxus und hohe Margen bescherte dem Konzern Rekordgewinne, zuletzt aber auch Kritik: Händler warnen vor Kundenschwund und bezeichnen die Luxusstrategie als "gierig".
Außerdem fordert er die "Anpassung der aktuellen strafbasierten Vorschriften" – eine elegante Umschreibung für weniger Druck und mehr Unterstützung. Auf gut Deutsch: Die Autoindustrie will mehr Geld und weniger Regeln.
Handelsbeziehungen: Schlüssel zum Wohlstand
Auch im globalen Wettbewerb sieht Källenius Europa im Nachteil. "Der Handel mit China und den USA ist für den Wohlstand der europäischen Wirtschaft am wichtigsten", betont er. Statt in Handelsstreitigkeiten zu verharren, sei Einigkeit gefragt – gerade angesichts der Herausforderungen durch geopolitische Spannungen.
Källenius fordert eine branchenübergreifende Strategie, bei der Energieversorger, Netzbetreiber und IT-Unternehmen gemeinsam mit der Autoindustrie an Europas Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. Sein Appell an die Politik: Nur mit einem klaren Signal aus den Hauptstädten kann der Motor der Wirtschaft wieder zum Laufen gebracht werden.
- acea.auto: Act now to prevent irreparable damage to competitiveness as EV growth sluggish and trade tensions rise (Englisch)
- auto-motor-und-sport.de: Neuer Präsident der europäischen Autohersteller: Ola Källenius mit offenem Brand-Brief an die EU
- automobilwoche.de: Mercedes: Risse in der Luxus-Strategie
- group.mercedes-benz.com: Vorsitzender des Vorstands der Mercedes-Benz Group AG