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VW-Krise: Management-Versagen gefährdet Zukunft des Konzerns


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VW in der Krise
"Dabei versagt der Staat"

InterviewVon Markus Abrahamczyk

28.09.2024Lesedauer: 3 Min.
Volkswagen-Zentrale in Wolfsburg: Allein von 2019 bis 2023 machte der Konzern rund 70 Milliarden Euro Reingewinn. In der Krise steckt er trotzdem.Vergrößern des Bildes
Volkswagen-Zentrale in Wolfsburg: Allein von 2019 bis 2023 machte der Konzern rund 70 Milliarden Euro Reingewinn. In der Krise steckt er trotzdem. (Quelle: IMAGO/Bernd Feil/M.i.S.)
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Gestern Rekordgewinne, heute Rekordkrise – wie kann das sein? Welchen entscheidenden Fehler hat VW gemacht? Braucht der Konzern eine neue Führung? Und ist das Unternehmen noch zu retten? Antworten von DUH-Chef Jürgen Resch.

Deutschlands größter Autobauer steckt in der Krise. Trotz Milliardengewinnen und üppiger Staatshilfen warnt Volkswagen-Chef Oliver Blume vor schwierigen Zeiten, droht mit Entlassungen und Werksschließungen. Doch was steckt dahinter? Und welche Rolle spielt die Politik in diesem Dilemma?

Im Gespräch mit t-online beleuchtet Branchenkenner Jürgen Resch die Hintergründe der VW-Krise. Der Chef der Deutschen Umwelthilfe deckt Versäumnisse des Managements auf, kritisiert die enge Verflechtung von Autoindustrie und Politik und zeigt mögliche Auswege aus der Misere auf. Seine Analyse offenbart ein komplexes Geflecht aus Fehlentscheidungen, verpassten Chancen und fragwürdigen Subventionen. Und er stellt klar: Nur eine Notoperation kann den Patienten VW retten.

t-online: VW macht Jahr für Jahr Milliardengewinne und kassiert gewaltige Subventionen. Wie passt das mit der angeblichen Krise zusammen?

Jürgen Resch: VW spricht von Krise, weil die Gewinne 2024 sinken könnten – obwohl sie immer noch hoch sind. Das eigentliche Problem liegt woanders: VW hat den Umstieg auf Elektroautos verschlafen. Bei der Entwicklung von Betriebssoftware für E-Autos hinkt der Konzern hinterher. Es fehlen konkurrenzfähige Elektrofahrzeuge für den Massenmarkt, vor allem in China und den USA.

Trotz der vielen Milliarden vom Staat? Allein seit 2018 hat VW 6,4 Milliarden Euro an Steuergeldern erhalten – unter anderem, um moderne Antriebs- und Digitaltechnik zu entwickeln.

Ja. Der Staat versagt bei der Kontrolle der Autokonzerne und lässt sie die Politik in Berlin mitbestimmen. Trotz Milliardengewinnen fordern und bekommen sie weitere Subventionen. Statt Elektromobilität zu fördern, unterstützt die Regierung klimaschädliche Verbrennungsmotoren. Diese enge Verflechtung von Politik und Autoindustrie verhindert echte Reformen.

Jürgen Resch: "Dieselgate" werde nicht der letzte Skandal der Autowelt bleiben, sagt der Chef der Deutschen Umwelthilfe.
Jürgen Resch: "Dieselgate" werde nicht der letzte Skandal der Autowelt bleiben, sagt der Chef der Deutschen Umwelthilfe. (Quelle: Steffen Holzmann)

Zur Person

Jürgen Resch kämpft seit Jahrzehnten für den Schutz der Umwelt. In den 1980er-Jahren war er in führenden Positionen beim BUND tätig. 1982 deckte er das Vogelsterben durch das Pestizid Endrin auf und erreichte ein bundesweites Verbot. Seit 1988 leitet Resch als Bundesgeschäftsführer die Deutsche Umwelthilfe (DUH).

Und nun droht das Management in Wolfsburg mit Werksschließungen und Massenentlassungen. Was war der größte strategische Fehler der VW-Führung?

VW hat zu lange auf den Verbrennungsmotor gesetzt. Der Konzern hat das Elektroauto nicht neu gedacht, sondern nur den Antrieb ausgetauscht. Das Ergebnis sind teure, unattraktive Fahrzeuge, die international nicht konkurrenzfähig sind. VW hätte früher auf Gewinne verzichten und massiv in E-Autos und eigene Betriebssysteme investieren müssen.

Zwischen Konzernleitung und Betriebsrat tobt ein Streit, Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze. Sie werden sich erbittert wehren, sagt Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Denn natürlich sind sie nicht schuld an der Misere. Aber wer dann?

Die Verantwortung liegt bei den Vorständen und der Politik. Die enge Verflechtung von Industrie und Politik ermöglicht es der Autoindustrie, die Regeln selbst zu bestimmen. Ein Beispiel: Niedersachsen als VW-Aktionär erwartet Dividenden und schützt den Konzern vor Kundenforderungen. Diese Symbiose führt zu fragwürdigen Regelungen wie der Förderung klimaschädlicher Dienstwagen.

Dann hat also kurzum das VW-Management versagt?

Ja, eindeutig. Trotz Warnungen setzte VW weiter auf Verbrennungsmotoren statt auf Elektroautos. Die Gründe: höhere Renditen, falsche Anreizsysteme für Manager und kurzfristiges Gewinndenken. VW und andere deutsche Hersteller haben den Wandel zur Elektromobilität aktiv behindert – für kurzfristige Profite mit klimaschädlichen SUVs.

Kann ein Führungswechsel die Probleme lösen?

Oliver Blume ist nur ein Teil des Problems. Wir brauchen eine souveräne Politik mit klaren Klimazielen und Rahmenbedingungen für die Autoindustrie. Frankreich macht es vor: CO2-Strafsteuer für SUVs, Förderung kleiner Elektroautos. In Deutschland hingegen traut sich selbst ein grüner Wirtschaftsminister nicht, an den EU-Zielen für 2026 festzuhalten. Die Politik muss Vorgaben machen, dann können Manager diese Vorgaben umsetzen.

Erst ein Teil des Problems – und nun ein Teil der Lösung? Dann müsste die Konzernleitung vieles anders machen als bisher. Und nicht nur sie. Wird VW die Krise überleben?

Das Überleben von VW hängt von der richtigen Therapie ab. Schmerzmittel allein reichen nicht, es muss operiert werden. Diese Operation kann nur die Bundesregierung durchführen. Sie muss klare Vorgaben machen: klimaverträgliche Elektrofahrzeuge, die international wettbewerbsfähig sind. Das bedeutet Jahre der Aufholjagd ohne Rekordgewinne. Ob die Familie Piëch und Niedersachsen das mitmachen? Fünf Jahre ohne Gewinne, vielleicht sogar mit Verlusten – für wettbewerbsfähige E-Autos? Nur so hat VW eine Chance.

Verwendete Quellen
  • Interview mit DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch
  • flossbachvonstorch-researchinstitute.com: DAX-Konzerne erhalten Milliarden an Subventionen
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