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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte erklärt Wie Sie einen Hai-Angriff überleben
Haie gelten als die Killer des Meeres, vor allem seit dem Kinohit "Der Weiße Hai". Was tun, wenn man beim Schnorcheln oder Tauchen die Wege des Raubtiers kreuzt?
Für die Begegnung mit Haien hat Hai-Forscher Erich Ritter folgende Tipps: "Wenn sich ein Hai nähern sollte, niemals hektisch wegschwimmen. Bringen Sie Ihren Körper in die Vertikale und paddeln Sie nur mit den Füßen. Damit reduzieren Sie ihre Geräusche drastisch."
Zudem sei es sehr wichtig, den Körper zum Hai hin zu drehen und ihn mit den Augen permanent zu verfolgen: "Wenn der Hai Sie umkreist, drehen Sie sich mit." Kommt er auf den Schwimmer direkt zu, sei das kein Angriff. "Versuchen Sie bei Annäherung mit den Händen die Schnauze oder die Kiemen zu berühren, ohne den Oberkörper vornüber zu beugen. Das wird er als Angriff einordnen. So etwas ist ihm völlig unbekannt – Haie werden ja nie angegriffen. In den meisten Fällen wird er Reißaus nehmen."
Erich Ritter ist Hai-Forscher und lebt seit über 25 Jahren in Florida. Besonders intensiv beschäftigt sich der promovierte Biologe mit der Interaktion zwischen Hai und Mensch, gilt als der wichtigste Experte zu diesem Thema. Neben der wissenschaftlichen Arbeit betreibt er die "Sharkschool" (www.sharkschool.org), an der Touristen und Profis das Verhalten der Haie verstehen lernen – im Wasser. Und in der Verhaltensforschung ist er der einzige, der potentiell gefährliche Szenarien mit der jeweils involvierten Hai-Art sowie seinem Team im Wasser nachstellt.
Den Hai vertreiben
Kommt der Hai erneut näher, ist ein fester Schlag vor die Schnauze die richtige Wahl. Kommt er öfter zurück, nur keine Angst: "Schwimmen Sie direkt auf den Hai zu. Auch das kennt er nicht." Startet der Hai dennoch einen sehr seltenen Angriff, ist ein Druck oder Schlag seitlich auf die Kiemen die richtige Antwort. "Eine Verletzung dort tötet den Hai, er muss ersticken. Daher genügt das Signal: Ich kann dich umbringen." Schon ein Handschlag nur in Richtung der Kiemen erzeugt einen gezielten Wasserdruck, der ihn vertreibt.
Der "Probebiss"
Flaches und trübes Wasser wie an sandigen Küsten nimmt den Haien die für ihre Orientierung so wichtige Sicht. Der Fluchtradius ist durch die geringere Wassertiefe sehr eng. "In solchen Situationen sind die Tiere gestresst, sie haben Angst. Da kann es zu Fehlinterpretationen kommen, die in einen Biss münden." Zudem sind die meisten Verletzungen von Menschen sehr oberflächlich und heilen schnell. "Die Haie machen fast immer nur einen 'Probebiss', um den Geschmack einordnen zu können, und verschwinden wieder. Das ist meist schmerzhaft, aber harmlos – nur, wenn dabei eine Arterie reißt, wird's gefährlich." Doch selbst der Geruch von Menschenblut locke Haie nicht: "Die wissen ja nicht, was das ist."
Ritter weiß, wovon er spricht: Ihm biss 2002 bei Dreharbeiten für eine TV-Dokumentation ein mehrere Meter langer Bullenhai ins Bein. Dabei wurde Ritter ein Stück der Wade abgerissen. "Wir standen beim Dreh in flachem Wasser, das Tier war gestresst. Ihm wurde es zu eng, also wollte er flüchten und ich stand im Weg. Da hat er sich den Weg frei gebissen. Es war mein Fehler." Die TV-Dokumentation sei inzwischen in über 100 Ländern zu sehen gewesen.
Welche Hai-Arten sind überhaupt gefährlich?
"Es gibt knapp 500 Hai-Arten, viele davon sind vom Aussterben bedroht. Tiere aus 30 Arten haben jemals einen Menschen gebissen. An 99 Prozent aller Unfälle sind nur 12 Arten beteiligt", erläutert Ritter seine Statistiken. "Pro Jahr erreichen uns Nachrichten von etwa 80 bis 100 Unfällen. Davon enden nur fünf bis zehn tödlich." Als "gefährlich" gelten etwa der Weißspitzen-Hochseehai, ebenso der Weiße Hai, der Bullenhai und der Tigerhai.
Der Mensch ist keine typische Beute
Doch die Gefahr für Menschen sei extrem gering, betont der Hai-Experte: "Wir passen nicht in sein Beuteschema." Über Millionen Jahre der Evolution seien sich Hai und Mensch nie begegnet. Daher seien die meisten Annäherungen, die – dank Steven Spielberg – die meisten Touristen als Angriff einordnen, nichts als Neugier. Der Hai wolle nur herausfinden, was da vor ihm unbekannte Bewegungen, Geräusche und Gerüche produziert.
"Wir wissen, dass Haie sehr vorsichtige, scheue und zugleich hoch intelligente Tiere sind." Die Kreise, die sie ziehen, hätten nichts mit einer Angriffsvorbereitung zu tun. "Durch ihre Kiemen muss Wasser fließen, sonst ersticken sie. Dazu müssen sie sich bewegen", erklärt er das Verhalten. Der Hai sei ein Raubtier, er ernähre sich von Krebsen, Robben, Fischen, aber gerne auch von Fischabfällen und Kadavern. "Doch ein Hai hält sich – wie alle Raubtiere – immer mindestens einen Fluchtweg offen. Das geht unter Wasser am einfachsten, wenn er im Kreis oder eine Acht schwimmt."
In über 400 Millionen Jahren Evolution hätten sich die Sinne der Haie "zu Hochleistungssensoren" entwickelt, erzählt er: "Sie verfügen über 13 Sinne, die miteinander gekoppelt sind. Sie sehen im Dunklen drastisch besser als Katzen, Füchse oder Wölfe. Sie hören ausgezeichnet, empfangen und spüren die kleinsten Druckunterschiede, fühlen Strömungen und können die elektrischen Felder ihrer potentiellen Beute orten. Haie können zudem bestimmte Gerüche 10.000-mal besser als Menschen wahrnehmen."
Der Hai – ein Medienphänomen
"Die Angst der Menschen von Haien ist ein reines Medienphänomen", beruhigt Erich Ritter, "es werden weltweit mehr Menschen durch herabfallende Kokosnüsse getötet als durch Attacken von Haien."