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"Begpacker": Rucksack-Reisende betteln um Urlaubsgeld


"Asoziales Verhalten"
Ohne Geld um die Welt – für den Urlaub betteln gehen

Rucksack-Reisen sind besonders unter jungen Menschen schon länger beliebt. Wem aber das nötige Kleingeld fehlt, der muss zu Hause bleiben – oder?

20.07.2023|Lesedauer: 4 Min.
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Schon seit 2019 kursiert das Phänomen der sogenannten Begpacker in den sozialen Medien. Das Wort setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern "to beg" (betteln) und "backpack" (Rucksack), zu Deutsch also bettelnde Rucksackreisende.

"Begpacker": Bettelnde Touristen tauchen vermehrt in asiatischen Ländern auf.Vergrößern des Bildes
"Begpacker": Bettelnde Touristen tauchen vermehrt in asiatischen Ländern auf. (Quelle: Jervie/imago-images-bilder)

"Begpacking" ist in Asien besonders beliebt

Jetzt, da die Reisebeschränkungen der Corona-Pandemie größtenteils aufgehoben sind, tauchen die bettelnden Reisenden wieder häufiger auf den Straßen auf. In Südkorea und Malaysia beispielsweise werden sie derzeit vermehrt gesichtet.

Bereits 2019 standen sie heftig in der Kritik. Denn die "Begpacker" möchten sich ihre Reise nicht durch Arbeiten und Sparen finanzieren. Ihre Lösung: Sie sitzen in den Reiseländern, besonders in Ost- und Südostasien, auf der Straße und betteln bei den Einwohnern um Geld. Manchmal verkaufen sie auch Kleinigkeiten wie selbst gebastelten Schmuck oder Fotografien.

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Die Armut ist in vielen asiatischen Ländern groß

Vor der Pandemie wurden die "Begpacker" besonders in jenen Vierteln gesichtet, in denen größtenteils ärmere Menschen der Arbeiterklasse leben. Auch das wurde in den sozialen Medien heftig kritisiert: Einerseits würden sie Geld von Personen erbetteln, die es dringend brauchen. Und andererseits nähmen sie denjenigen Menschen einen Platz weg, die zum Überleben auf das Betteln angewiesen sind.

Denn in den Ländern, in denen die "Begpacker" vermehrt unterwegs sind, ist die wirtschaftliche Lage meist sehr schlecht und das Durchschnittseinkommen sehr niedrig. Laut einem Bericht der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) leben mehr als 24 Millionen Menschen in Südostasien unter der Schwelle der extremen Armut und müssen mit weniger als 1,74 Euro pro Tag auskommen.

Nach der Corona-Pandemie ist diese Zahl nochmals angestiegen. Denn die Pandemie habe, so der ADB-Präsident, zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit und gestiegener Armut, insbesondere bei Frauen, jüngeren Menschen und der älteren Generation geführt.

Armut als Verkleidung

Davon scheinen die "Begpacker" wenig beeindruckt zu sein. Teilweise inszenieren sie sich geradezu als arm: Auf Pappschildern erläutern sie, dass sie kein Geld haben und auf die Hilfe der Bewohner angewiesen sind. Manche Reisende behaupten auch, dass sie ihren Geldbeutel oder Pass verloren haben.

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Die Darstellung von Armut und Bedürftigkeit, um Mitleid zu erzeugen, wird auch "poverty porn" genannt (zu Deutsch: Armutspornografie). Diese Taktik wird oft in der Werbeindustrie genutzt, um finanzielle Spenden zu generieren. Zum Beispiel von Hilfsorganisationen, die mit dem Bild eines hungernden, schwarzen Kindes werben.

Die "Begpacker" scheinen sich dieses Mitleid ebenfalls zunutze zu machen. Denn oft fühlen sich Menschen beim Anblick einer hilflosen Person unwohl und schuldig, woraus sich der Wunsch entwickeln kann, zu helfen – und am einfachsten geht das mit Geld.

Aber auch der Zweck des Bettelns ist Grund für die Spenden. Eine Reise – ob nun mit dem Rucksack oder nicht – ist für die meisten ein spannendes Unterfangen. Viele Menschen in Asien können sich selbst keine Trips finanzieren, freuen sich aber möglicherweise, einer anderen Person genau das zu ermöglichen.

Wirtschaftliche Folgen des "Begpacking"

Länder wie Thailand und Vietnam sind aufgrund der geringen Lebenshaltungskosten und vielfältiger Natur besonders beliebt bei Rucksackreisenden. Die lokale Wirtschaft in diesen Regionen ist oftmals auch auf den Tourismussektor angewiesen. Denn dadurch werden Arbeitsplätze geschaffen, Einkommen garantiert und die Infrastruktur gestärkt.

Ein "Begpacker" trägt aber genau zum Gegenteil bei. Prof. Dr. Jürgen Schmude, Tourismusforscher und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sieht das problematisch: "Für die Einheimischen fallen die ökonomischen Effekte, wenn überhaupt, äußerst gering aus. Da wird kein fremdes Geld reingetragen, sondern es wird Geld der Einheimischen erbettelt, das dann wieder beispielsweise für Nahrung in den Kreislauf eingespalten wird."

Damit fallen die ökonomischen Effekte weg, die vom Tourismus erwartet werden "Begpacking" könnte demnach auch als Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung angesehen werden, die von den Einnahmequellen des Tourismus abhängig ist.

Unterschiedliche Maßnahmen gegen "Begpacker"

Nach und nach wird das auch den jeweiligen Regierungen zu viel. Einige Länder haben bereits Maßnahmen gegen bettelnde Reisende getroffen. Auf der indonesischen Insel Bali – einem beliebten Ziel für Touristen mit oder ohne Rucksack – nehmen Beamte seit 2019 die Personalien der Bettelnden auf und melden sie bei der zuständigen Botschaft.

Viele Länder fordern bei der Einreise auch einen Nachweis über finanzielle Mittel. Damit soll sichergestellt werden, dass Touristen genug Geld für eine Ausreise haben.

Auch Prof. Dr. Schmude weiß: "Die Zielländer der 'Begpacker' sind nicht unbedingt glücklich über das Phänomen." Manche Regierungen würden die Reisenden auch einfach wieder ins Flugzeug stecken. Denn ein Flugticket hätten die meisten dann glücklicherweise doch. Strafrechtliche Maßnahmen allein durch das Betteln folgen aber selten. Denn in vielen Ländern ist das nicht verboten.

Zum Glück kein Trend

Wird das Reisen ohne Geld also nun zum Trend? Prof. Schmude sieht beim "Begpacking" keine Nachahmungsgefahr. Diese Art des Reisens sei mit einigen Unsicherheiten verbunden und errege zwar mediale Aufmerksamkeit, würde aber nicht viele Menschen dazu anregen, ebenfalls im Urlaub zu betteln.

Dennoch findet er harte Worte über diejenigen, die genau das tun: "Aus westlicher Sicht ist das ein asoziales Verhalten. Auf Kosten von ärmeren Menschen Urlaub zu machen, sollte stigmatisiert werden."

Auch in den sozialen Medien sind sich die meisten Leute einig: Reisen sei ein Luxus, dem man nicht nachgehen sollte, wenn man ihn sich nicht leisten kann. Wer sich nicht sicher ist, ob er oder sie den Urlaub in die Ferne bezahlen kann, könnte auch über einen Trip in Deutschland nachdenken.

Spott in den sozialen Medien

Besonders auf Twitter wird das Ganze von vielen Menschen verhöhnt. Einige Personen verkleiden sich zu Halloween als bettelnde Reisende. Diese Userin schreibt: "Bin zu Halloween als 'Begpacker' gegangen, denn sie sind wirklich mein größter Albtraum."

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Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • thediplomat.com: "‘Begpacking’ Phenomenon Draws Scrutiny in South Korea"
  • edition.cnn.com: "The dangers of poverty porn"
  • ceicdata.com
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