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Spannende Wanderung: Auf den Spuren von Ötzi durchs Schnalstal


Spannende Strecke
Hier wandern Sie auf den Spuren des Ötzi durch Südtirol

dpa, Alexandra Frank

Aktualisiert am 04.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Ötzi-Fundstelle: Sie liegt hoch oben am Gletscher – dort wurde der Steinzeitmensch gut konserviert.Vergrößern des BildesÖtzi-Fundstelle: Sie liegt hoch oben am Gletscher – dort wurde der Steinzeitmensch gut konserviert. (Quelle: Dario Frasson/Südtiroler Archäologiemuseum/dpa-tm)

Vor 30 Jahren wurde die berühmte Gletschermumie Ötzi in den Alpen entdeckt. Im Südtiroler Schnalstal können Familien nachempfinden, wie der Steinzeitmensch lebte: beim Wandern, Jagen, Feuer machen.

Die Steinzeitmenschen pirschen durchs Dickicht. Heute war ihnen das Jägerglück hold, eine Rotte Wildschweine hat ihren Weg passiert, kurz darauf konnte ein Schütze ein Rotwild erlegen. Aber das hier ist ein besonderes Ziel. Die Anführerin zieht den Pfeil aus dem Köcher, spannt den Bogen – und trifft ein mannshohes gelbes Männchen mit Glatze und dümmlichem Gesichtsausdruck. Homer Simpson!

"Ein Scherz", sagt Valentin Müller über die Comicfigur, die zwischen Birken hinter dem Moarhof in Südtirol hockt. Seit rund zehn Jahren betreibt der 38-Jährige den 3D-Bogenparcours im Vinschgau. Er bringt seinen Gästen nicht nur bei, wie man mit Pfeil und Bogen umgeht, sondern weiß auch allerhand über die Jagdmethoden in der Steinzeit.

Das ist vor allem für Familien wie uns interessant. Vater, Mutter und zwei Töchter, acht und zwölf Jahre alt, die heute in die Rolle von Steinzeitjägerinnen geschlüpft sind.

Auf spannender Mission im Schnalstal

Wer Kinder hat, weiß, dass der Nachwuchs nicht immer für Natur und Wandern zu begeistern ist. Aber auf eine Mission gehen sie immer gerne. Unsere heißt: die Steinzeit erleben. Und das geht nirgendwo besser als im Südtiroler Schnalstal, einem Seitental des Vinschgaus, das sich 20 Kilometer weit in die Ötztaler Alpen hineinzieht.

Valentin Müller, gelernter Archäotechniker, erklärt den Kindern, wie unsere Vorfahren Bogen und Pfeile aus Naturmaterialien herstellten. Doch die Kleinen wollen vor allem selber schießen.

Dazu geht es nicht etwa über ein abgestecktes Feld mit Zielscheiben, sondern wie bei einer echten Jagd durch ein Gelände, das sich am Hang des Schnalstals auf rund 1.600 Metern Höhe erstreckt. Die Ziele, dreidimensionale Tierattrappen, sind dort versteckt, wo man sie auch in der Natur antreffen würde: ein Luchs im Baum, Rehe im Wald, ein Rotwild auf einer zum Dorf abfallenden Wiese. "Wandern in cool", nennt Valentin Müller unseren Rundgang.

Kleiner Körper von großer Bedeutung

Irgendwo zwischen Dorf und Natur, zwischen Siedlung und Wildnis war vor rund 5.300 Jahren auch der wohl berühmteste Steinzeitmensch unterwegs: Ötzi. Vor 30 Jahren, am 19. September 1991, haben Bergwanderer beim Tisenjoch den Körper entdeckt. Was man zunächst für einen verunglückten Bergwanderer hielt, entpuppte sich nach und nach als wertvoller archäologischer Fund: Ötzi ist älter als jede andere natürlich konservierte Mumie der Welt, 5.300 Jahre.

Heute liegt sein Körper in Bozen, in einer Kühlkammer des Südtiroler Archäologiemuseums, bei konstant minus sechs Grad Celsius. Regelmäßig wird der 1,45 Meter große und nur noch 13 Kilogramm schwere Körper mit destilliertem Wasser eingesprüht, damit sich eine dünne Eisschicht auf ihm hält. Mehr als 500 Wissenschaftler haben die Mumie untersucht. Körper, Mageninhalt, Kleidung und Ausrüstung. Ihre Erkenntnisse werden in Schaukästen präsentiert.

Eine Rekonstruktion zeigt, wie Ötzi vor seiner Ermordung durch einen Pfeilschuss ausgesehen haben könnte. "Gar nicht so viel anders als heutige Menschen, nur etwas klein", finden unsere Töchter.

Steinzeit zum Erleben und Anfassen

Zwar wurde die Gletschermumie nach ihrem Fundort in den Ötztaler Alpen benannt. "Aber eigentlich müsste sie Schnalsi heißen", sagt Magdalena Alber vom Archeoparc im Schnalstal, den wir einen Tag später besuchen. Denn Ötzi, weiß sie, hatte Pollen von Hopfenbuchen am Körper. Die gab es nur südlich der Alpen, nicht weiter nördlich.

Wahrscheinlich passierte Ötzi auf seiner letzten Wanderung das Schnalstal. Deshalb drehen sich heute viele Tourismuswanderungen und Aktivitäten in der Region rund um ihn und die Steinzeit. Auch im Archeoparc. Während im Bozner Museum die Originalfunde liegen, gut geschützt hinter Glas, präsentiert das archäologische Freilichtmuseum die Steinzeit mithilfe von Rekonstruktionen zum Anfassen.

Mit roten Wangen laufen unsere Kinder hinter Magdalena Alber her. Die Große setzt sich Ötzis Fellhut auf, die Kleine probiert seinen Umhang aus Birkenrinde an. Nachgebaute Steinzeithäuser ducken sich zwischen Bäumen und einem See. Mitarbeiter zeigen, wie die Menschen damals webten, Steine schliffen und aus Gräsern feine Seile knüpften.

Die Augen unserer Töchter sind fest auf Magdalena Alber geheftet, die uns beibringt, wie Feuer entfacht wurde. "Ötzi hatte Zunderpilz, Pyrith, Ahornblätter und einen Feuerstein bei sich", sagt sie. Mehr braucht man nicht, um Flammen entstehen zu lassen. Tatsächlich schlagen die Feuersteine auch unter Kinderhänden rasch Funken. Die Museumspädagogin erzählt, dass Ötzi wohl auch Glut in nassen Ahornblättern mit sich trug – eine Art steinzeitliches Feuerzeug.

Hinauf zum Gletscher auf über 3.000 Meter Höhe

Als das Feuer flackert, zeigt Alber auf die Gipfel der Ötztaler Alpen in der Ferne. "Dort liegt Ötzis Fundstelle", sagte sie. Von Juli bis Oktober gibt es regelmäßig Gletschertouren, die zum Tisenjoch auf 3.210 Meter Höhe hinaufführen. Eine Tagestour für sportliche Wanderer, zu denen wir uns aber nicht zählen.

Stattdessen steigen wir am nächsten Tag zusammen mit Wanderführer Richard Rainer in die Seilbahn in Kurzras, am Ende des Schnalstals, und stehen wenige Minuten später oben auf dem Gletscher. Von hier aus sind es nur noch ein paar Minuten Fußmarsch zum "Iceman Ötzi Peak", einer Aussichtsplattform auf 3.251 Metern Höhe.

Während unten im Tal die Sonne auf grüne Wiesen und Blumen scheint, liegt hier oben alles unter einer dicken Schneedecke. "In dieser Bergwelt war Ötzi vor 5.300 Jahren unterwegs", sagt Richard Rainer. Wir blicken auf die Gipfel dreier Länder, in Italien, Österreich und der Schweiz. Dazwischen glitzert das Schneefeld des 3.606 Meter hohen Similauns, an dessen Fuß die Gletschermumie lag.

Während mein Mann und ich die herrliche Aussicht genießen, sind unsere Töchter schon wieder in Jagdstimmung. Nur dass sie diesmal nicht mit Pfeilen, sondern mit Schneebällen schießen. Wer weiß? Vielleicht haben das Steinzeitkinder auch schon so gemacht.

Anreise: Viele deutsche Urlauber kommen über den Brennerpass ins Schnalstal. Man braucht eine Vignette für Österreich, muss Mautgebühr für den Brenner bezahlen und einen Telepass für Italien besorgen. Vom Brenner fährt man via Bozen in etwa eineinhalb Stunden zum Schnalstal über die A22 und SS38.

Einreise und Corona-Lage: Italien ist noch Corona-Risikogebiet, es gibt eine Reisewarnung. Die Einreise aus Deutschland ist wieder ohne Quarantäne möglich. Benötigt wird ein negativer PCR- oder Antigen-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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