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Norwegen längs durchquert: Simon Michalowicz' ungewöhnliche Wandertour


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"Aufgeben war nie eine Option"

Am 27. Mai 2013 bricht er am Kap Lindesnes, dem südlichsten Punkt Norwegens, auf. 140 Tage später kommt er am Nordkap an: Simon Michalowicz (32) aus Hennen bei Iserlohn hat Norwegen der Länge nach durchquert. Die klassische Norwegische Langtour, Norge på langs, meisterten bisher nur etwa 300 Personen - je nach Route eine Entfernung zwischen 2500 und 3000 Kilometer. Ein Gespräch über Schmerzen, Hungerast, ausbleibende Glücksgefühle am Ziel, ein verlorenes Zelt und wie es dazu kam, dass er die Heimreise auf einem Hurtigrutenschiff antrat. Begleiten Sie die einzigarteige Wandertour durch Norwegen in unserer Foto-Show.

18.11.2013|Lesedauer: 7 Min.
trax.de, Ein Interview von Johanna Stöckl
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Johanna Stöckl: Woher wusstest du überhaupt, von der Herausforderung Norge på langs (NPL)?

Norwegen der Länge nach durchquert: Simon Michalowicz.Vergrößern des Bildes
Über Stock und Stein - und, typisch Norwegen, natürlich immer wieder durchs Wasser. Drei paar Wanderschuhe hat Simon Michalowicz auf seiner Tour verschlissen. (Quelle: Simon Michalowicz)

Simon Michalowicz: Über ein Outdoorforum im Internet habe ich jemanden kennengelernt, der mir von Norge på langs erzählt hat. Ich war sofort begeistert. Außerdem wollte ich ohnehin mal länger verreisen. Dann habe ich mich intensiver mit der Idee beschäftigt.

Seit wann zieht es dich nordwärts?

Ich war von Kindesbeinen an viel in Skandinavien unterwegs. Erst regelmäßig mit meinen Eltern in Dänemark, später folgten Individualreisen nach Norwegen. Ich liebe den Norden.

Sprichst du als Norwegen-Fan auch Norwegisch?

Zumindest habe ich einen Kurs bei der Volkshochschule angefangen. Meine Kenntnisse sind aber eher rudimentär. Sie reichen jedenfalls, um ein Essen und ein Bier zu bestellen.

Wie lange dauert es, bis die Logistik für so eine lange Tour steht?

Etwa ein Jahr. Zuerst hatte ich zu Hause einiges zu regeln. Job, Versicherungen und so weiter. Du kannst ja nicht "einfach mal so" für ein paar Monate abhauen. Dann ging's an die Tourplanung, also Routenausarbeitung, Übernachtungs- und Einkaufsmöglichkeiten checken und all das.

Hast du eine Art Sabbatical eingelegt?

Nein, ich hatte meinen Job als IT-Systemkaufmann, den ich acht Jahre lang ausgeübt habe, letztes Jahr aufgegeben und einen fünfwöchigen Probelauf in Norwegen unternommen. Ich wollte testen, ob das lange Unterwegssein überhaupt etwas für mich ist.

Und?

Es war genial. Daher habe ich mir vorübergehend einen Job gesucht, per Zufall in einem Outdoorladen, um im Mai endgültig aufzubrechen.

Zurück zur Tour: Die Route ist kein ausgeschilderter Fernwanderweg?

Das ist ja das Spannende daran! Es gibt keinen Weg, dem man von Nord nach Süd oder umgekehrt folgt. Bei Norge på langs erarbeitet man sich seine Route selbst. Es gibt eine grobe Grundroute. Den Rest gestaltet man völlig frei. Es geht darum, zu Fuß von Süden nach Norden oder umgekehrt zu kommen. Es gibt auch keine Wanderstationen, an denen man seinen Pass abstempeln lassen kann.

Heißt, man läuft nach Karte und muss mit einem GPS-Gerät umgehen können?

Das kommt auf die Routenwahl an. Gut 80 Prozent legt man auf Trails und Wanderwegen zurück. Aber es gibt schon Passagen, an denen du eine gute Karte, einen Kompass und ein GPS-Gerät benötigst.

Hattest du Materialsponsoren oder dir deine Ausrüstung selbst gekauft?

Selbst gekauft. Wenn du gesponsert wirst, musst du auch abliefern. Außerdem wusste ich ja nicht, wie weit ich komme beziehungsweise ob ich überhaupt durchhalte.

Während der Tour ist ein schöner, vor allem vielbeachteter Blog entstanden.

Der war eigentlich nur für Familie und Freunde gedacht. Umso erstaunter bin ich über die vielen Aufrufe meiner Seite. Das Tourismusamt von Norwegen "VisitNorway" wurde irgendwann auf mich aufmerksam und hat meine Blogeinträge auf deren Social-Media-Kanälen geteilt. Ich bin überwältigt, was aus diesem Projekt geworden ist. Das war überhaupt nicht das Ziel der Reise.

Aufbrechen oder Ankommen. Was ist schöner?

(Lacht) Der Anfang war alles andere als schön. Während der ersten Tage in den Bergen hatte ich einen Hungerast vom Allerfeinsten, bin total vom Weg abgekommen, durch ein mächtiges Gewitter gelaufen, holte mir später einen fetten Sonnenbrand und hatte Schmerzen an den Füßen. Am Nordkap anzukommen war dann auch hoffnungslos unromantisch. Es waren viele Bustouristen, hauptsächlich Deutsche, da. Nun wollte ich natürlich, nachdem ich vier, fünf Monate investiert hatte, um an diesen Punkt zu kommen, ein paar coole Bilder schießen und hielt mich dafür etwas länger vor der Globus-Statue auf. Da haben sich die Landsleute gleich aufgeregt: "Platz da! Wir wollen auch Fotos machen!" Ganz anders die Norweger. Die haben mich mit Fragen gelöchert und mir später ein Bier ausgegeben.

Also kein Glücksgefühl am Ziel?

Hurra, geschafft und so? Das gar nicht. Komisch oder? Als wäre ich nicht angekommen.

Überrollt dich jetzt der Alltag oder träumst du noch von deiner langen Reise?

Ich bin nach wie vor mit diesem Trip beschäftigt. Momentan bearbeite und sortiere ich gerade alle Fotos, (lacht) gebe mein erstes Interview und schreibe meine Eindrücke und Erlebnisse nieder. Die Reise ist also noch lange nicht vorbei.

Wie muss man sich dein Gepäck für vier, fünf Monate vorstellen?

Zelt und Rucksack. Regelmäßig habe ich mir Essenspakete und neues Kartenmaterial an verschiedene Orte schicken lassen. Diesen Job hat Julia übernommen. Sie lebt in Norwegen. Vor Beginn meiner Tour habe ich bei ihr ein Lebensmitteldepot angelegt und alle Karten gekauft.

Wie schwer war dein Rucksack?

Das variierte. Je nachdem, wie viel Essen ich dabei hatte. 18 Kilo ohne Essen, mit sicher 25 bis 30 Kilo.

Apropos: Essen war ja - konnte man im Blog lesen - ein Riesenthema bei dir.

Ab Mitte der Tour erreichte ich einen Punkt, an dem nicht so viele Lebensmittel in meinen Rucksack passten, wie ich brauchte. Du hast einen derart hohen Kalorienverbrauch, dass du unentwegt essen willst. Gegen Ende der Tour, als es nachts sehr kalt war und ich tagelang im Zelt schlief, stieg der Verbrauch noch einmal enorm an. Da isst du schon mal ein paar Löffel Butter vor dem Essen.

Und dennoch Gewicht verloren?

An die 15 Kilo. Es gab Tage, an denen habe ich, abgesehen vom normalen Essen, drei Tafeln Schokolade am Stück vernichtet, eine Riesenpackung Chips verdrückt und drei Liter Cola getrunken.

Hast du gelegentlich daran gedacht das Projekt zu stoppen?

Aufgeben war nie eine Option. Wenn ich kaputt war, habe ich einen extra Ruhetag eingelegt. Aber es gab nie den Punkt, an dem ich nach Hause wollte. Die Stimmung wurde eigentlich jeden Tag besser.

Wie viel Paar Wanderschuhe hast du verschlissen?

Drei Paar.

Gab es Überraschungen, die du nicht eingeplant hattest?

Frage nicht! Du wirst es nicht glauben, aber ich habe mein Zelt verloren. Das war die schlimmste Erfahrung der gesamten Tour. Ich habe mich so sehr über meine eigene Doofheit geärgert. Das neue Zelt hat dann ein halbes Monatsbudget verschlungen.

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Zelt verloren? Vom Winde verweht?

Es war außen am Rucksack fixiert und muss wohl aus den Schlaufen gerutscht sein. Es passierte während einer Etappe mit riesigen Schneefeldern und einigen Bachdurchquerungen. Da hüpfst du von Stein zu Stein, machst eher hektische Bewegungen. Da ist es wohl passiert. Dann über viele Telefonate einen Laden ausfindig gemacht, mit dem Bus hingefahren, Zelt gekauft, wieder retour gefahren und den Trip fortgesetzt.

Ist dein Blog auf einem Notebook oder Tablet entstanden?

Ich hatte nur ein Smartphone dabei und mir eine Prepaid-Karte für Norwegen besorgt. Wenn ich dann einmal guten Empfang und genügend Akku hatte, hab' ich mit dem Handy gebloggt, weshalb die Texte kürzer ausgefallen sind. War ich in einem Hostel, habe ich den Computer benutzt. Mir war ja der Blog nicht so wichtig.

Hast du Menschen getroffen, die ebenfalls Norge på langs gelaufen sind?

Ja, drei. Einer ist die Tour von Nord nach Süd gelaufen. In sagenhaften 83 Tagen. Der hat das wohl eher als Sport gesehen. Mir ging es mehr um das Erleben. Und ein Pärchen habe ich getroffen, die ein Jahr lang mit ihrem Hund zu Fuß unterwegs sind.

Die Heimreise verlief komfortabel auf einem Hurtigrutenschiff. Wie kam es dazu?

Mein Budget war gegen Ende der Reise schwer angeschlagen. Ich hatte keinen genauen Plan, wie ich eigentlich nach Hause komme. VisitNorway hat mir angeboten, mich zu unterstützen. Und dann kam die Einladung auf das Hurtigruten-Schiff.

Was für ein Finale!

Wohl wahr! Stell dir vor, ich hätte in den Flieger steigen müssen und wäre nach 140 Tagen Wandern innerhalb von ein paar Stunden zu Hause gewesen. Nicht auszudenken!

Außerdem gab es reichlich gutes Essen an Bord.

(Lacht) Allerdings. In Norwegen ist die Norge på langs Tour extrem verwurzelt. Wenn du sie schaffst, dann gilt das etwas in Norwegen. Die Leute bringen dir echte Wertschätzung entgegen. Diese Tour machen pro Jahr nur an die 30 Leute, ein paar im Sommer, ein paar im Winter. Insgesamt gibt es erst 300 Personen auf der inoffiziellen Finisher-Liste. Ich glaube das Angebot von Hurtigruten war auch eine Art Anerkennung. Ich durfte auf dem kleinsten Schiff der Flotte mitreisen, mit nur 20 anderen Passagieren. Das war der absolute Traum!

Hast du auf deiner Tour ungewöhnliche Tiere gesehen?

Stell dir vor, ich laufe ein halbes Jahr durch Norwegen und habe noch nicht einmal einen Elch gesehen. Kein Bär, kein Wolf, kein Vielfraß. Aber dafür massenweise Rentiere.

Wie hast du die Hütten gefunden, in denen du teilweise übernachtet hast?

Es gibt vom Norwegischen Wanderverband an die 500 Selbstversorgerhütten übers ganze Land verteilt, meist in einem Tagesabstand voneinander entfernt. Danach richtet man auch seine Tour aus. Du kannst darin übernachten, zum Teil gibt es dort Lebensmittelkonserven, die von einem Hüttenwart immer wieder aufgefüllt werden. Und es hat Brennholz für den Ofen und Gas für den Kocher. Perfekt.

Wie viel Geld hast du gebraucht?

Mit Ausrüstung und allem Drum und Dran?

Nur während der Tour.

An die 6000 Euro. Man kann das deutlich niedriger halten, wenn man nur zeltet. Aber ich habe es mir zwischendurch auch gut gehen lassen.

Hast du nie geschummelt?

Wie meinst du das?

Na, ein Stück mit der Bahn gefahren oder den Bus genommen?

Nie. Ich musste zweimal in ein Boot steigen, um ans andere Ufer zu kommen, aber den Rest bin ich zu Fuß gegangen. Wobei es gar nicht einfach war, standhaft zu bleiben.

Warum?

Du latschst im strömenden Regen am Straßenrand entlang, ein Auto bleibt stehen und bietet dir freundlichst eine Mitfahrgelegenheit an. Dann sagst du: "Nein danke, ich will laufen!" Da erntest du völliges Unverständnis.

Weitere Informationen:

www.simonpatur.de

www.facebook.com/simonpatur

www.instagram.com/simonpatur

Besonderer Tipp von trax.de:

Wollt ihr mehr über Simons Tour erfahren? Dann streicht euch den 27. November rot im Kalender an! Ab 20 bis 22 Uhr könnt ihr Simon im Chat auf der facebook-Seite von Visit Norway DE mit Fragen löchern!

https://www.facebook.com/visitnorwayDE/app_293164834041669

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