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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mode & Beauty A. Lange & Söhne und der Aufstieg von Glashütte
Top-Qualität in der Haute Horlogerie – das gibt es nicht nur in der Schweiz. Ein kleiner deutscher Ort kann mit Genf in Sachen edler Uhrmacherkunst mithalten: Glashütte in Sachsen. Und das hat vor allem mit einer zu tun: A. Lange & Söhne.
Am Anfang der boomenden Uhren-Industrie stand die industrielle Revolution: Die Erfindung des ersten mit Koks betriebenen Hochofens im britischen Coalbrookdale im Jahr 1801 leitete das Ende der Agrar-Gesellschaft ein. Bauern wurden zu Arbeitern, verarmtes Proletariat strömte in die Städte, Industriemagnaten und ein selbstbewusstes Bürgertum stiegen auf – davon zeugen noch heute die grandiosen Fassaden der Gründerzeit-Häuser.
Industrielle Revolution in Zeitraffer
Webstuhl, Dampfmaschinen, Schifffahrt, Elektrizität und Schmiedehämmer verwandelten die Welt. In Deutschland schossen Retortenstädte wie Ludwigshafen innerhalb weniger Jahre aus dem Boden; im Ruhrgebiet blühte die Schwerindustrie; auf Rhein, Elbe und an der Küste transportierten stählerne Flotten die Güter aus den qualmenden Fabriken. >>
Zeitenwende durch die Eisenbahn
Und vor allem eine Erfindung revolutionierte alles: die Eisenbahn. Mit der Lokomotive hielt ein neues Zeitgefühl Einzug. In der Akkord-Produktion der Fabriken reichte die Kirchturm-Uhr nicht mehr aus. Während es in den Zeiten der Postkutsche genügt hatte, das ungefähre Eintreffen zu wissen, wurde das Leben jetzt im Stunden- und Minutentakt geregelt, denn Produktion und Logistik mussten ineinander greifen. Jeder brauchte Taschenuhren.
Die Nachfrage stieg. Bald konnten die arbeitsintensiven Produkte der Feinmechanik wegen der steigenden Löhne nicht mehr überall gefertigt werden. Genau deshalb wichen Uhrmacher in die Schweiz aus, wo verarmte Bauern im Winter auf ihren Almen festsaßen und im Familienbetrieb Uhrwerke zusammenbauten, die sie im Frühjahr an die Manufakturen im Tal ablieferten. Und aus einem ähnlichen Grund wurde auch Glashütte zum Uhrenzentrum. >>
Konjunkturprogramm in Sachsen
Zu Beginn der industriellen Revolution lag Sachsen nieder: Es unterlag 1806 bei Jena und Auerstedt gegen Napoleon – und 1813 gemeinsam mit Bonaparte bei der Völkerschlacht von Leipzig. Die Armeen Europas plünderten das Land aus und fraßen die Felder leer, fast die Hälfte der Bevölkerung Sachsens fiel den Kriegen zum Opfer.
Als der Kontinent nach der Niederlage Frankreichs neu geordnet und die Kontinentalsperre aufgehoben wurde, fluteten günstige Waren aus der englischen Massenproduktion den Markt. Sachsen versuchte gegenzusteuern und vergab Darlehen für Gründer, die in strukturschwache Gebiete investierten.
Uhren-Pionier Ferdinand Adolph Lange
Und die griffen zu. Einer dieser Pioniere war Ferdinand Adolph Lange (1815-1875). Er war beim sächsischen Hofuhrmacher Johann Christian Friedrich Gutkaes senior in die Lehre gegangen, der die berühmte Fünf-Minuten-Uhr in der Dresdner Semperoper gebaut hatte. Lange lernte weiter und zog 1837 in die Schweiz und nach Frankreich. In Paris arbeitete er bei dem österreichischen Uhrmacher Joseph Thaddäus Winnerl (1799-1836), einem Schüler von Abraham Louis Breguet. Nebenbei studierte Ferdinand A. Lange Astronomie und Physik an der Pariser Sorbonne.
1841 kehrte Lange nach Dresden zurück und wurde Teilhaber eines Geschäfts mit Gutkaes – und er heiratete gleich dessen Tochter. 1845 vergab das Königlich Sächsische Innenministerium einen Kredit für die Gründung einer eigenen Firma – und so zog es A. Lange & Söhne ins strukturschwache Glashütte im Erzgebirge. Verelendete Arbeiter gab es dort zuhauf, die Löhne waren niedrig, denn die Vorkommen an Erz und Silber waren ausgeschöpft.
Lange führte die Spezialisierung in der Manufaktur ein: Jeder Handwerker war im Glashütter Verlagssystem für ein bestimmtes Teil verantwortlich, was die Qualität rapide anhob. Unter den zahlreichen Verbesserungen in der Feinmechanik nimmt die Dreiviertelplatine eine besondere Stellung ein: Sie war größer als ihre Vorgänger, nun konnten alle Achsen des Räderwerks in einem stabilen Verbund gelagert werden. >>
A. Lange & Söhne wurde zum Inbegriff deutscher Uhrmacher-Kunst. In den kommenden Jahrzehnten florierte die Uhren-Industrie.
Enteignung und Neuanfang
Mit dem Zweiten Weltkrieg kam das vorläufige Aus: Die Produktion von Lange wurde durch einen Bombentreffer in der letzten Kriegsnacht durch sowjetische Flugzeuge zerstört, 1948 folgte die Enteignung. Die verbliebenen sieben Glashüttener Manufakturen wurden in einem Gesamtbetrieb VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) zusammengefasst.
Nach der Wende lag die DDR-Industrie, die zuletzt Quarzwerke für den Westen gefertigt hatte, am Boden. Doch erneut brachte Lange Glashütte wieder nach oben – der Firma gelang 1990 der spektakuläre Neubeginn und die Renaissance der Handwerkskunst, wie schon anderthalb Jahrhunderte zuvor folgten andere Hersteller. Der enteignete und nach Pforzheim geflohene Walter Lange – Urenkel des Firmengründers – kaufte die Firmenrechte von der Treuhand-Anstalt und gründete mit dem Geld der International Watch Company (IWC) und seiner Konzernmutter Mannesmann seine alte Firma neu – und das im Alter von 66 Jahren!
Der Rest ist Legende: 1992 meldete die Firma das Großdatum als erstes Patent neu an. Und hier schließt sich der historische Kreis: Das Datum erinnert an die Fünf-Minuten-Uhr in der Dresdner Semperoper. Schließlich das triumphale Comeback: Am 24. Oktober 1994 präsentierten IWC-Präsident Günter Blümlein und Walter Lange gemeinsam die ersten vier Uhrenmodelle, die Lange 1, Tourbillon "Pour le Mérite", Saxonia und Arkade. 2001 ging die Firma zum Genfer Konzern Richemont über.
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