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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mode & Beauty Stahlharte Klingen aus Toledo
Das mittelalterliche Toledo in Zentralspanien ist Unesco-Weltkulturebe und berühmt für seine Schwertschmiede. Einer der letzten seiner Zunft ist Mariano Zamorano, in dessen Schmiedewerkstatt am Ende der Calle Ciudad in Toledo, die Zeit still zu stehen scheint. Begleiten Sie uns auf die Spuren einer Handwerkskunst die weltweit einmalig ist.
Wer sich durch den winzigen Laden schiebt, in dem Schwerter und Dolche in allen Größen an den Wänden hängen, steht vor Zamoranos offener Feuerstelle, dem Herzstück seines Reiches. Berge von schwarzer Asche türmen sich hier, schmale Klingen liegen neben wuchtigen Hämmern, darunter ein Sack Kohle - bereit für den Schmied, wie vor Hunderten von Jahren.
"Arbeit an den Verzierungen"
Doch dieser Tage bleibt das Feuer aus, schließlich sind diese letzten Augusttage drückend heiß, der Schweiß perlt auf Zamoranos Stirn. Er beugt sich über seine Arbeitsplatte, in einem Schraubstock klemmt ein schmales Holzstück, mit einer Säge ritzt er vorsichtig ein Muster in das Holz – der Griff eines Schwertes. "Im Sommer arbeite ich an den Verzierungen, da bleibt das Feuer aus, erst ab November schmiede ich wieder Klingen", erklärt er. Ein Tagwerk, das sich nach dem Rhythmus der Jahreszeiten richtet, das war schon immer so. >>
"Seit 150 Jahren fertigt meine Familie hier Schwerter" Die Schmiedekunst hat in ganz Toledo eine lange Tradition. Im Mittelalter zählte die Stadt, die 1986 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde, zu den wichtigsten des Landes, war sie doch damals Hauptstadt Spaniens und religiöses Zentrum des Königreichs. Auch heute noch wird Toledo wegen seiner mehr als 80 Kirchen das "Jerusalem des Westens" genannt.
Handwerkskunst zunehmend in Vergessenheit geraten
Seit der Westgotenzeit, also dem 6. Jahrhundert, gilt der Stahl aus Toledo als einer der besten der Welt - weil er so biegsam ist, eignet er sich besonders für die Herstellung der Schwerter. Doch als im 17. Jahrhundert die Schusswaffen erfunden wurden, geriet die Handwerkskunst zunehmend in Vergessenheit. Heute sind es vor allem die Touristen, die Handwerkern wie Zamorano das Einkommen sichern. >>
Hollywood steigert Produktion
So gibt es in der Altstadt kaum eine Gasse, die nicht mindestens ein Geschäft vorweisen kann, das Klingen in allen möglichen Formen verkauft. Vor allem Nachbildungen von Säbeln berühmter historischer Persönlichkeiten sind gefragt, El Cids, Napoleons oder König Arthurs Schwerter machen sich an der Wand des heimischen Wohnzimmers wohl gut. Auch Hollywood kurbelt die Produktion an: Ob Johnny Depp in "Fluch der Karibik" oder Viggo Mortensen in "Herr der Ringe" - schwingt ein Schauspieler ein historisch anmutendes Schwert, stehen die Chancen gut, dass es genau hier geschmiedet wurde.
Das Geheimnis liegt in der Fertigung, aber auch im Material: "Unsere Klingen sind nicht aus reinem Stahl, sondern aus einem Eisenkern, der von Stahl umhüllt ist", sagt Zamorano und drückt demonstrativ eine Schwertspitze in seine Handfläche. Die Klinge biegt sich gefährlich, dann schnellt sie zurück.
Schmiedekunst vor dem Aussterben
Allerdings kommen auch in Toledo mehr und mehr Maschinen zum Einsatz, zu kostspielig ist die Produktion von Hand. Zamorano ist der letzte hier, der noch ganz auf solche Hilfsmittel verzichtet - und mit ihm wird diese Kunst wohl aussterben. Der Schmied seufzt und zuckt mit den Schultern, wenn man ihn auf seine Nachfolge anspricht.
"Nichts getan als beobachtet"
Der Sohn baut als Mechaniker lieber Flugzeuge, die Tochter unterrichtet in der örtlichen Schule. Und Lehrlinge ausbilden? Zamorano schüttelt bekümmert den Kopf. Schließlich müsse ein Schüler zunächst jahrelang dem Meister zusehen, bevor er ihn überhaupt an eine Klinge lasse. Er selbst habe seinem Vater schon mit zwölf Jahren über die Schulter geschaut. "Zwei Jahre lang habe ich nichts getan als beobachtet und zugesehen, mit 14 Jahren habe ich dann mein erstes Schwert geschmiedet", sagt er. >>
"Aber wer kann sich das heute noch leisten, zwei Jahre lang nichts zu verdienen?". Rund 75 lange Schwerter und 50 kurze Dolche verkauft Zamorano in einem Jahr, die einige Hundert Euro pro Stück kosten. Für besonders kunstvolle Kreationen nimmt er auch schon mal 600 Euro.
Die Kunden kommen aus aller Welt, meist Museen oder private Sammler. Mit den maschinell gefertigten Produkten kann der Schmied preislich natürlich nicht mithalten – in den vielen Souvenirläden werden schließlich schon Florette für 35 Euro angeboten.
Sehen Sie Bilder zur handwerklichen Schmiedekunst in Toledo in unserer Foto-Show.