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Redewendung: Woher stammt "Mein lieber Scholli"?


Redewendungen als Ausrufe
Woher stammt eigentlich "Mein lieber Scholli"?

Hinter vielen Redewendungen stecken interessante Geschichten – oder wissen Sie, wer dieser "Scholli" ist? Wir erklären die Bedeutung einiger Ausrufe.

Aktualisiert am 12.04.2024|Lesedauer: 3 Min.
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"Alter Schwede" oder "Ach, du grüne Neune" – diese Ausrufe kennen vermutlich viele und verwenden sie vielleicht auch, ohne wirklich zu wissen, was sich hinter diesen Redewendungen eigentlich verbirgt. Das ging auch Katharina Mahrenholtz, Autorin des Buches "Allerhöchste Eisenbahn! Verliebt in 100 Redewendungen", in einigen Fällen noch so.

"Mein lieber Scholli": Die Herkunft der allermeisten Redewendungen ist vielen Menschen nicht bekannt.Vergrößern des Bildes
"Mein lieber Scholli": Die Herkunft der allermeisten Redewendungen ist vielen Menschen nicht bekannt. (Quelle: Illustrationen von Dawn Parisi aus "Allerhöchste Eisenbahn" von K. Mahrenholtz & D. Parisi; Duden, 2020/t-online)

"Viele Leute kennen die Herkunft der allermeisten Redewendungen nicht – und auch ich musste recherchieren. Denn bei einigen weiß man es auch tatsächlich nicht genau", sagt sie t-online. Ihre liebsten Redewendungen sind die, die sie noch aus ihrer Kindheit kennt. "Zum Beispiel 'Mein lieber Scholli' oder 'Allerhöchste Eisenbahn' – da wird Sprache zu einem Heimat-Wohlfühlfaktor. Denn mir geht es so, dass ich bei bestimmten Redewendungen einfach sofort eine Assoziation vom Zusammensitzen im Wohnzimmer bei meiner Großmutter habe", verrät Mahrenholtz.

"Allerhöchste Eisenbahn"

Der Ausspruch "Allerhöchste Eisenbahn" beruht der Expertin zufolge beispielsweise auf einer lustigen Geschichte. Im Jahr 1847 schrieb der Berliner Autor Adolf Glaßbrenner eine Posse, in der ein etwas zerstreuter Briefträger vorkam, der immer Wörter vertauschte. Als er merkte, dass die Post, die er ausliefern sollte, schon längst mit dem Zug eingetroffen war, rief er aus: "Es ist die allerhöchste Eisenbahn, die Zeit is schon vor drei Stunden anjekommen."

Katharina Mahrenholtz, Jahrgang 1970, ist Redakteurin beim NDR, auf die Themen Literatur und Kultur spezialisiert und hat sich "schon immer für Sprache interessiert". Zusammen mit der Illustratorin Dawn Parisi veröffentlichte sie unter anderem das Buch "Allerhöchste Eisenbahn! Verliebt in 100 Redewendungen".

"Der Witz waren die vertauschten Wörter, denn er meinte natürlich, es ist allerhöchste Zeit – die eigentliche Bedeutung der Redewendung", erklärt Mahrenholtz. "Das fanden die Leute offenbar so irre witzig, dass sich das durchgesetzt hat."

"Ach, du grüne Neune!"

"Auch hinter dem Ausruf 'Ach, du grüne Neune!' steckt eine schöne Geschichte aus Berlin", weiß die Expertin. Denn dort gab es um 1850 ein Vergnügungsviertel in der Nähe des Alexanderplatzes, in dem ein Tanzlokal in der Blumenstraße 9, direkt neben einem Theater, eröffnete. Beide Gebäude hatten ihren Hintereingang zur Straße "Am Grünen Weg" – woraus der Volksmund laut Mahrenholtz die "grüne Neun" gemacht hat.

"Das Tanzlokal war anscheinend ziemlich verrucht, und deswegen stammt der Ausdruck angeblich von Gästen des gehobenen Bürgertums, die eigentlich in das Theater wollten, sich aber ins Tanzlokal verirrt hatten und dann meinten: 'Ach, du grüne Neune!'", erklärt die Autorin, die selbst ein wenig an dieser Theorie zweifelt. "Ehrlicherweise klingt das wahnsinnig weit hergeholt", meint sie.

Vielleicht komme der Ausruf der Überraschung oder des Erschreckens aber auch von der Pik Neun, die im Kartenspiel von Wahrsagern Unglück verhieß. "Zwar ist die Pik Neun eigentlich schwarz, aber im alten deutschen Kartenblatt waren dort neun grüne Blätter abgebildet – deshalb wurde sie 'grüne Neun' genannt", erklärt Mahrenholtz.

"Mein lieber Scholli!"

Auch zu dem Ausruf "Mein lieber Scholli" gibt es mehrere Überlieferungen. "Meine Lieblingsgeschichte hat aber mit der französischen Sprache zu tun, denn ich finde es historisch interessant, dass man früher in gehobenen Kreisen in Deutschland Französisch gesprochen hat – das kann sich heutzutage niemand mehr vorstellen", sagt die Autorin.

Laut dieser Version sollen französische Soldaten, die Anfang des 19. Jahrhunderts Hamburg besetzten, "Ma chère jolie" ("Meine liebe Schöne") geseufzt haben, wenn sie die hübschen norddeutschen Frauen gesehen haben. Daraus hätten die Hamburger dann angeblich "Mein lieber Scholli" gemacht.

Ob diese Geschichte zu dem Ausruf des Erstaunens oder der Bewunderung allerdings stimmt, sei ungewiss. "Vielleicht ist es auch einfach eine Abwandlung von 'Du lieber Gott', weil Gotteslästerungen früher sehr verpönt waren und man dann einfach ein anderes Wort verwendet hat", sagt Mahrenholtz. "Das kommt mir ehrlich gesagt am wahrscheinlichsten vor."

"Alter Schwede"

Die Redewendung "Alter Schwede" soll aus dem 17. Jahrhundert stammen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg engagierte das preußische Heer schwedische Soldaten als Ausbilder. "Sie sollten den Drill noch perfektionieren, waren trotzdem bei den preußischen Soldaten beliebt und wurden dann kumpelhaft mit 'Alter Schwede' bewundert", weiß Mahrenholtz.

Heutzutage wird der Ausruf als scherzhaft drohende, kumpelhafte Anrede verwendet oder als Ausdruck des Erstaunens. "Aber eigentlich sagt das niemand mehr – und man macht sich zum Gespött, wenn man das gegenüber jungen Menschen sagt", meint Mahrenholtz. "So wie sich früher alle amüsiert haben, wenn die Elterngeneration so etwas wie 'knorke' gesagt hat."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Katharina Mahrenholtz & Dawn Parisi: "Allerhöchste Eisenbahn! Verliebt in 100 Redewendungen", Duden 2020
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