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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Leben Fässer für Whisky, Wein und Gurken
Böttcher ist einer der ganz alten Handwerksberufe - und heute ziemlich unbekannt. Die Auftragsbücher der wenigen Werkstätten in Deutschland sind jedoch gut gefüllt. Wer wird, entscheidet sich für einen abwechslungsreichen und anspruchsvollen Beruf.
Man sieht Denis Merten an, dass er mit den Händen arbeitet. Der große Mann mit dem rasierten Kopf ist kräftig gebaut, seine dunkle Lederschürze hat Löcher, der Kapuzenpulli ist staubig. "So ein Hammer wiegt zehn Kilo", sagt er. Dem 42-Jährigen gehört die Böttcherei Messerschmidt im brandenburgischen Neu-Zittau. Böttcher verarbeiten Holz zu Fässern, Kübeln, Ziergefäßen und Bottichen. In manchen Regionen nennt man sie auch Büttner, Fassküfer oder Schäffler.
Alte Handwerkskunst wieder gefragt
Es ist ein alter Beruf, den heute viele Menschen gar nicht mehr kennen. Dabei sind Böttcher und ihre Handwerkskunst gefragt. In Mertens Werkstatt stehen zwischen Fassböden und Metallreifen halbfertige Holzgefäße in verschiedenen Größen. "90 Prozent machen wir für die Industrie, für Wein und Spirituosen", erzählt Merten. >>
Er baut auch Fässchen für Essiggurken, die in vielen großen deutschen Supermärkten stehen.
Kräftige Muskeln und handwerkliches Geschick sind nicht alles, was ein Böttcher braucht. Während der dreijährigen dualen Ausbildung lernen die Lehrlinge in der Berufsschule zum Beispiel auch technisches Zeichnen, Werkzeug- und Maschinenkunde und Englisch. Denn Kunden haben die deutschen Fassbauer auch im Ausland. Man sollte keine Angst vor Geometrie haben, erzählt Merten. "Für ein Spirituosenfass mit 260 Litern brauche ich oben und unten 60 Zentimeter Durchmesser, am Bauch 72 Zentimeter und 96 Zentimeter Höhe." Die Zahlen rattert er auswendig herunter.
Und nicht nur das: Merten weiß genau, welche Holzsorte und welche Behandlung den im Fass gelagerten Getränken etwa eine Muskat- oder Vanillenote verleiht oder dass Eiche den Kornbrand dunkel färbt, Esche aber nicht. Weinfässer baut er vor allem aus Eichen-, Akazien- und Walnussholz. Die Käufer sind anspruchsvoll. >>
"Wir haben Kunden in Italien, die nehmen 48 Euro für die Flasche Wein", berichtet Merten.
Die Böttcherei Messerschmidt gibt es seit 1843. "Das ist wirklich ein altes Handwerk im besten Sinne des Wortes mit einer langen Tradition", sagt Andreas Pieper vom Bundesinstitut für berufliche Bildung (BIBB). Obwohl der Verband der deutschen Fass- und Weinküfer nur 22 holzverarbeitende Betriebe auflistet und es nach BIBB-Angaben gerade einmal sechs Lehrlinge in Deutschland gibt, sei es wichtig, dass weiterhin ausgebildet werde.
Tradition und Qualität wieder im kommen
Die Nachfrage nach sorgfältig hergestellten Holzfässern ist groß. "So viele Fässer wie in den letzten paar Jahren haben wir noch nie gemacht", erzählt Andreas Aßmann, dessen Familienbetrieb vom unterfränkischen Eußenheim Weingüter im In- und Ausland beliefert. Die Qualitätsansprüche der Winzer seien heute viel höher als noch vor 20 Jahren. "Vor 50 Jahren gab es in jedem Dorf einen Fassküfer." Dann seien Kunststoff und Stahl gekommen und damit neue Behälter.
Doch inzwischen ist das Holzfass zurück: "Das hat eine Renaissance", sagt Jürgen Wörthmann, Verbandschef des Fass- und Weinküferhandwerks. Es werde immer mehr Qualitätswein in Holzfässern gelagert. In den 90er Jahren sei die Barrique-Welle richtig in Schwung gekommen. Denn im Holzfass könnten Rotweine langsamer und besser reifen, erklärt der Fachmann, der auch Obermeister der Innung ist.
Auch wenn es nur noch wenige Böttcher gibt, sei der Beruf attraktiv, ist Wörthmann überzeugt. "Es gibt Betriebe in München, die machen überwiegend Bierfässer, und in Hamburg, die machen hauptsächlich Tonnen für Fische. Die Vielfalt ist sehr groß." Wegen der geringen Zahl der Werkstätten müssten die jungen Menschen allerdings bereit sein, für eine Lehrstelle umzuziehen.
Wer Böttcher werden will, braucht mindestens einen Hauptschulabschluss. Da es nur so wenige Lehrlinge gibt, gehen sie gemeinsam in die Berufsschule - und zwar in Österreich, in der niederösterreichischen Landesberufsschule Pöchlarn. Dort lernen sie gemeinsam mit den Berufskollegen aus dem Nachbarland. >>
Einer dieser wenigen deutschen Böttcher-Lehrlinge ist Erik Aßmann, der das Handwerk im Betrieb seines Vaters erlernt. "Man muss hart arbeiten können und gut mit den anderen Kollegen umgehen können", erzählt er. In der Böttcherei Aßmann arbeiten neben Großvater Karl, Vater Andreas und Erik Aßmann noch ein weiterer Lehrling und vier Gesellen. Auch Englisch und Französisch brauche man, berichtet Erik Aßmann, denn das Geschäft sei international: "Mein Vater fährt oft geschäftlich nach Frankreich."
Bezahlung ist regional unterschiedlich
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit schwanken die Einkommen regional. Als Orientierung wird ein Bruttolohn zwischen 15,37 und 16,50 Euro pro Stunde angegeben - dazu können Sonderzahlungen wie ein 13. Monatsgehalt oder Urlaubsgeld kommen. Auch die Bezahlung der Lehrlinge kann unterschiedlich sein. Die Bundesagentur für Arbeit nennt 390 Euro für das erste, 515 Euro für das zweite und 590 Euro für das dritte Ausbildungsjahr.
Denis Merten hat keinen Lehrling. Er kann sich aber vorstellen, dass sein Sohn die Böttcherei Messerschmidt einmal übernimmt. Er ist zwölf Jahre alt und interessiert sich für den Beruf seines Vaters. "Ich werde ihn nicht abhalten", sagt Merten lächelnd.