Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach der Vollzeit- kommt die Teilzeit-Schulpflicht So lange ist der Schulbesuch gesetzlich vorgeschrieben
Es gibt Vollzeit- und Teilzeitschulpflicht
Vier bis sechs Jahre verbringt das Kind an der Grundschule, die restlichen Jahre an einer weiterführenden Schule. Wurden ein oder mehrere Jahre übersprungen, kann in einigen Ländern die Schulpflicht verkürzt werden.
Doch mit der Vollzeitschulpflicht ist es noch nicht getan. Denn Jugendliche, die nicht weiter eine Schule wie ein Gymnasium oder eine Fachoberschule besuchen, sind berufsschulpflichtig, und zwar bis zum Ende der Ausbildung. Das nennt man Teilzeitschulpflicht. Die ist dem Gesetzgeber so wichtig, dass er Vorgesetzte, die ihrem Lehrling nicht für den Schulbesuch freigeben, mit hohen Strafen belegt.
Junge Menschen, die keine weiterführende Schule besuchen oder keine Ausbildungsstelle haben, müssen, wenn sie noch keine 18 sind, in den meisten Bundesländern ein Vollzeitjahr an der Berufsschule absolvieren.
Schule als Einschränkung der persönlichen Freiheit?
Es gibt Eltern, die die Schulpflicht ihrer Kinder aus religiösen Gründen ablehnen und ihre Kinder lieber zu Hause unterrichten möchten. Es gibt aber auch Eltern, die in der Schulpflicht eine massive Einschränkung der Kinderrechte sehen: Einen Verstoß gegen das Aufenthaltsbestimmungsrecht, undemokratische Strukturen, Bevormundung - sozusagen einen Eingriff in die persönliche Freiheit und ein Zuwiderhandeln gegen Grund- und Menschenrechte.
Das droht Schulverweigerern
Eines der Hauptargumente der Schulpflichtgegner: So wie bei uns Schule funktioniere, könne nicht von der vom Gesetzgeber versprochenen freien Entfaltung der Persönlichkeit die Rede sein.
Eltern, die ihre Kinder von der Schule fernhalten, müssen mit einem teilweisen Sorgerechtsentzug, wie dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Regelung schulischer Angelegenheiten, rechnen. Denn die Gerichte sehen in der längeren Verletzung der Schulpflicht eine Kindeswohlgefährdung.
Schule ist ein Privileg
Aber auch das Schwänzen durch den Schüler kann ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. "Denn wir haben eine Schulpflicht und die haben wir nicht, um unsere Kinder zu ärgern, sondern um ihnen einen guten Zugang zu Bildung zu ermöglichen", sagt Ulrich Gerth, Diplompsychologe und Leiter der Caritas-Erziehungsberatung in Mainz. Er bemängelt, dass viele Schulen zu spät reagieren. "Man kann durchaus erkennen, wann sich etwas abzeichnet. Zum Beispiel, wenn der Schüler nur noch physisch anwesend ist. Wenn er an Tagen, an denen eine schwierige Situation zu erwarten ist, zu Hause bleibt und sich das langsam häuft."
Auch die Eltern bekommen seiner Ansicht nach oft viel zu spät mitgeteilt, dass ihre Kinder fehlen, beziehungsweise sie unterstützen das Verhalten unbewusst, indem sie Entschuldigungen schreiben und ein Schutzsystem aufbauen. "Doch man muss die Probleme angehen, bevor sie sich festfahren, sonst wird es schwierig."
"Ich kann ihn doch nicht hintragen"
So wie bei dem fünfzehnjährigen Jannis, der eigentlich schon gar nicht mehr weiß, warum er nicht in die Schule will und den Schulbesuch inzwischen kategorisch ablehnt. Egal, welche Angebote man ihm macht und welche Drohungen ihm entgegengesetzt werden: Begleitung durch die Polizei, Arbeitsstunden, Geldstrafe - gebracht hat das alles bisher gar nichts.
Seine Mutter ist hilflos. "Mein Sohn ist einen Kopf größer als ich, soll ich ihn vielleicht hintragen? Ich kann nur mit Engelszungen reden, aber es hilft nichts. Er sieht keinen Sinn darin, meint, er säße da sowieso nur unnötig herum und könne in dieser Zeit etwas Sinnvolleres machen."
Wobei "sinnvoll" in seinen Augen so etwas wie Computerspielen bedeutet. Oder schlafen. Das mit der Schule will Jannis aussitzen, bis er 18 ist. Der Staat droht ihm jetzt mit Jugendgefängnis. Auch dort besteht Schulpflicht.