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Loverboys: Die unbekannte Gefahr für junge Mädchen


Die Loverboy-Masche
Von der großen Liebe zur Prostitution gezwungen

In Stuttgart ist ein 21-Jähriger Mann verurteilt worden, der junge Frauen mit der "Loverboy"-Masche zur Prostitution gedrängt hat. Viele solcher Fälle bleiben im Dunkeln, weil die betroffenen Mädchen und Frauen dem Täter hörig sind oder sich schämen, darüber zu reden. Die Initiatorin des Vereins "No Loverboys" erklärt das Phänomen und sensibilisiert Eltern.

Aktualisiert am 28.08.2015|Lesedauer: 5 Min.
t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli
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Für unerfahrene Teenager, die ihr Herz an einen sogenannten Loverboy verlieren, wird Liebe zu einem Albtraum. Diese jungen Männer sind nicht an einer ernsthaften Beziehung interessiert, sondern machen Mädchen gefügig, um sie später zur Prostitution und sogar zu Straftaten wie Drogenhandel zu zwingen.

Loverboys sind kriminelle Verführer, die Mädchen die große Liebe vorgaukeln, um sie dann brutal auszunutzen.Vergrößern des Bildes
Loverboys sind kriminelle Verführer, die Mädchen die große Liebe vorgaukeln, um sie dann brutal auszunutzen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

In dem Stuttgarter Fall wurde mindestens zwei Frauen aus Deutschland und der Schweiz Opfer des Loverboys. Der 21-Jährige hatte ihnen zunächst die große Liebe und dann Geldprobleme vorgespielt. Um ihm zu helfen, prostituierten sich die Frauen. Das Landgericht verhängte ein mildes Urteil: Der Angeklagte kam für schweren Menschenhandel und Zuhälterei mit einer Jugendstrafe von zwei Jahren davon.

Die Masche funktioniert über emotionale Abhängigkeit

Eigentlich sind die Methoden der Loverboys so alt wie die Prostitution selbst: Zuhälter umgarnen Frauen, um sie dann zu nötigen, ihren Körper zu verkaufen. Doch "Loverboys" sind nur schwer zu durchschauen. Dass sie mit eiskaltem Kalkül vorgehen und Gefühle nur vorgaukeln, um die Mädchen emotional abhängig zu machen, merken die verliebten Opfer meist zu spät.

"Man erkennt Loverboys nicht direkt. Sie sind so unterschiedlich wie die Mädchen, die sie sich aussuchen. Loverboys erscheinen perfekt. Sie sind nett, haben Zeit, geben den Mädchen Bestätigung, zeigen für alle Probleme Verständnis, sind immer auf ihrer Seite," erläutert die ehemalige Kriminalkommissarin und Gründerin der Initiative "No Loverboys", Bärbel Kannemann. Seit ihrer Pensionierung hilft sie mit ihrem ehrenamtlichen Engagement Opfern und deren Familien.

Loverboys wollen mit ihren "Freundinnen" gezielt Geld verdienen

Loverboys sind meist zwischen 18 und 25 Jahren alt. Doch sie passen ihre Alternsangaben auch gerne ihrem späteren Opfern an. Zentrales Ziel des Täters sei es immer, so Kannemann, mit dem Mädchen Geld zu verdienen. "Die Masche besteht aus Zuckerbrot und Peitsche. Der Loverboy heuchelt Liebe, spricht sehr schnell über eine gemeinsame Zukunft, eine kleine heile Familie. Er drängt sich Schritt für Schritt zwischen das Mädchen und dessen soziales Umfeld. Die Bindung an ihn wird immer enger, während Freundschaften und Kontakte zur Familie nach und nach zerbrechen." Schlimmstenfalls kappen die Mädchen den Kontakt zu den Eltern, so dass niemand mehr weiß, wo sie sind und wie es ihnen geht.

Opfer sind oft Minderjährige

Bekannt wurde das Phänomen "Loverboy" in den vergangenen Jahren zunächst in den Niederlanden, zunehmend auch in Deutschland. Verändert habe sich nur, dass die Mädchen immer jünger würden und oft minderjährig seien und dass Teenager aus jeder sozialen Schicht betroffen sein können, weiß Expertin Kannemann. "Alle Mädchen sind gefährdet, die zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme in einer Art Lebenskrise stecken. Dies können Schulprobleme, Streit mit den Eltern, normale Probleme mit der Pubertät oder auch mangelndes Selbstwertgefühl sein."

"Er hatte schöne Augen, schenkte mir CDs und schicke Sachen"

Die erste Annäherung geschieht oftmals im alltäglichen Umfeld der Opfer: Vor der Schule, in der Disco oder beim Bummeln in der Stadt. Auf der Webseite von "No Loverboys" erzählt ein junges Mädchen, wie bei ihm die verhängnisvolle Spirale in Gang kam: "Er sprach mich vor der Schule an, nahm mich im Auto mit. Er hatte schöne Augen, schenkte mir CDs und schicke Sachen. Wir gingen aus. Immer nur nachmittags, damit ich zu Hause keinen Ärger bekam. Ich war verknallt in ihn. Dann der erste Sex auf seiner Bude. Kurz danach kamen andere Jungen ins Zimmer, die mich streichelten. Es sei normal, dass seine besten Freunde auch Sex mit mir haben, sagte er. Heimlich wurde fotografiert. Bald zeigte er mir die Bilder und ich hatte Angst, dass meine Eltern sie sehen."

Nach solchen Erfahrungen trudeln viele Mädchen noch tiefer in die Misere hinein. Sie sind nun erpressbar und häufig tischen ihnen die Loverboys dann noch Lügengeschichten auf: etwa dass sie Schulden hätten, diese aber durch die Prostitution der "Freundin" abgezahlt werden könnten. Nicht selten werden die jungen Frauen zusätzlich von Drogen abhängig gemacht.

Falle Nummer eins ist das Internet

Als wichtigste Kontaktbörse nutzen Loverboys aber vor allem das Internet und die sozialen Netzwerke. Hier finden sie am leichtesten ihre Opfer: "Im Internet glauben die Mädchen anonym, also auch sicher zu sein. Hier gibt man leicht alles von sich preis. Dinge, die der Täter sofort nutzen kann. Äußert das Mädchen etwa, dass es gern einen Hund hätte, so erscheint der Täter vielleicht direkt mit einem Hundewelpen zum ersten Date. Entscheidend ist natürlich auch das Foto im Internet. Sprüche wie: 'Du hast so ein tolles Gesicht, ich möchte gern mehr von dir sehen,' sind inzwischen normal", so Kannemann. Dann landeten die Bilder der ahnungslosen Mädchen schnell auf einschlägigen Erotikseiten.

Scham und Angst halten die Mädchen von der Anzeige ab

Wie groß die Loverboy-Problematik in Deutschland ist, lässt sich kaum belegen, denn in der Kriminalstatistik gibt es dazu bislang keine aussagekräftigen Zahlen. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein. Für die Polizei ist es schwer, gegen Loverboys zu ermitteln, da betroffene Mädchen aus Scham und Angst nur selten Anzeige erstatten. Oft seien Strafanzeigen aber auch erst nach langer Therapie und intensiver fachlicher Beratung möglich, weiß Kannemann. Etwas zu beweisen sei häufig kaum noch möglich, da dann Aussage gegen Aussage stehe.

"Bei 'No Loverboys' haben sich seit 2010 etwa 600 Betroffene, Angehörige und Eltern vermisster Mädchen gemeldet. "Klar ist, dass immer dort, wo Medien auf die Methoden hinweisen, die Opfermeldungen deutlich steigen. Die Mädchen erfahren endlich, dass so etwas nicht nur ihnen passiert ist und sie sich auch nicht schämen müssen, weil sie sich in den Falschen verliebt haben."

Bestimmte Indizien und Verhaltensweisen sollten Eltern hellhörig machen

Doch wie können sich heranwachsende junge Frauen gegen die Verführungsstrategien von Loverboys wappnen? Die beste Prävention ist es, sich zunächst gezielt bei Initiativen wie etwa "No Loverboys" über die Machenschaften der Kriminellen zu informieren. "Man muss das Problem überhaupt kennen", so Kannemann.

Für Eltern sind die Anzeichen selten so deutlich, dass sie sofort erkennen, dass ihr Kind in Gefahr ist. Die betroffenen Mädchen lernen schnell, "ein Parallelleben mit Lügen und Leugnen zu führen", wie es auf der Webseite von "No Loverboys" heißt. Dennoch gibt es Auffälligkeiten wie zum Beispiel

  • depressive Stimmungen
  • häufiges aggressives Verhalten
  • Veränderung des Kleidungsstils
  • übertriebene Hygiene und zu viel Make up
  • Anzeichen von körperlicher Misshandlung
  • auffällige Müdigkeit
  • Verschlechterung der schulischen Leistungen
  • häufige Fehlzeiten in der Schule
  • Weglauftendenzen
  • Stehlen von Geld
  • plötzlicher Abbruch alter Freundschaften
  • Kontakte zu älteren Jungen

Es sollte Eltern auch stutzig machen, wenn der neue Schwarm der Tochter keine Arbeit hat, dafür aber ein teures Auto fährt, Markenklamotten trägt und großzügige Geschenke macht.

Eltern sollten immer zu ihrem Kind stehen

Entkommen die betroffenen Mädchen schließlich dem Albtraum und sind wieder zu Hause, ist damit das Trauma noch lange nicht verarbeitet, weiß Kannemann. "Allein kommen die Mädchen da nicht raus. Sie brauchen unterschiedliche therapeutische Hilfsangebote, die man in der Regel über die Stadt oder zum Beispiel über uns erfragen kann, etwa für Drogen- und Alkoholentzug, Hilfe bei Essstörungen oder bei Suizidgefahr. Die wichtigste Unterstützung ist aber, dass die Eltern immer zu ihrem Kind stehen - in ihm niemals die Prostituierte, sondern immer nur die Tochter sehen!"

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