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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schulkind & Jugendliche "Teenager sind unsere wahren Helden": Wer cool ist, dem ist nicht kalt
Jugendliche scheinen nicht zu frieren. Leichte Stoffschuhe bei Minusgraden, jackenlos und selbstverständlich nur dann mit Mütze, wenn es aus modischen Gründen angesagt ist - im Sinne der Brutpflege verzweifeln manche Eltern an den Bekleidungsgewohnheiten ihrer Teenager.
Dazu allerdings besteht kein Grund, beruhigt der Neurobiologe Ralph Dawirs. Denn Jugendliche haben nicht nur eine ganz andere Temperaturwahrnehmung als wir Erwachsenen, es gibt dafür auch einen triftigen Grund.
Unsere Teenager waren früher die Macher
80.000 Generationen lang lag die Lebenserwartung des Menschen bei etwa 25 bis 30 Jahren und dann war man schon richtig alt. Jungs und Mädels, die heute als noch nicht reif gelten, waren also über die längste Zeit die eigentliche Erwachsenengesellschaft.
"Pubertierende Banden, die gezwungen waren, sich an ihrer Peergroup zu orientieren. Und damit an denen, mit denen sie als Erwachsene durch die Savanne streichen würden", erklärt Dawirs im Gespräch t-online.de. "Sie waren bereit, ihr Leben hochriskant zu gestalten, suchten nach emotionalen Kicks, überprüften Grenzen - immer im Dienste des Generationenwechsels."
Degradiert von den Alten
Doch vor etwa acht bis zehn Generationen, wandelte sich das Blatt und die Lebenserwartung verdreifachte sich innerhalb kürzester Zeit. Will der Teenager jetzt, so wie es seine eigentliche Bestimmung ist, die Macht übernehmen, hat er ein Problem. Die "Alten" lassen ihn nicht, obwohl er physiologisch gesehen nach wie vor ein so guter "Krieger" wäre. "Wir unterschätzen unsere Jugendlichen massiv. Sie sind unsere wahren Helden", bekräftigt der Gehirnexperte.
Wer innerlich brennt, der friert nicht
Bauchfrei bei minus fünf Grad ist also nicht nur cool, die Teenager leiden auch nicht unter der Kälte. Aufgrund ihres eigentlichen Auftrags der Evolution werden sie zudem deutlich seltener krank als kleine Kinder oder ältere Menschen. "Natürlich frieren sie auch, aber sie nehmen das gar nicht wahr. Es spielt keine Rolle."
Die Coolness wird also höher bewertet. Die Aufforderung, sich doch bitte eine Mütze und einen Schal anzuziehen, verhallt ungehört in den jugendlichen Gehirnen. "Die überleben das. Der eigene Organismus weiß besser, ob er friert als Mama oder Papa. Wenn man innen heiß ist, dann friert man eben auch nicht so."
Kleine Eltern-Tricks gegen die Kälte
Das Mediatorenehepaar Sylvia und Alfred Strobel hat in seinem Ratgeber "Pubertät für Anfänger" unter anderem eine Klamottencheckliste für Jungs zusammengestellt, in der es heißt: "Mehrere Schichten werden übereinander getragen: ein T-Shirt, darüber ein ellenlanger Pulli, eine etwas kürzere Jeansweste und dann eine Jacke. Da Pubertierenden keine Temperaturfühler besitzen, wird diese Kleidung sommers wie winters getragen."
Wobei der Zwiebellook sicher nicht die schlechteste Alternative ist, um Frostbeulen zu vermeiden und trotzdem im entscheidenden Moment cool sein zu können. Folgt man der traditionellen chinesischen Medizin, dann kann man auch mit Ernährung das Temperaturempfinden steuern.
Dann schmuggelt man eben zukünftig an kalten Tagen mehr Gewürze wie Knoblauch, Ingwer oder Pfeffer ins Essen, die dafür sorgen, dass es innerlich warm wird. Alusohlen in den dünnen Turnschuhen halten zusätzlich ganz unauffällig die Füße beim Warten an der Bushaltestelle warm.
Wir waren auch nicht anders
Zum Warmanziehen zwingen kann man Teenager allerdings nicht. Uns Erwachsene mag das verärgern, manchmal sogar beängstigen, verwundern braucht es uns aber nicht. Ralph Dawirs rät in seinen Vorträgen zum Thema seinen Zuhörern immer wieder, einmal die Augen zu schließen und sich an die eigene Jugend zu erinnern. Winterjacken, Fäustlinge und warme Stiefel kommen hier bestimmt nicht vor und wenn, dann liegen sie versteckt im Schuppen.
Es gibt nicht nur die Altweiberhitze
Natürlich spielen auch die Hormone eine Rolle. So manche Mutter in den Wechseljahren trägt ja auch nicht mehr als ein T-Shirt, egal bei welchem Wetter. Zu den Hormonen kommen noch Stoffwechsel, Blutdruck, das Gewicht und nicht zuletzt die persönliche Stimmung. Man kann also sagen, dass Eltern es mehr oder weniger hinnehmen müssen, dass ihre Teenager sich nicht nach dem Thermometer einkleiden, wenn sie - wie vor Millionen von Jahren - losziehen, um mutig Abenteuer zu bestehen.