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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Essen & Trinken Italienische Lässigkeit statt Ballermann
Prosecco war noch vor einigen Jahren spottbillig, süß und kam aus der Dose. Heute unterliegt seine Produktion strengen Richtlinien, gute Flaschen kosten bis 30 Euro. Ein Experte erklärt, was einen echten, guten Prosecco ausmacht, welche Varianten es gibt – und wie man sie beim Blick aufs Etikett unterscheiden kann.
Party-Plörre war gestern. Seit einigen Jahren hat der weltbekannte italienische Schaumwein sein Ballermann-mit-Kohlensäure-Image abgestreift und gilt wieder als unkomplizierte, fein-aromatische und leichte Aperitif-Spezialität aus hochwertiger Produktion.
Auch nachhaltiger und umweltfreundlicher soll der begehrte Schaumwein werden. So will Stefano Zanette, Chef des italienischen Weinkonsortiums Prosecco DOC, das begehrte Prosecco-Label nach Informationen des Weinmagazins wein.com nur noch an Weine vergeben, die auf Glyphosat und zwei weitere Pflanzenschutzmittel verzichten. Ein weiterer Schritt in Richtung Spitzen-Schaumwein?
Sicher, auch heute noch haben Discounter billigen Prosecco für 2,49 Euro im Angebot, doch längst ist er auch wieder in anspruchsvollen Weinläden und guten Restaurants zu finden.
Was bedeuten die Kürzel DOC und DOCG?
Auf den Etiketten findet man die Bezeichnung DOC, "Denominazione di Origine Controllata". Das bedeutet: Kontrollierte Ursprungsbezeichnung. "Es wurde zudem festgelegt, dass ein echter Prosecco mindestens zu 85 Prozent aus Glera (der Rebsorte; Anm. d. Red.) bestehen muss, der in einer der neun definierten Provinzen angebaut wurde. Die Dosenfüllung wurde auch verboten", erklärt der Weinhändler Friedrich Pusch von der Weinhandlung Berdux in Offenbach. Er importiert seit Jahren exklusiv Proseccos von drei der Top-Prosecco-Weingütern Italiens.
Der Name Prosecco darf nur noch auf dem Etikett verwendet werden, wenn er die DOC-Kriterien erfüllt. Doch das in den DOC-Regeln festgelegte Anbaugebiet umfasst rund 20.000 ha Anbaufläche – das ist fast so groß wie das deutsche Anbaugebiet Baden. Daher wurden die Weinberge um die Städtchen Conegliano und Valdobbiadene, der Ursprungsregion des Prosecco, zur DOCG erklärt, der kontrollierten und garantierten Ursprungsbezeichnung. In den Regeln sind strengere Anbau-Richtlinien und geringere Erntemengen als für die DOC festgelegt. DOCG-Prosecco sind deswegen meist teurer, da sie mit viel höherer Qualität und Regionaltypizität erzeugt werden.
Frizzante und Spumante
Dazu unterscheiden sich noch die Ausbau-Varianten Frizzante und Spumante. "Beim Frizzante wird einfach Kohlensäure aus Druckflaschen in den Wein gepumpt, damit er im Glas sprudelt. Diese Flaschen haben einen Druck bis maximal 2,4 bar und erhalten oft nur einen Drehverschluss", erklärt Pusch. Diese Variante ist auch im Discounter billig zu haben. Doch sie hat einen entscheidenden Nachteil, betont Pusch: "Im Glas bleibt die Kohlensäure nicht lange im Wein, sie perlt schnell und grob aus. Was übrig bleibt, schmeckt schal."
Entsteht die Kohlensäure des Prosecco spumante bei der taditionellen Zweitgärung mit Gärhefe im Tank, erhält die Flasche einen Überdruck von etwa 3 Bar. Die Bläschen seien deutlich feiner und hielten sich viel länger im Glas als beim Frizzante, erklärt Pusch.
Brut, extra dry, dry oder demi-sec?
Prosecco spumante wird als brut, extra dry, dry und demi-sec produziert. Sie bezeichnen den Restzuckergehalt bei der Füllung. "Brut" bedeutet, der Prosecco enthält zwischen Null und zwölf Gramm pro Liter. Bei "extra dry" liegt der Restzucker zwischen zwölf und 17 Gramm. "Dry" bedeutet hier allerdings nicht trocken: Er enthält zwischen 17 und 32 Gramm pro Liter.
Spumantes sind meist deutlich teurer als Frizzantes und werden mit einem Champagnerkorken verschlossen – und für sie zahlen die Produzenten auch Sektsteuer. "In Deutschland beträgt sie 1,02 Euro pro Flasche. Für einen Proscecco, der für drei Euro im Discounterregal stehen soll, wäre das ein schlechte Kalkulation", sagt Pusch.
Experte: Guter Prosecco startet bei neun Euro
Sehr hochwertige Prosecci spumante aus einem DOCG werden seit einigen Jahren auch mit Jahrgangsangabe gefüllt. Damit zeichnen sie sich – wie beim Champagner – als Top-Produkte aus. Sie schmecken fein, balanciert und elegant nach gelbem Apfel, Birne, Akazien, Blüten und Zitrus. Und siie haben auch ihren Preis: "Ein handwerklich sehr gut gemachter Prosecco ist zwischen etwa neun und 15 Euro zu bekommen", rät Experte Pusch, "Jahrgangs-Prosecci sind etwas teurer."
Cartizze, die Meister-Klasse
Der König des Prosecco hingegen ist der zwischen 20 und 30 Euro teure Cartizze. Er wird ausschließlich in den Steilhängen zweier nahe Valdobbiadene gelegenen Orte produziert. Aufgrund der geringen Erträge im Weinberg und der kleinen Produktionsmenge wird er mit hoher Sorgfalt und Qualität erzeugt – doch zu bekommen ist er hier eher selten.
Die Geschichte des Schaumweins
Prosecco hat eine rund 150-jährige Tradition. Der Name des Schaumweins hatte noch nie mit der Geschmackskategorie "trocken" zu tun, obwohl der Namensbestandteil "secco" das vermuten lässt. Es ist schlicht der Bestandteil des Namens einer Weißwein-Rebsorte, die nur in einigen Provinzen Norditaliens angebaut wird. Aus ihr entstehen schlichte Stillweine ohne größeren Anspruch. Und Schaumwein.
Mitte des 19. Jahrhunderts – der Champagner boomte in Europa und erzielte extrem hohe Flaschenpreise - beschäftigte sich der italienische Önologe Antonio Carpenè (1838-1902) mit den Verfahren zur Produktion von Schaumwein, um der damals rückständigen Weinbereitung seiner Heimat neue Perpsektiven zu eröffen. 1868 gründet er das noch heute existierende Weingut Carpenè Malvolti. Dort führte er die "Méthode charmat" ein, die Tankgärung. Mit ihr wird ein Stillwein mit Hilfe von Gärhefe und Zucker in Schaumwein verwandelt. Carpenè gilt damit als Begründer des sprudelnden Prosecco, der nach dem Zweiten Weltkrieg weltbekannt wurde.
Im Jahr 2009 zog das italienische Landwirtschaftsministerium die Notbremse: "In einer Verordnung wurde festgelegt, dass Prosecco nicht mehr der wertlos gewordene Name der Rebsorte sein sollte, sondern der eines geographisch klar abgegrenzten Anbau- und Produktionsgebietes in Venetien und Friaul", erklärt Pusch.