Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Würzwein aus dem 19.Jahrhundert Das älteste Glühwein-Rezept Mitteldeutschlands
Heißer Glühwein ist vom Weihnachtsmarkt nicht mehr wegzudenken. Aber wer hat ihn erfunden? Die Spur führt nach Sachsen, zum Raugrafen von Wackerbarth. Das älteste überlieferte Glühwein-Rezept Mitteldeutschlands stammt aus seiner Feder. Den heutigen Geschmack dürfte es aber nicht mehr so ganz treffen.
Rezept für eine Kanne Glühwein
Es sind die Gewürze, die den Rotwein zum Glühwein machen. August Josef Ludwig von Wackerbarth (1770-1850), auch bekannt unter dem Namen Raugraf Wackerbarth hatte da eigene Vorstellungen. "Die Rezeptsammlung, die sich im Nachlass findet, ist eine Sammlung von Rezepten zur Verbesserung von Weinen und für Mixgetränke auf Weinbasis", sagt Nils Brübach, Referatsleiter im Sächsischen Staatsarchiv. Der Dresdner Archivar fand im Nachlass des Grafen das Rezept zur Herstellung des gewürzten Weines.
Für eine Kanne - heute ein knapper Liter - sieht es vier Loth (ein Loth entspricht knapp 16 Gramm) Zimt, zwei Loth Ingwer, ein Loth Anis, ein Loth Granatapfel, ein Loth Muskatnüsse, ein Loth Kardamom sowie ein Gran (heute rund 60 Milligramm) Safran vor. Das Ganze muss dann nach der Wackerbarthschen Rezeptur noch mit Zucker oder Honig gesüßt und abgeschmeckt werden.
Gewürzmischung trifft heute nicht mehr den Geschmack
Schloss Wackerbarth ist heute noch immer ein Weingut. Dort ist man froh über das wiedergefundene Rezept vom 11. Dezember 1843. Zwar würden Art und Menge der darin beschriebenen Gewürze kaum mehr den Geschmack der heutigen Zeit treffen, sagt Staatsgut-Sprecherin Ulrike Schröter, "aber es ist das wohl älteste überlieferte Glühweinrezept Mitteldeutschlands."
Nicht nur geschmacklich ist die Gewürzmischung problematisch. Ab vier Gramm Muskatnuss kann es zu Vergiftungserscheinungen wie Halluzinationen kommen.
Gewürzte Weine galten als kostbar
Doch schon mindestens hundert Jahre zuvor war das Würzen und Süßen von "guten Weinen in kalten Landen" in Sachsen ein Thema. 1747 beschrieb Johann Heinrich Zedler in seinem in Leipzig verlegten Universal-Lexikon - einer Art Wikipedia des 18. Jahrhunderts - wie es geht. "Diese Verbindung von Wein und Gewürzen war etwas Besonderes, etwas sehr Kostbares", erklärt Brübach. Von dem Begriff Glühwein ist in den alten Schriften aber nirgends die Rede, auch wenn die Vermutung naheliegt, dass der Würzwein schon damals erhitzt wurde.
Früherer Glühwein kann auch kalt gewesen sein
Gewürzten Wein trank man im Übrigen auch schon zu Zeiten König Gustav Wasas im 16. Jahrhundert am schwedischen Hof. Glögg heißt er heute und wird auch heiß serviert. Ob das schon damals der Fall war, ist nicht eindeutig geklärt. Unstrittig dagegen Wasas Verbindung nach Sachsen: "Am 24. September 1531 heiratete er nämlich Katharina von Sachsen-Lauenburg, und ich vermute, dass er darüber auch den Würzwein kennenlernte", sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Mainz. "Gewürzweine wurden vornehmlich von den Adligen und in Königshäusern getrunken."
Weißer Glühwein galt als Medizin
Das Weinland Sachsen hatte von alters her mit seinen Weinspezialitäten einen besonderen Stand, insbesondere beim Claret. "Der Claret ist ein weißer Gewürzwein, dem man im Mittelalter medizinische Eigenschaften zuschrieb. In den sächsischen Wein- und Winzerbüchern ist er die weiße Variante des roten Gewürzweins namens 'Hypocras'", erklärt Büscher.
Und auch der Raugraf hält in seinen Aufzeichnungen ein Rezept für einen weißen Glühwein parat - auch wenn er ihn nicht Glühwein nannte. Insgesamt 65 Rezepte für weinhaltige Mixgetränke sind laut Brübach in den Schriften zu finden - darunter auch Erfrischendes für den Sommer. Doch während der Graf wohl auch die Vermarktung des Rebensaftes im Sinn hatte, ging es bei den Würzweinen aus grauer Vorzeit wohl eher um die Haltbarkeit oder schlicht darum, ansonsten Ungenießbares trinkbar zu machen.
Winzerglühweine sind im Kommen
Der Glühwein-Trend geht heutzutage weg von der Variante, bei der Billigwein mittels Zucker und Gewürzen aufgepeppt und in Pappkartons abgefüllt zu Beträgen unter zwei Euro verkauft wird. Winzerglühweine aus edleren Reben wie Dornfelder, Regent oder Spätburgunder sind angesagt und erobern Marktanteile, vor allem, wenn sie noch aus der Region stammen, wie Büscher vom Weininstitut sagt.
Übrigens wussten schon die alten Römer den Würzwein zu schätzen. Ein noch heute bekanntes Rezept, das dem des Glühweins nicht allzu fern ist, stammt vom Feinschmecker Apicius aus dem 1. Jahrhundert vor Christus.