Wann man zum Arzt sollte Schlechte Laune oder schon Depression?
Den Kollegen ankeifen, sich das ganze Wochenende im Bett einigeln, wie besessen aufs Gaspedal treten: Miese Laune kann sich in vielen Formen äußern. Häufig lohnt es sich, dieser Stimmung auf den Grund zu gehen: Lässt sie sich beheben oder steckt eine depressive Erkrankung dahinter?
Die meisten reißen sich zusammen
Doch die meisten reißen sich zusammen, beißen auf die Zähne und machen weiter wie bisher. Niemand kann permanent gut drauf sein. Es gäbe viele gute Gründe, sich schlecht zu fühlen, sagt Thomas Prünte, der ein Buch mit dem Titel "Vom Sinn schlechter Laune" geschrieben hat.
Dazu gehören zum Beispiel der Verlust eines geliebten Menschen, eine Kränkung, Ausgrenzung oder Unzufriedenheit. Aber auch Grenzen, die andere in Bezug auf einen selbst überschritten haben, oder eine Arbeit, die der eigenen Persönlichkeit nicht entspricht, können die Ursache sein.
Schlechte Laune ist eine rote Lampe
"Schlechte Laune ist wie ein rotes Lämpchen beim Auto", stellt der Diplom-Psychologe aus Hamburg fest. Das rote Lämpchen signalisiere: "Halt mal inne. Begib dich auf Spurensuche. Gibt es etwas, wo du dich zum Beispiel übergangen gefühlt hast?"
Sinnvoll sei, seiner Umgebung dann deutlich zu sagen: "Ich bin nicht gut drauf, lass mich einfach in Ruhe, ich weiß selbst noch nicht genau, woran es liegt." So wissen andere Menschen, wie sie mit einem übellaunigen Gegenüber umgehen sollen und verlangen nicht aus Versehen noch mehr.
Wahrnehmung ist der erste Schritt zur Besserung
Der erste Schritt zu besserer Laune ist es, seine schlechte Stimmung selbst wahr- und dann auch ernst zu nehmen. "Das kann einem keiner abnehmen", sagt Prünte. Er rät zu dem Versuch, möglichst konkret den Grund für die miese Stimmung zu formulieren, nach dem Motto: "Ich fühle mich schlecht, weil..." oder "Was mir jetzt fehlt, ist...". Meist gehe es um Grundbedürfnisse wie Anerkennung, Zuneigung oder Geborgenheit.
Dem Problem ein Etikett geben
Wer die Ursache für seine schlechte Laune erkannt hat, ist einen großen Schritt weiter: "Wenn ein Problem ein Etikett, eine Überschrift hat, entlastet das ganz oft", sagt Kerstin Reviol, Fachliche Leiterin der Arbeits- und Organisationspsychologie beim TÜV Süd. "Man kann es jetzt bearbeiten und sich Lösungsoptionen überlegen."
To-do-Liste für Gefühle
Das könnte zum Beispiel so aussehen: Was für ein Tag steht mir bevor? Habe ich keine Lust auf die Aufgabe, die ich heute erledigen muss? Oder habe ich grundsätzlich keine Lust auf meine Arbeit?
Im ersten Fall helfe es, das Unangenehme direkt zu erledigen, dann stellt sich laut Reviol gute Laune von selbst ein. Im zweiten Fall könnte es sinnvoll sein, mit einem guten Freund, dem Partner oder auch einem Coach zu analysieren, was einen zum Beispiel im Job nicht motiviert und dann – auch mit Hilfe von außen – einen Ausweg zu finden.
Fragen Sie nach Nicht-Problemen
Unerfüllte Erwartungen, Ziele und Wünsche spielen oft auch eine Rolle bei schlechter Laune: Der Nachbar fährt ein schöneres Auto, der Kollege wird vom Chef bevorzugt. Mit einem einfachen Gegenmittel lässt sich der schlechten Stimmung aus dem Weg gehen.
"Fragen Sie sich: Welche Probleme habe ich gerade nicht? Krankheit und Krieg etwa", rät Reviol. "Und fragen Sie sich: Welchen Preis hat der andere bezahlt für das, was ich nicht habe? Zum Beispiel zig Überstunden? Bin ich bereit, diesen Preis selbst dafür zu zahlen?"
Schlechte Laune ist keine Krankheit
Unbedingt genauer mit seiner schlechten Laune befassen sollte sich Reviols Ansicht nach derjenige, dessen Stimmung die "normale emotionale Flexibilität" überschreitet. Das heißt: Ist jemand jeden zweiten bis dritten Tag über mehrere Stunden schlecht gelaunt, könnte mehr dahinterstecken.
"Wenn man sich selbst nicht mehr erklären kann, warum man so gelaunt ist und es ein paar Tage andauert, sollte man mal seinen Hausarzt fragen", rät Prof. Frank Schneider, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik Aachen.
Miese Stimmung ist noch keine Depression
Aber selbst wenn es auf Außenstehende manchmal so wirkt: Eine Krankheit ist schlechte Laune nicht. "Und sie ist auch nur selten ein Symptom", betont Schneider. Vielfach habe schlechte Laune und Reizbarkeit schlicht mit Stress und Überforderung zu tun. Der Psychologe Prünte sieht in schlechter Laune sogar fast eine Burnout-Prophylaxe: Sie könne einem Menschen helfen zu begreifen, dass er seine Grenzen überschritten hat.
Das Maß überschritten: Wann man zum Therapeuten sollte
Schlechte Laune sei kein Grund zur Sorge, sagt auch Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) – solange es nur ein paar Tage so bleibt.
Ist man längere Zeit niedergeschlagen, kann man zuerst Nahestehende um Hilfe bitten. "Gespräche mit der Familie oder auch Freunden können sehr hilfreich sein", sagt Munz. Geht es einem nach solchen Gesprächen aber nur kurzzeitig besser, und die Niedergeschlagenheit bleibt über Wochen, sollte der Betroffene zu einem Therapeuten gehen. Dies könnten eventuell Anzeichen für eine beginnende Depression sein. Um den Betroffenen schneller und gezielter Hilfe zukommen zu lassen, haben Psychologen sechs Verhaltensmerkmale herausgearbeitet, die im Zuge einer Depression nacheinander auftreten.
"Dank der neuen psychotherapeutischen Sprechstunde bekommt man jetzt auch kurzfristig einen Termin für ein erstes Gespräch", erklärt Munz. Das sollte man ruhig in Anspruch nehmen. Den Termin kann man auch über die Servicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung vereinbaren.
Nicht immer stelle sich in dem Gespräch übrigens heraus, dass der Betroffene wirklich krank ist. In dem Fall können die Therapeuten aber Tipps geben, wo man mit bestimmten Problemen Hilfe suchen kann.