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Urlaub nach Corona: Interview mit Tourismus-Expertin zu Corona-Folgen


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Urlaub in der Corona-Krise
"Reisewarnungen sind Gift für den Tourismus"

InterviewVon Sandra Simonsen

Aktualisiert am 07.10.2020Lesedauer: 7 Min.
Reisende am Flughafen Frankfurt: Die Tourismusbranche leidet besonders unter den Auswirkungen der Corona-Krise.Vergrößern des Bildes
Reisende am Flughafen Frankfurt: Die Tourismusbranche leidet besonders unter den Auswirkungen der Corona-Krise. (Quelle: Ralph Peters/imago-images-bilder)
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Seit Monaten gibt es wegen der Corona-Krise starke Einschränkungen im internationalen Tourismus. Eine Expertin erklärt, welche Auswirkungen das auf den Tourismus der Zukunft haben könnte.

Die Corona-Pandemie hat sich wohl auf wenige Branchen so stark ausgewirkt wie auf den Tourismus. Weltweite Reisewarnungen, Einreiseverbote, Grenzschließungen, Risikogebiete: All das war eigentlich jahrzehntelang kein Thema für Urlauber. Jetzt werden regelmäßig Reisen storniert, aufs kommende Jahr verschoben und Urlaube statt in der Türkei in Deutschland verbracht. t-online hat mit der Reiseexpertin Prof. Dr. Ina zur Oven-Krockhaus über die Entwicklungen in der Tourismusbranche gesprochen. Sie erklärt, ob es künftig noch All-Inclusive-Urlaub, Billigflüge und Kreuzfahrten geben wird – aber auch, welche Bedeutung die Lufthansa für Deutschland hat und ob Reisen nach der Corona-Krise teurer werden könnten.

(Quelle: privat/Krockhaus)

Prof. Dr. Ina zur Oven-Krockhaus

Prof. Dr. Ina zur Oven-Krockhaus ist gelernte Reiseverkehrskauffrau, studierte Diplombetriebswirtin mit dem Schwerpunkt Tourismus und promovierte Kommunikationswissenschaftlerin. 18 Jahre lang hat sie in verschiedenen leitenden Funktionen beim Tourismuskonzern Tui gearbeitet. Seit 2014 ist sie Professorin und Studiengangsleitung für Tourismusmanagement im Dualen Studium an der IUBH Internationale Hochschule.

t-online: Wie hat sich das Reiseverhalten der Deutschen in der Corona-Krise verändert?

Prof. Dr. Ina zur Oven-Krockhaus: Die Deutschen haben ein großes Sicherheitsbedürfnis und legen jetzt sehr viel Wert darauf, ihre Reisen flexibel planen zu können. Wichtig ist vielen auch, dass sie bestenfalls kostenlos stornieren können. Die Corona-Fallzahlen ändern sich ja täglich und wir befinden uns in einem volatilen Geschäftsumfeld. Kaum noch etwas ist zuverlässig planbar – das gilt sowohl für die Leistungsträger als auch für die Kunden. Deshalb wird großer Wert auf Flexibilität gelegt und auf die Möglichkeit einer kostenlosen Stornierung. Reiseveranstalter reagieren auf dieses Kundenbedürfnis mit Flex-Preisen. Auch Sicherheitsaspekte sind ganz wichtig geworden: Viele achten darauf, welche Hygienekonzepte es gibt und was für die Sicherheit getan wird. Wie kann ich mich sicher auf Reisen bewegen – aber auch: Was wird vom Veranstalter für die Sicherheit geboten.



Stichwort Massentourismus: Werden die Menschen ihr Reiseverhalten grundlegend ändern oder weiter möglichst billig und All Inclusive verreisen?

Das ist eine ganz spannende Frage. Je länger Corona dauert, desto mehr implementiert sich das natürlich auch im Verhalten. Und Massentourismus impliziert ja schon eine Hordenbewegung. Hier stellen wir ganz klar fest, dass Verbraucher vorsichtiger werden und Massen bewusst meiden. Auf der anderen Seite sind wir Deutschen unheimlich preissensibel. Lebensmittel-Discounter wurden beispielsweise in Deutschland erfunden. Wir haben einen Markt mit vielen touristischen Anbietern und da wird es immer einen Preiswettbewerb geben. Der Verbraucher nimmt günstige Möglichkeiten für den Urlaub und Flüge gerne an. Daher befürchte ich, dass einige Anbieter nach wie vor mit Fünf-Euro-Tickets die Nachfrage beleben wollen.

Welche Veränderungen werden sich auch nach Corona noch im Tourismus zeigen?

Der Individualtourismus rückt stärker in den Fokus: Die Menschen wollen nicht mehr so gebunden sondern selbst für sich verantwortlich sein. Gerade viele jüngere Menschen wissen nicht, ob die klassische Pauschalreise noch ihren Bedürfnissen entspricht. Hinzu kommen "erdgebundene" Reisen und dass viele Reisende sich jetzt regional bewegen. Die Reisewarnungen und die Quarantäneregelungen für Risikogebiete sind momentan Gift für den internationalen Tourismus.


Dadurch wird das Reisen extrem eingeschränkt. Obwohl seit 1. Oktober weltweit wieder differenzierte Reisehinweise gelten, sind viele Länder als Risikogebiet vom Robert Koch-Institut eingestuft und es gilt nach wie vor eine Reisewarnung. Das ist eine Katastrophe für die Tourismusbranche. Die Tourismusbranche hat rund drei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland – zum Vergleich: Die Automobilbranche beschäftigt rund 800.000 Menschen. Daher ist die Tourismusbranche sehr wichtig für die Beschäftigung in Deutschland und auf eine rasche Erholung des Geschäfts ist zu hoffen.

Welche Regionen und Branchen profitieren besonders von der Corona-Krise?

Die Reisebestimmungen schränken das Reisen momentan vor allem auf Regional- oder Nationalurlaub ein. Norddeutschland, Ostsee, Nordsee waren natürlich sehr stark frequentiert in diesem Jahr – dort ist auch teilweise kaum noch etwas frei gewesen. Aber es gab auch Destinationen, auf die man vielleicht nicht auf den ersten Blick gekommen wäre, beispielsweise Städte- und Landschaftsurlaub in Würzburg als Teil der romantischen Straße Deutschlands oder Hannover mit dem größten Stadtwald Europas.


Es boomt aber auch die Reiseform des Campings. Von 2015 bis 2020 legte der Bestand an Wohnmobilen in Deutschland nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts von gut 390.000 auf knapp 590.000 zu. Das entspricht einem Zuwachs von 50 Prozent und hat auch mit dem Wunsch nach Individualtourismus zu tun: Ich bin mit mir selber oder meiner Familie unterwegs und kann das Geschehen selbst bestimmen.

Urlaub in Deutschland war schon immer beliebt – in diesem Jahr aber ganz besonders. Glauben Sie, dass sich dieser Trend fortsetzen wird?

Die Corona-Krise ist ein tiefer Einschnitt und vielleicht auch ein Paradigmenwechsel. Als zweiter Faktor kommt dann noch der Greta-Effekt dazu. Der Verbraucher überlegt nun bewusster, ob er Fernreisen wirklich braucht oder ob er doch eher nachhaltiger reisen kann. Die Corona-Krise hat zudem gezeigt, dass das Reisen in ferne Länder risikobehaftet ist, wenn plötzlich die Grenzen geschlossen werden und eine Rückkehr schnellstmöglich notwendig wird. Ich glaube, diese Erfahrungen werden nachwirken: also mehr erdgebundene Reisen, mehr Individualtourismus. Auf der anderen Seite sind wir Deutschen Reiseweltmeister – Reisen ist in unserem Wertesystem fest verankert. Der Deutsche wird auch in der Zukunft weiter reisen – es bleibt die Frage, wohin sich die Nachfrage verlagert. Da sehe ich ganz klar erdgebundene Reisen, Ferienwohnungen, regional, national. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass sich die Nachfrage nach der Corona-Krise wieder schnell erholt und Reisen rund ums Mittelmeer und auf der Mittelstrecke wieder gefragt sind. Fernreisen werden sich dagegen nur langsam erholen.

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In Deutschland zählen vor allem die Hotels in den Großstädten zu den großen Verlierern der Corona-Krise – wie könnte diese Branche aufgefangen werden? Wie viele Hotels werden Ihrer Meinung nach pleitegehen?

Seit Beginn der Corona-Pandemie mussten etliche Hotels für immer schließen. Dazu zählen so bekannte Häuser wie das Crowne Plaza in Heidelberg, aber auch viele kleinere. Beispielsweise ist in Hannover das Hotelgeschäft zu 80 Prozent von Messen, Geschäftsreisen und Kongressen geprägt. Alle touristischen Akteure hoffen auf eine baldige Erholung des Geschäfts. Ein abrupter Zielgruppenwechsel von Geschäftsreisenden zu Privatreisenden ist nicht möglich, um die Verluste im Geschäftsreisebereich aufzufangen. Wir können dennoch von einem Paradigmenwechsel im Geschäftsreisebereich ausgehen – der Markt wird nicht mehr so aussehen wie vor Corona. Wahrscheinlich werden noch mehr Hotels der Corona-Krise zum Opfer fallen. Aber eine genaue Prognose ist da schwierig.

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Welche Auswirkungen hat die Krise für die Verbraucher – könnten die Preise für Reisen steigen? Welche Reiseziele könnten im kommenden Jahr besonders teuer werden?

Durch ein hohes Hotelangebot und wieder aufgestockte Flugkapazitäten werden die Reisen bei den Veranstaltern im Sommer 2021 tendenziell eher günstiger. Das liegt daran, dass Destinationen Wettbewerbseinheiten sind. Die Türkei möchte natürlich genauso wie Griechenland oder Spanien wieder deutsche Touristen gewinnen, nach dem Motto "Hauptsache, es kommen wieder Urlauber zu uns". Das konnten wir bei der Türkei auch schon bei früheren Krisen feststellen. Nach Krisen war der Türkei-Urlaub sehr günstig. Es könnte natürlich langfristig sein, dass sobald sich die Branche stabilisiert, vorher bereits angeschlagene Unternehmen den Markt verlassen. Wenn gleichzeitig die Nachfrage steigt, regeln Angebot und Nachfrage natürlich den Markt und die Preise könnten steigen. Da spielen aber ganz viele Faktoren – beispielsweise auch die Arbeitslosenquote und ausreichend Kaufkraft für Urlaub sowie die Wettbewerbssituation unter den Reiseanbietern – eine Rolle.

Die Kreuzfahrtbranche zählt zu den großen Verlierern des Corona-Jahres. Welche Unternehmen werden die Pandemie überleben und welche nicht?

Die Kreuzfahrt ist das am stärksten durch die Pandemie getroffene Segment in der Touristik. Gerade amerikanische Reedereien wie Carnival nehmen Schiffe aus dem Markt. Im europäischen Markt halten Anbieter wie Aida und Tui Cruises an Expansionsplänen fest. Und tatsächlich entfallen fast die Hälfte aller Umbuchungen auf Kreuzfahrten, zeigt eine Analyse von "Travel Data+Analytics". Kreuzfahrtkunden sind treue Kunden dieser Reiseform und wollen weiter auf die Schiffe.


Hinzu kommt, dass die großen Reedereien wie Aida und Tui Cruises hohe Rabatte anbieten. Der Flussreiseanbieter Arosa gewährt sogar 30 Prozent Nachlass für eine künftige Flusskreuzfahrt. Die Boombranche Cruise sieht sich allerdings mit großen Herausforderungen konfrontiert und wird sich ändern: Kreuzfahrten polarisieren seit längerem enorm. Megaliner mit mehr als 6.000 Passagieren erscheinen im Moment wenig opportun.

Ein Trend könnte daher sein, weg von den Megalinern hin zu kleineren Schiffen, die übersichtlicher auch im Sinne eines Infektionsgeschehens sind. Hinzu kommt die Forderung nach stärkeren Bemühungen der Kreuzfahrtbranche in Richtung Nachhaltigkeit – hier spielt auch der Greta-Effekt eine Rolle. Insgesamt kann aber davon ausgegangen werden, dass sich der Kreuzfahrtmarkt wieder erholt und hoffentlich die Krise als Chance verstanden wird, an für Kunden relevanten Stellen nachzubessern, wie zum Beispiel Sicherheit und Nachhaltigkeit.

Auch die Lufthansa will noch mehr Stellen streichen als zuletzt erwartet. Wird sich die Luftfahrt je wieder erholen?

Das ist eine spannende Frage. Prognosen besagen, dass der Flugverkehr im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um 66 Prozent zurückgehen wird. Nach Ende der aktuellen Corona-Krise werden bei Lufthansa 150 Flugzeuge weniger benötigt. Statt rund 760 Flugzeugen wie vor Krise betreibt der Konzern dann nur noch 600 Maschinen. Europa ist aber ein Kontinent, der den Hauptanteil der Flugreisen ausmacht – und gerade Lufthansa ist hier ein wichtiger Player und nutzt die Krise für strukturelle und konzeptionelle Veränderungen. Die Frage ist aber, mit welchem Schaden – auch an Arbeitsplätzen – das einhergeht.

Die Corona-Flaute im Luftverkehr ermöglicht andererseits an den Flughäfen München und Frankfurt umweltschonendere Anflüge. Innerhalb von fünf Wochen ist ein neues Verfahren entwickelt worden, das mehr als 2.000 Tonnen CO2-Emissionen im Monat vermeidet. Die Flugbranche wird sich anpassen und mit weniger Kapazität und kleineren Maschinen fliegen – der Bedarf an Großraumfliegern wie dem A380 ist nicht mehr gegeben. Lufthansa ist zudem ein Prestige-Objekt für Deutschland – so lange andere Airlines von ihren Staaten unterstützt werden, wird auch die Lufthansa unterstützt. Die Branche wird sich nach der Krise normalisieren und es könnte auch eine Art Nachholeffekt dazukommen, sowohl bei Geschäftsreisen als auch bei Privatreisen, wenn länger keine Fernreise gemacht wurde.

Im Interview mit t-online sagte IW-Direktor Michael Hüther, die Lufthansa sei "kritische Infrastruktur", der Staat müsse sie retten, damit das Drehkreuz Frankfurt überlebt. Was würde passieren, wenn der Hub in der Mitte Deutschlands wegfiele?

Nach Passagieraufkommen ist Frankfurt der viertgrößte Flughafen in Europa und wichtigstes Drehkreuz für die Lufthansa. Ein Wegfall ist schwer vorstellbar. Die Lufthansa hat mit München ein zweites starkes Drehkreuz und kann hier flexibel agieren. Ob man hier den einen Flughafen seitens Lufthansa mehr oder weniger befeuert, kann ich natürlich nicht einschätzen.

Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Dr. Ina zur Oven-Krockhaus!

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