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Von Schülern attackiert: Gewalt gegen Lehrer an jeder dritten Grundschule


Studie
Körperliche Gewalt gegen Lehrer an jeder dritten Grundschule

dpa, Basil Wegener

Aktualisiert am 02.05.2018Lesedauer: 3 Min.
Eine Lehrerin schreibt an eine Schultafel: Laut einer Studie erfahren Lehrer an jeder dritten Grundschule körperliche Gewalt.Vergrößern des Bildes
Eine Lehrerin schreibt an eine Schultafel: Laut einer Studie erfahren Lehrer an jeder dritten Grundschule körperliche Gewalt. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa-bilder)
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Vor einigen Wochen machten Berichte über Sicherheitsdienste an einer Berliner Grundschule Schlagzeilen: So sollten Lehrer und Schüler vor gewalttätigen Eltern und Kindern geschützt werden. Eine krasse Ausnahme? Eine aktuelle Umfrage zeigt nun: Körperliche Gewalt gegen Lehrer tritt an beinahe jeder dritten Grundschule auf.

An etwa jeder dritten Grundschule in Deutschland sind Lehrkräfte in den vergangenen fünf Jahren laut einer neuen Studie körperlich angegriffen worden. Dies berichten die Schulleitungen laut einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten Umfrage des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Über alle Schulformen hinweg gibt rund jede vierte Schulleitung an, dass es Fälle körperlicher Gewalt gegen Lehrkräfte gibt.

Psychische Gewalt ist noch stärker verbreitet

Fast die Hälfte der Schulleitungen (48 Prozent) gab an, dass es an ihrer Schule in den vergangenen fünf Jahren Fälle von "psychischer Gewalt" gab – also Fälle, bei denen Lehrkräfte direkt beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden. Fälle von Mobbing, Diffamierung und Belästigung über das Internet gab es laut Studie an jeder fünften Schule.

Wie sieht diese Gewalt aus?

Ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen: Als Andreas F. in seine neue Klasse in der Brennpunkt-Grundschule kam, sagte ihm ein Schüler gleich in der ersten Stunde, was Sache ist, wie F. erzählte. Kaum hatte F. die Schüler gebeten, die Hausaufgaben aufzuschreiben, schallte es ihm entgegen: "Alter, davon träumst du. Mein einer Bruder sitzt im Knast, der zweite in der psychiatrischen Anstalt und den dritten sucht die Polizei. Wenn ich einen davon rufe, bist du so klein mit Hut."

Schwere Vorwürfe erhebt der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann gegen die zuständigen Landesregierungen. Die Bildungsministerien verbreiteten vielfach immer noch das "Märchen", es handele sich nur um Einzelfälle. Viel zu lange habe Angst vor Reputationsverlust zu einer "Kultur des Schweigens" geführt, so der Chef der Lehrergewerkschaft.

So halten 39 Prozent der Schulleitungen das Thema Gewalt gegen Lehrer für ein Tabu-Thema an Deutschlands Schulen. 46 Prozent hingegen meinen, mit dem Thema werde an den Schulen offen umgegangen.

Aufschluss über die Gründe für Gewalt gibt die Studie nicht. Beckmann meint, Kinder brächten entsprechende Verhaltensmuster von Zuhause mit. "Wenn sich Eltern selbst so verhalten, dass sie ihre Forderungen gegenüber anderen mit gewalttätiger Sprache oder körperlicher Gewalt durchsetzen, müssen sie sich nicht wundern (...)."

Zunehmende Gewalt ist ein "gesamtgesellschaftliches Phänomen"

Beckmann wies eine Aussage des ehemaligen Recklinghausener Gymnasiallehrers und Buchautors Wolfgang Kindler zurück, der im WDR 5 Morgenecho gesagt hatte: "Wir haben leider das Problem, dass Kinder aus Migrationszusammenhängen häufig körperlich gewalttätiger sind als andere." Kindler führte als Beispiel den Berliner Bezirk Neukölln an. "Das kann ich so nicht bestätigen", sagte der VBE-Chef. Allerdings könne es Konflikte geben, wenn etwa Grundschüler aus anderen Kulturen in ihrem Elternhaus nicht gelernt hätten, mit der Rolle der Frau als gleichberechtigt klarzukommen und Lehrererinnen dann weniger Respekt entgegenbrächten. Zunehmende Gewalt – gegen den öffentlichen Dienst generell – sei aber ein "gesamtgesellschaftliches Phänomen" und gehe keineswegs vorrangig von Menschen mit Migrationshintergrund aus.

Die große Mehrheit der Schulleitungen von Schulen mit Fällen von Gewalt oder Mobbing meint, ihnen gelinge es meist, die betroffenen Lehrer ausreichend zu unterstützen. In den anderen Fällen führten das die Befragten vor allem auf uneinsichtige Schüler oder nicht kooperationswillige Eltern zurück.

33 Prozent beklagen, dass das jeweilige Schulministerium sich des Themas nicht ausreichend annehme. Für 22 Prozent ist die Meldung von Vorfällen zu bürokratisch und zeitaufwendig organisiert. "Das hat Methode", wirft Beckmann der Politik vor. Sie wolle das Ausmaß des Problems vielfach gar nicht kennen, um sich dem nicht stellen zu müssen – und damit sie nicht im schlechten Licht dastehe.

Bereits 2016 hatte der VBE vor Verrohung gewarnt. Laut einer damaligen Umfrage unter Lehrern hatte es an der Hälfte der Schulen binnen fünf Jahren Fälle psychischer Gewalt gegen Lehrkräfte gegeben. 45.000 Lehrkräfte wurden demnach schon körperlich angegriffen.

Beckmann verweist auf eine VBE-Anfrage an die Kultusministerien der Länder, ob sie einschlägige Statistiken führen und öffentlich machen. Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hätten geantwortet, keine entsprechende Statistik zu führen. Bremen etwa habe mitgeteilt: "Auch wenn keine Statistik betreffend Gewaltvorfällen gegen Lehrpersonen geführt wird (wohl aber betreffend "Besondere Vorkommnisse" aller Art), können wir versichern, dass es nur um Einzelfälle geht (...)."

Zugleich zeigt sich Beckmann zuversichtlich, dass das Thema zunehmend aus der Tabuzone rücke. Der Gewerkschaftschef lobt die Kultusministerkonferenz der Länder, die sich dessen annehmen wolle.

Verwendete Quellen
  • dpa
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