Hat jede Frau einen G-Punkt? Sexualwissenschaftler klärt auf: Das ist an diesen sechs Mythen dran
Haben alle Frauen einen G-Punkt? Braucht es für guten Sex einen Orgasmus? Und wie wichtig ist die Größe des Penis wirklich? Das wollten wir genauer wissen und haben bei einem Sexualwissenschaftler nachgefragt. Sechs Sexmythen im Experten-Check.
Um die schönste Nebensache der Welt ranken sich eine Menge Geschichten. Doch was stimmt – und was nicht? Das weiß Sexualtherapeut Dr. Kurt Seikowski von der Gesellschaft für Sexualwissenschaften. Für t-online hat er sechs häufige Sex-Fragen beantwortet. Darunter auch die Frage nach dem G-Punkt der Frau.
Mythos eins: Alle Frauen haben einen G-Punkt
"Ja, alle Frauen haben anatomisch gesehen einen G-Punkt", bestätigt der Experte. "Bei vielen ist er allerdings etwas verkümmert. Durch die regelmäßige Stimulation lässt sich dieser etwa Centstück große Bereich allerdings wieder empfindsamer machen." Laut dem Sexualtherapeuten ist der G-Punkt der Frau im vorderen Drittel der Vagina in Richtung Bauchdecke zu ertasten.
"Wird dieser Bereich massiert, haben viele Frauen zuerst das Gefühl, ihre Blase drückt. Wird der Bereich weiter berührt, berichten viele Frauen, dass sich diese Empfindung in ein lustvolles Gefühl wandelt und schnell in einem Orgasmus mündet", so Seikowski.
Der Experte geht davon aus, dass viele Frauen einen G-Punkt-Orgasmus erleben, ohne zu ahnen, dass es ein solcher ist. Ein Hinweis sei ein vermehrter Flüssigkeitsabgang. "Untersuchungen dieser Flüssigkeit haben gezeigt, dass es sich dabei nicht um Urin handelt, sondern um ein Sekret, ähnlich wie es in der Prostata des Mannes gebildet wird."
Mythos zwei: Ein kleiner Penis befriedigt die Frau nicht ausreichend
Um die Frage nach der richtigen Größe des Penis ranken sich schon immer unzählige Geschichten. Ob sein bestes Stück von der Frau als zu klein empfunden wird, hängt zum großen Teil von der Anatomie ab. "Hier kommt es nicht auf den Penis alleine an, sondern auf beide Geschlechtsteile. Penis und Vagina müssen zusammenpassen", sagt Seikowski. "Dann ist auch das Lustempfinden gegeben. Ist der Penis anatomisch betrachtet zu klein oder gar zu groß oder die Vagina zu eng oder weit, bleibt die nötige Stimulierung entweder aus oder es kommt zu Schmerzen."
Die Breite ist wichtiger als die Länge
Untersuchungen hätten gezeigt, dass eine Penisgröße zwischen 14 und 17 Zentimetern als Durchschnitt gilt. Allerdings sei weniger die Länge von Bedeutung als die Dicke. Denn vor allem im Bereich des Scheideneingangs befinden sich eine Menge sensorischer Nervenendigungen, die auch ein kleinerer Penis reizen kann. Die Stimulation kann zusätzlich verstärkt werden, wenn die Frau beim Sex die Beckenbodenmuskeln anspannt.
Auch wenn sie auf dem Bauch liegt, der Mann in sie eindringt und dabei ihre Pobacken zusammenpresst, wird laut dem Experten das Empfinden intensiviert. "Nicht zu unterschätzen ist bei dieser Thematik auch das Kopfkino. Manche Frauen mögen den Gedanken, 'komplett ausgefüllt' zu sein. Das stimuliert sie zusätzlich. Andere legen auf diesen Fakt weniger Wert und erfreuen sich mehr an oralen Praktiken. Das ist ganz individuell. Letzten Endes entscheidet das Paar, ob es passt oder nicht."
Mythos drei: Nach dem Sex sind Männer müde
Und wie sieht es mit der Müdigkeit aus? Kommt nach der Leidenschaft bei Männern immer die Erschöpfung? "Nicht unbedingt", wie der Sexualtherapeut weiß. Die Müdigkeit komme vor allem in den Abendstunden, nach einem anstrengenden Tag.
"Der Orgasmus ist eine intensive Form der Entspannung. Ist der Mann bereits vor dem Sex erschöpft, bricht sich nach dem Liebesspiel die Müdigkeit Bahn." Sei der Mann allerdings ausgeruht, etwa am Morgen, brauche er nach dem Liebesspiel nicht zwangsläufig ein Schläfchen. Im Gegenteil: Viele Männer haben nach einer kurzen Ruhepause von 20 bis 30 Minuten erneut Lust auf ihre Partnerin – und starten danach voller Energie in den Tag.
"Wie erschöpft ein Mann nach dem Liebesspiel ist, hängt neben Stressfaktoren und der individuellen Konstitution auch vom Alter ab. Mit fortschreitendem Alter wird das Liebesspiel als erschöpfender empfunden", so Seikowski.
Außerdem müsse man die unterschiedlichen Erregungskurven zwischen Mann und Frau berücksichtigen: Während bei Frauen die Lust nur langsam abklingt und sie dadurch länger aktiv sind, fällt die Kurve bei Männern nach dem Orgasmus sehr schnell ab und die Entspannung macht sich früher bemerkbar.
Mythos vier: Sperma stärkt das weibliche Immunsystem
Sperma ist gesund – sagen Männer. Frauen sind da skeptisch. Was sagt der Experte? Es gebe keine Untersuchungen, die zeigen würden, dass Sperma einen positiven Effekt auf das Immunsystem der Frau habe. Auch dass das Ejakulat voller Vitamine und Mineralstoffe stecke, sei ein Mythos.
Mit einer gesunden Ernährung erreiche man mehr, findet Seikowski und sieht im Sperma keinen gesundheitlichen Nutzen. "Diesen Mythos haben sicherlich Männer in Umlauf gebracht, die öfter oral verwöhnt werden möchten", so die Vermutung des Experten.
Mythos fünf: Dank Beckenbodentraining kann er länger
Und wie sieht es mit Beckenbodentraining für mehr Standfestigkeit aus – funktioniert das? Laut Seikowski hat das Training keine Auswirkungen auf die sexuelle Ausdauer. Was das Beckenbodentraining allerdings kann, ist das Lustempfinden beim Sex zu intensivieren. "Eigentlich kommt das Training bei Harninkontinenz zum Einsatz. Doch als netten Nebeneffekt hat man beobachtet, dass es luststeigernd wirkt", so der Experte.
Es gebe Untersuchungen, die gezeigt hätten, dass Frauen, die bis zu viermal am Tag ihren Beckenboden im schnellen Rhythmus etwa 50 Mal anspannen, von einer Luststeigerung profitieren können. Der Beckenbodenmuskel lässt sich am einfachsten spüren, wenn man den Urinstrahl stoppt und wieder fließen lässt. Bei Männern ist die Technik eine andere. Hier lasse sich die Muskulatur trainieren, indem bewusst der Analmuskel angespannt werde.
Mythos sechs: Nur mit Orgasmus ist Sex wirklich gut
Trotz aller Tipps und Tricks: Mit dem Orgasmus klappt es nicht immer. Ist das ein Problem für das Sexleben? "Der Orgasmus wird unnötig hochstilisiert", findet Seikowski. "Hier darf man sich nicht von diversen Medien und Pornos verunsichern lassen, sondern sollte den Blick nur auf sich als Paar richten. Das Paar selbst entscheidet, was der Sex braucht, um als erfüllend erlebt zu werden. Und für viele Frauen ist er es eben auch dann, wenn sie nicht immer zum Höhepunkt kommen."
Ein vorgetäuschter Orgasmus ist eine traurige Entwicklung
Sich unnötig Druck zu machen, erschwert nicht nur das Erleben eines Höhepunktes, sondern führt häufig auch dazu, dass der Orgasmus vorgetäuscht wird. Und das ist eine wirklich traurige Entwicklung bei der schönsten Nebensache der Welt.
"Sex ist schön, wenn er ehrlich ist und genügend Zeit hat. Druck und Stress tun der Leidenschaft nicht gut", betont der Sexualtherapeut und ergänzt: "Eine Beziehung muss es durchaus auch aushalten können, dass nicht jedes Liebesspiel zum abschließenden Finale kommt. Und um den Orgasmus alleine geht es letzten Endes auch nicht, sondern um die Nähe, die Berührungen und das Vertrauen."