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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wein- und Spirituosenmesse Bunt, überraschend und sehr aromatisch: Das sind die Trends der ProWein
Die Weinwelt wird größer, bunter und lauter: Das zeigt die ProWein in Düsseldorf, die inzwischen wichtigste Wein- und Spirituosenmesse der Welt. Über 60.000 Besucher und 6500 Aussteller aus mehr als 60 Nationen kamen. Auch ein paar Prominente wie Popstar Sting waren darunter. WANTED.DE zeigt, welche Trends die Weinszene derzeit bestimmen.
In einem sonst eher langweiligen Konferenzraum in der Düsseldorfer Messe waren plötzlich so viele Besucher, Kameras, Smartphones und Reporter wie nie zuvor. Der Grund: Ein Wein aus der italienischen Toskana wurde zur ProWein vorgestellt. Sonst kein Grund zum Drängeln – dort gibt es tausende Weingüter. Aber nur eins gehört dem 65-jährigen Pop-Weltstar Sting und seiner Frau Trudie Styler. Die beiden waren persönlich gekommen, um den Messebesuchern den aktuellen Wein "Il Palagio" ihres gleichnamigen Landguts vorzustellen. Sting weiß, wie's geht: So brachte er eine Gitarre mit und spielte für die Gäste drei Songs. Darunter war, na klar, "Message in a bottle". Seine Stimme war allerdings leicht heiser, und so saß nicht jeder Ton. Dem Publikum des Minikonzerts war's egal und feierte ihn.
Auf bekannte Gesichter kommt es an
Der Besuch von Sting zeigt: Um auf der ProWein einen Wein bekannt zu machen, genügt besondere Qualität schon lange nicht mehr. Wer Aufmerksamkeit sucht, braucht ein prominentes Gesicht. So traf es sich prima, dass die 26-jährige Jungwinzerin Juliane Eller aus Alsheim in Rheinhessen schon lange mit zwei sehr prominenten Deutschen befreundet ist: Dem Moderator Joko Winterscheidt sowie dem Kinostar Matthias Schweighöfer. Die beiden kamen nach Düsseldorf, um Ellers Grauburgunder "3 Freunde" an ihrem Messestand vorzustellen. "Der Wein ist wie eine Serie. Man will nicht, dass es aufhört, sondern immer weiter geht", erklärte Matthias Schweighöfer die Beziehung.
Grelle Farben auf Weinetiketten
Inzwischen setzt sich bei vielen Produzenten der Weinwelt durch, dass modern und plakativ gestaltete Etiketten in kräftigen bis grellen Farben im Regal – na was wohl? – Aufmerksamkeit erregen. In Deutschland und Österreich haben das junge Winzer schon vor einigen Jahren verstanden, aber auf dieser Messe waren erstmals viele interessant gestaltete Motive auch auf Flaschen aus bislang sehr traditionell agierenden Ländern wie Frankreich oder Italien zu finden. Dazu passte die Nachricht, dass der berühmte und sehr teure Bordeaux von Château Mouton Rothschild, der seit 1945 seine Etiketten von Künstlern mit Weltrang gestalteten lässt, im nun veröffentlichten Jahrgang 2014 eine Arbeit des 79-jährigen Pop-Art-Künstlers David Hockney trägt.
Edle Weine aus Bordeaux
Nur Aufmerksamkeit zählt: Das haben auch die in den vergangenen Jahren sehr zurückhaltenden Weingutsbesitzer des Bordelais verstanden, die sich in der renommierten Vereinigung "Union des Grands Crus de Bordeaux" zusammengeschlossen haben. In einem etwas abseits gelegenen Konferenzkomplex präsentierten sie ihre nun veröffentlichten Bordeaux-Weine des Jahrgangs 2014. Die Nachricht hatte sich unter den Weinprofis schnell herumgesprochen, denn die nur mit minimalem Aufwand bekannt gemachte Verkostung war ab der Eröffnungsminute dicht gefüllt.
Viele Gutsbesitzer oder Familienmitglieder schenkten selbst aus, darunter viele Weine, die aktuell zwischen 300 und 500 Euro oder sogar mehr kosten. In den vergangenen Jahren waren die aktuellen Jahrgänge von der Union nur sehr selten präsentiert worden – sie verkauften sich ohnehin zu Höchstpreisen von selbst. Doch diese Zeiten sind vorbei, seit in China strenge Anti-Korruptionsregeln gelten, die russische Wirtschaft nicht rund läuft, in den USA die Nachwirkungen der Finanzkrise noch immer zu spüren sind und in Großbritannien der Brexit droht. Da kann ein bisschen Werbung für den Bordaux nicht schaden.
Neue Weinproduzenten durch Klimawandel
Denn der weltweite Wettbewerb nimmt deutlich zu: Betriebe aus immer mehr Nationen zeigten auf der ProWein, was ihre Weinberge zu bieten haben. Darunter waren zwölf Betriebe aus Tschechien, 29 aus Georgien, 17 aus Armenien, neun aus Aserbaidschan, je zwei aus Estland und Finnland, 45 aus Großbritannien, drei aus Indien, 16 aus den Niederlanden sowie vier aus Schweden und der russischen Föderation. Dazu war erstmals auch ein Weingut aus Polen und eins von den Azoren dabei. Die Lage dieser Länder zeigt deutlich, dass sich das Klima wandelt: Polen, Finnland, die Niederlande, Schweden und Estland gehören nun nicht zu den klassischen Anbauländern. Wenn auch die meisten Weine noch nicht mit den Großen der Welt mithalten können, sind ihre Qualitäten oft durchaus überraschend. Daher nimmt auch die Ökologie einen viel größeren Raum als früher ein: Im Bereich "Organic World" zeigten viele ökologisch und biodynamisch arbeitende Betriebe ihre oft hervorragenden bis großartigen Weine und stellten ihre Arbeitsweise vor.
Weißwein wird orange
Auf der ProWein war auch die vierte Farbe des Weins sehr präsent – quer durch die Anbaugebiete der Welt. Neben rot, weiß und rosé zeigen viele Weine eine orangene Färbung. Sie entsteht, wenn Weißweintrauben ähnlich wie Rotweintrauben verarbeitet werden. Statt den Most nach dem Pressen direkt zu vergären, lassen die Weinmacher diese Trauben in einem großen Bottich eine bestimmte Zeit ruhen. Dabei setzt schnell die Gärung ein und löst Farb- und Aromastoffe aus den Beerenhäuten. Rotwein erhält auf diese Weise seine tiefe Farbe, Weißwein wird orange und schmeckt so deutlich anders aus klassischer Produktion. Der "Orange Wine" stammt aus der sehr traditonell arbeitenden Bio-Bewegung in Slowenien und hat sich in Europa zunächst in der urbanen Hipsterszene einen Namen gemacht. Nun ließen sich erstmals "Orange Wines" bei vielen Produzenten quer durch die europäischen Anbaugebiete kosten. Nicht jeder Wein war gelungen – schmeckte aber so anders, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.
Nischengetränk aus Frankreich
Auch beim Schaumwein ließ sich ein ursprünglich von biodynamischen Betrieben in Frankreich stammendes Nischengetränk nun auf der Messe kosten: Pet Nat. Das ist die eingängige Abkürzung für "Pétillants naturels". Der gärende Most wird mit einem bestimmten Restzuckergehalt in die Flasche gefüllt und einfach mit einem Kronkorken verschlossen, ohne ihn zu schwefeln. Durch die Gärung entsteht in der Flasche Kohlensäure, die Hefereste sammeln sich am Flaschenboden und machen den Wein lagerfähig. An einem bestimmten Punkt endet die Gärung, etwas Restzucker bleibt auf diese Weise erhalten. Öffnen, einschenken und kühl das prickelnd-traubige Weinaroma genießen. Vor allem bei den Gütern aus Österreich, Frankreich und bei einigen in Deutschland gab's davon zu kosten. Wir werden davon in den kommenden Monaten und Jahren sicher noch trinken.