Bei Kreuzfahrt schlechte Luft TV-Sender misst hohe Feinstaubbelastung auf Schiff
Sind Kreuzfahrtpassagiere hoher Schadstoffbelastung ausgesetzt? Stichproben eines französischen TV-Senders zeigen extrem hohe Werte. Der Branchenverband hält die Messungen für nicht aussagekräftig.
Ein Jogger läuft auf dem obersten Deck über eine markierte Strecke. Die Reporterin hält ein blaues Messgerät in seine Richtung und liest vom Display ab: 307.000. So viele ultrafeine Partikel pro Kubikzentimeter schwirren genau zu diesem Zeitpunkt durch die Luft, genau diese Dichte atmet der Sportler gerade ein. Zum Vergleich: An einer belebten Stuttgarter Bundesstraße wurden Werte zwischen 25.000 und 30.000 gemessen.
Erstmals Messungen an Bord eines Kreuzfahrtschiffs
Der französische Sender France 3 hat in dem Magazin "Thalassa" über seine Luftschadstoffmessungen an Bord eines Kreuzfahrtschiffes auf einer Mittelmeerreise berichtet. Erstmals seien damit solche Werte dokumentiert, kommentiert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Die deutschen Umweltschützer - oder unabhängige Dritte - hätten bisher solche Messungen auf einem fahrenden Schiff nicht durchführen können, sagt Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspolitik beim Nabu, auch, weil Reedereien ihnen den Zugang nicht gestatteten.
Mit einem Kondensationspartikelzähler haben die französischen Journalisten die Teilchendichte in der Luft an verschiedenen Stellen an Deck des Schiffes bestimmt - unter anderem an dem für Passagiere wohl am meisten durch Schadstoff belasteten Ort: Der Läufer befand sich gerade in der Nähe des Schornsteins. Ebenso wie eine Frau in einem Liegestuhl: Für sie zeigte das Gerät die Zahl von 380.000 an. France 3 nennt weder Schiffsnamen noch Reederei.
Kreuzfahrtverband widerspricht
Helge Grammerstorf, Direktor des Dachverbands der Reeder CLIA in Deutschland, hält diese Ergebnisse für nicht aussagekräftig: "Die Messungen von France 3 sind nur punktuell erfolgt. Um eine Aussage über eine Belastung zu treffen, müsste über eine längeren Zeitraum gemessen werden", sagt er. Entsprechende Messungen von Redereien und Werften hätten ergeben, dass es keine Belastungen der Passagiere über die geltenden Grenzwerte hinaus gibt.
Die ultrafeinen Partikel, die die "Thalassa"-Reporter untersucht haben, sind weniger als 0,1 Mikrometer groß im Durchmesser und daher besonders gesundheitsgefährdend: Während größerer Feinstaub nur bis in den oberen Atemwegen gelangt und dann wieder ausgeschieden wird, können die winzigen Teilchen bis in die Lungenbläschen und den Blutkreislauf vordringen. Die Folgen reichen von Atemwegsentzündungen bis hin zu Lungenkrebs, wie das Umweltbundesamt angibt. Anders aber als für größeren Feinstaub gibt es für Ultrafeinstaub bisher keine Grenzwerte.
Reedereien setzen auf LNG
Neben Feinstaub und Ruß entstehen bei der Treibstoffverbrennung - sowohl bei Kreuzfahrtschiffen als auch bei allen Diesel- oder Schweröl-betriebenen Schiffen weltweit - auch Schwefel- und Stickoxide. Manche dieser Schadstoffe, darunter auch ein Teil der Rußpartikel, können von modernen Abgasnachbehandlungssystemen an Bord schon herausgefiltert und -gewaschen werden. Solche Anlagen aber sind nur auf einem kleinen Teil der Kreuzfahrtschiffen weltweit eingebaut - und wohl auch nicht auf dem in dem "Thalassa"-Beitrag gezeigten.
Einen Filter jedoch, der Ultrafeinstaub aus den Abgasen beseitigt, wird es laut CLIA wohl auch in Zukunft nicht geben: Er sei "bisher nicht lieferbar und kann daher auch nicht eingebaut werden", sagt Grammerstorf. Die Reedereien selber suchten bereits nach alternativen Lösungen und setzen auf Flüssigerdgas (LNG), bei dessen Verbrennung keine Rußpartikel entstehen. Elf Schiffe mit LNG-Antrieb seien bereits bei den Werften bestellt. "Natürlich sind das Entwicklungen, die einen längeren Zeitraum benötigen", sagt der Reederei-Verbandsdirektor.
Die Umweltschützer vom Nabu sind mit dem Tempo der Entwicklung allerdings nicht zufrieden. "Die Messungen decken vermutlich keinen Einzelfall auf, sondern stehen exemplarisch für die Realität an Bord eines Großteils der Flotte sämtlicher Wettbewerber", sagt Oeliger.