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Schreib- oder Druckschrift? Chaos an deutschen Grundschulen


Schreibschrift oder Druckschrift?
An den Grundschulen führt das Chaos den Stift

t-online, dpa, Werner Herpell

Aktualisiert am 03.08.2015Lesedauer: 3 Min.
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Quelle: dpa-bilder

Wie sollen Kinder in der Grundschule schreiben lernen – mit geschwungener Handschrift oder in nüchternen Druckbuchstaben? Spätestens seit Finnland den Übergang zur Druckschrift ankündigte, ist die Diskussion auch in Deutschland neu eröffnet. Die Kultusministerkonferenz gibt keine klare Linie vor, sondern einen unscharfen Kompromiss. Deshalb wird in den Schreibheften deutscher Grundschüler weiterhin Schrift-Chaos herrschen.

In Finnland soll die verbundene Schreibschrift im Herbst 2016 von den Lehrplänen gestrichen werden. Eine stark vereinfachte Schrift mit Druckbuchstaben muss reichen, die Schüler sollen lieber tippen lernen. Weil Finnland vor einigen Jahren bei den Pisa-Tests so gut abgeschnitten hat, gilt es als Bildungsvorbild. Die Finnen begründen die Reform mit den Zwängen der allgegenwärtigen Digitalisierung: "Das flüssige Tippen auf einer Tastatur ist eine wichtige nationale Fähigkeit", erklärt Bildungsexpertin Minna Harmanen. Ähnliche Überlegungen gibt es in den USA und in der Schweiz.

Ziel: "individuelle, gut lesbare und flüssige Handschrift"

In Deutschland empfiehlt der Grundschulverband, Kindern im Unterricht "eine gut lesbare, leicht und flüssig schreibbare Schrift" anzubieten. Diese "Grundschrift" aus Druckbuchstaben ist demnach die Alternative zu den drei älteren und komplizierteren "Ausgangsschriften". Beispiele zeigt die Grafik am Ende dieses Artikels.

Dagegen propagiert der Verein "Allianz für die Handschrift" das Ziel, ein "Kulturgut" zu retten. Es ist ein Streit mit schon fast weltanschaulichen Zügen.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Bundesländer hat am 11. Juni einen Kompromiss formuliert: "Schüler lernen sowohl Druckschrift als auch eine verbundene Schrift und entwickeln ihre feinmotorischen Fertigkeiten." Bis zum Ende der Jahrgangsstufe vier sollten sich die Kinder "eine individuelle, gut lesbare und flüssige Handschrift" aneignen, heißt es in dem Papier. Die Empfehlung lässt allerdings manches offen.

Einen Trend zur neuen Grundschrift mit Druckbuchstaben gibt es in mehreren Bundesländern. Aber selbst Hamburg, oft als Vorreiter genannt, ist noch vorsichtig: "Die Grundschrift als einzige Schrift wird in der Regel bei Lerngruppen angewandt, die besonders schwierige soziale und Lernvoraussetzungen haben", sagt ein Sprecher der Schulbehörde. Einige Länder lassen ihren Lehrern freie Hand. Die Konsequenz: Mit welcher Schrift Grundschüler schreiben, kann sich von Klasse zu Klasse unterscheiden.

Bildungsministerin sperrt sich gegen Schriftreform

Die amtierende KMK-Chefin Brunhild Kurth (CDU) will für eine traditionelle Schrift kämpfen. Denn im Gegensatz zu Buchstaben auf einem Rechner könne man Handschriftliches "nicht einfach löschen, man muss gut überlegen, bevor man schreibt. Damit wird das strukturierte Denken gefördert." Mit Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat Kurth eine wichtige Verbündete, auch wenn Lehrpläne für Grundschulen Ländersache sind. Wanka empfiehlt, dem Pisa-Musterschüler Finnland diesmal die Gefolgschaft zu verweigern: "Nicht alles, was Finnland macht, muss richtig sein."

Lehrer klagen über "Sauklaue"

Eine Umfrage unter fast 2000 Lehrern in Deutschland lieferte kürzlich weitere Argumente für das herkömmliche Schreibhandwerk: Demnach hat die Hälfte der Jungen und ein Drittel der Mädchen Probleme, die gewünschte lesbare und flüssige Handschrift zu entwickeln. Das Ergebnis: Eine "Sauklaue", die viele Lehrer kaum noch entziffern können. Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, will das Problem schon vor der Einschulung angehen: "Wir benötigen mehr Förderung der Grob- und Feinmotorik schon in den Kindertagesstätten und dann in den Grundschulen."

Ähnlich positioniert sich der Verband Bildung und Erziehung (VBE), eine der Lehrergewerkschaften. Auch künftig soll sich jedes Kind "den Mühen der Handschrift unterziehen". Dies sei "ein komplexerer Vorgang als Buchstaben nur per Tastatur aneinanderreihen zu können".

Ilka Hoffmann, in der Bildungsgewerkschaft GEW Vorstandsmitglied für den Bereich Schule, gibt einer Radikalreform wie in Finnland ebenfalls keine Chance. "In Deutschland war es bereits ein weiter Weg, überhaupt erst einmal eine vereinfachte Schrift einzuführen", sagt sie. "Ich bin nicht dafür, dass man das Schreiben mit der Hand nun abschafft und nur noch mit der Tastatur schreibt."

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