Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kommentar Warum alle Schüler die Schreibschrift lernen sollten
Ein Kommentar von Claudia Staub
Immer mehr Schüler haben Probleme mit dem Handschreiben. Mit diesem Ergebnis einer Umfrage ging heute der Deutsche Lehrerverband an die Öffentlichkeit. Unter Eltern gärt schon lange Unmut über die Art des Schreibenlernens an unseren Schulen, zu willkürlich, zu planlos erscheint der Umgang mit dieser wichtigen Kompetenz.
Die Zeiten, in denen eine schlecht leserliche Handschrift als Zeichen von Intelligenz galt ("schreibt wie ein Arzt"), sind lange vorbei. Lehrer sehen heute einen Zusammenhang zwischen der Handschrift eines Schülers und dessen schulischen Leistungen. Tatsache ist aber: Die Schreibmotorik der Schüler hat sich verschlechtert, ihre Schrift ist nicht gut lesbar und die meisten haben Probleme, länger als 30 Minuten beschwerdefrei zu schreiben.
Schuld sind immer die anderen
Woran liegt das? Die Lehrer nennen verschiedene Ursachen. Im Allgemeinen, weil eine "fortschreitende Digitalisierung der Kommunikation" festgestellt wird. Im Besonderen werden Schuldige gefunden: Der Kindergarten ist schuld, weil dort die Feinmotorik der Kinder nicht ausreichend gefördert wird. Die Schulpolitik wird kritisiert, weil sie der sprachlichen Bildung immer weniger Bedeutung beimisst. Besonders dreist: Die Eltern haben versagt, weil sie zu Hause nicht genügend mit ihren Kindern üben.
Gelehrt werden Druckbuchstaben
Wie sieht das Schreibenlernen aus? Die Kinder lernen für jeden Buchstaben, wie man ihn groß und klein in Druckschrift schreibt. Schon bald lassen sich erste Worte aus den gelernten Buchstaben zusammensetzen. Am Ende der ersten Klasse können die Kinder normalerweise schreiben, und zwar in Druckschrift. Daran ist nichts auszusetzen.
Im Ermessen des Lehrers
Problematisch ist, wie es weitergeht. Die Bundesländer stellen es den Lehrern frei, welche Schrift gelehrt wird. Die Zielvorgabe der Kultusministerkonferenz lautet lediglich, dass Schüler in der vierten Klasse "eine gut lesbare Handschrift flüssig schreiben". Dabei muss es sich aber nicht zwingend um die Schreibschrift handeln. Viele Schulen lehren stattdessen die sogenannte Grundschrift, die aus Druckbuchstaben besteht, die nach und nach zu einer eigenen Handschrift verbunden werden sollen.
Ob Schüler überhaupt die Schreibschrift lernen, ist Ermessenssache des Lehrers. Es lernen also längst nicht alle Schüler die Schreibschrift. Und wenn, ist es ihnen überlassen, ob sie sie auch benutzen. Eine gut lesbare, flüssige Handschrift entsteht aber nur, wenn man sie übt und anwendet. Dass Schüler hier den Weg des geringsten Widerstands gehen, ist ihnen nicht zu verdenken.
Erst schreiben, dann tippen
Es stimmt, auch wir Erwachsene messen der Schreibschrift nicht mehr viel Bedeutung bei. Manche Länder wie die Schweiz oder Finnland wollen sie in den Schulen ganz abschaffen. Wir tippen, simsen, scrollen und die Kinder machen es uns nach. Dennoch: Hausaufgaben und Klausuren werden mit der Hand geschrieben und nicht getippt. Im Matheunterricht wird schließlich auch erst das Kopfrechnen geübt, bevor der Taschenrechner zum Einsatz kommt.
Schwungübungen und Schönschreibhefte stammen aus der Mottenkiste der Pädagogik und sind schon lange abgeschafft. Trotzdem haben sie den Weg für das Schreiben geebnet. Wer will, dass Schüler später gut schreiben können, muss rechtzeitig und mit modernen Methoden dafür sorgen, dass allen Kindern die Möglichkeit dazu gegeben wird. Schreiben lernt man in der ersten Klasse. Die Kinder wollen das auch. Die Lehrer sollten sie lassen.