"Lernen, auf eigenen Füßen zu stehen" Lara ist alleine mit vier Kindern
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für Alleinerziehende mit extremen Schwierigkeiten verbunden.
Januar 2015: Seit vier Jahren ist Lara bereits von ihrem Mann getrennt. Beruhigt haben sich die Fronten aber immer noch nicht. Stefan zahlt keinen Unterhalt, holt die Kinder nur sporadisch, macht Versprechen, die er nicht hält und reagiert immer wieder aggressiv und beleidigend. Er kann und will nicht verstehen, warum seine Frau gegangen ist. Auch sein Verhältnis zu den Kindern ist gespalten. "Er hat immer wieder versucht, sie auszuspielen. Gegeneinander, aber natürlich auch gegen mich. Aber Kinder spüren, wer ehrlich ist. Weit ist er damit nicht gekommen." Laras Gesichtsausdruck ist entschlossen: "Mir hat das nur bestätigt, dass es richtig war, mich von ihm zu trennen."
Stimmen von Leuten, die nicht einsehen wollten, wie man sich in ihrer Situation vom Ehemann trennen kann, machten es ihr nicht leichter. "Ich wurde immer wieder komisch angesehen. Aber es hat nicht mehr funktioniert und ich wollte keine Spielchen spielen, nur um eine vermeintlich heile Welt aufrechtzuerhalten."
"Ich musste lernen, auf eigenen Füßen zu stehen"
Dass es nicht einfach werden würde, war ihr klar. Doch die Mittdreißigerin hat ihr Leben trotzdem selbst in die Hand genommen. "Als ich Stefan kennen lernte, war ich ja noch so jung. Er hat alles gemanagt und ich musste erst lernen, auf eigenen Füßen zu stehen." Und zwar schnell, denn die Elternzeit näherte sich dem Ende, das Geld war knapp. "Für mich war es selbstverständlich, dass ich wieder arbeiten gehe und nicht anderen auf der Tasche liege." Aber wie? Lara ist Krankenschwester mit einem Vertrag über drei Schichten.
Doppelt schwierig: Alleinerziehend und Schichtarbeit
Es ist für alle Mütter schon nicht einfach, eine Teilzeitstelle zu finden. Hinzu kommt, dass Berufe mit Schichtdienst sich schwer mit dem Familienleben vereinbaren lassen. Die Alleinerziehende Lara hat keine Oma in der Nähe, die bei der Kinderbetreuung aushelfen könnte. Der Verdienst ist nicht bombastisch, Kinderbetreuung privat zu bezahlen war undenkbar.
"Das hat mich ein paar schlaflose Nächte gekostet. Jonas war erst drei, die beiden mittleren auch noch in der Grundschule, und meiner Großen konnte ich mit ihren zwölf Jahren keinesfalls zumuten, sich um alles zu kümmern, wenn ich arbeiten bin."
Lara kämpfte darum, arbeiten zu dürfen
Ihre erste Anlaufstelle war das Jugendamt. Die Mitarbeiter hörten sich das Problem zwar an, erklärten aber, für Babysitter nicht zuständig zu sein. "Ich bin von A bis Z gelaufen und war so manches Mal den Tränen nahe. Da will man arbeiten, kann auch zurück in seinen Job und findet keine Unterstützung. Bis ich beim Familienbüro gelandet bin und man mich dort darüber aufgeklärt hat, dass ich den Begriff Tagesmutter verwenden müsse und nicht Babysitter. Und dass in Fällen wie meinem die Kosten für die Tagesmutter sogar voll übernommen würden."
Für den Staat sind solche Leistungen eine Investition in die Zukunft, für Lara die Rettung. Sie ist froh, dass sie sich hartnäckig durch den Ämterdschungel und dessen Vokabular gekämpft hat.
Anlaufstelle: Jugendämter und Familienbüros
Die Leistung, die man Lara angeboten hat, ist ein freiwilliges Angebot der Kommunen und wird daher bundesweit unterschiedlich gehandhabt. In der Regel steht sie grundsätzlich jedem offen, der Arbeitszeiten hat, die außerhalb der üblichen Betreuungszeiten liegen und Kinder zu beaufsichtigen hat, die unter 14 sind. Ist der Verdienst dann noch sehr gering, wird die Maßnahme bezuschusst, teilweise wie bei Lara sogar ganz übernommen. Geprüft wird immer der Einzelfall vor Ort, und nicht immer kann der Bedarf gedeckt werden.
Aber auch, wenn man genug verdient, um selbst zu bezahlen, kann man die Vermittlungshilfe der Jugendämter beziehungsweise Familienbüros in Anspruch nehmen. Die Kosten für die Tagesmutter kann man später zu einem großen Teil von der Steuer absetzen. Denn Kinderbetreuungskosten können für Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden.
Die Tagesmutter ließ die Familie im Stich
Schon wenige Tage nach ihrem Anruf beim Familienbüro hatte Lara die Telefonnummer einer Tagesmutter, die bereit war, auch nachts bei den Kindern zu bleiben. "Nur leider hatte sie keine Erfahrung mit älteren Kindern. Sie war, das kann man nicht anders sagen, komplett überfordert. Wenn ich nach Hause kam, hatte es oft Streit gegeben und es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Man geht nicht gerade beruhigt zum Arbeiten, wenn man weiß, was daheim schief läuft." Immer häufiger kamen Ausreden der Tagesmutter, warum sie nicht kommen könne. Und eines Tages meldete sie sich so plötzlich krank, dass die vier Kinder ohne Wissen der Mutter um halb sechs Uhr morgens alleine dastanden.
"Meine Große hat alles übernommen, sie wollte mich nicht bei der Arbeit stören. Sie hat Frühstück gemacht, René und Melissa in die Schule geschickt, Jonas in den Kindergarten gebracht und nach der Schule war sie gleich einkaufen. Eine Freundin von mir hat das mitbekommen und ist Gott sei Dank dann eingesprungen."
Das Familienbüro reagierte schnell
Genauso schnell reagierte das Familienbüro. Bereits kurze Zeit später präsentierte die Behörde der Großfamilie eine weitere Tagesmutter. "Die Kinder sind total glücklich mit der Lösung. Sie besuchen Sabine sogar manchmal an den Tagen, an denen ich gar nicht arbeite", freut sich Lara. Haus und Garten der Tagesmutter stehen den vier Kindern, deren eigenes Zuhause in einer tristen Siedlung liegt, offen. Sie sind immer willkommen.
Lara ist froh, in Sabine eine Ansprechpartnerin gefunden zu haben. Jemand mit viel Erfahrung, der sich mit ihr über die Kinder austauscht, der auch mal einen Rat für sie hat, und dem sie sich anvertrauen kann.
So hat sich Laras Situation entwickelt
Juli 2016: Die Kinder sind eineinhalb Jahre älter. Das hat Vor- und Nachteile: Sie sind selbständiger, aber auch die Ausgaben für ihren Alltagsbedarf steigen. Die alleinerziehende Mutter arbeitet jetzt länger: "Meine Stunden in der Arbeit habe ich aufgestockt, von 50 auf 85 Prozent. Auf der einen Seite werden die Ansprüche der Kinder, je älter sie werden, natürlich auch höher. Zum anderen passiert es mir jetzt nicht mehr, dass der Geldautomat am Ende des Monats nichts mehr ausspuckt", erzählt Lara.
Sie konnte ihre Schulden abarbeiten und es bleibt ihr sogar noch ein bisschen Geld übrig. So kann sie sich ab und zu den kleinen Luxus gönnen, mal mit Freundinnen auszugehen.
Glücksfall bei der Kinderbetreuung
Sabine ist immer noch die Tagesmutter der Kinder. Ein Glücksfall für Lara. "Mit der Kinderbetreuung funktioniert alles nach wie vor wunderbar. Selbst die Große hat dort jederzeit eine Anlaufstelle, obwohl sie inzwischen über 14 ist und ihre Betreuung vom Jugendamt nicht mehr bezahlt wird."
Die Mutter kann darauf zählen, dass ihre Älteste schon relativ selbstständig ist. Trotzdem erleichtert es sie, dass die Tagesmutter für die Tochter da ist.
Wenn die Tagesmutter erkrankt oder in Urlaub fährt, würde das Familienbüro theoretisch für Ersatz sorgen. "Aber jemanden zu finden, der das so mitmacht, durch alle Schichten durch, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit", weiß Lara.
Bis jetzt ist alles gut gegangen, aber dazu trägt auch die Kooperation von Laras Kollegen bei, die notfalls auch mal einen Dienst tauschen, wenn die Tagesmutter verhindert ist.
Kontakt zum Vater abgebrochen
Auf zuverlässige finanzielle Unterstützung vom Vater können die vier Kinder nicht zählen. "Wir haben den Kontakt abgebrochen. Er zahlt seit Jahren nicht freiwillig, immer wieder kommt es zu Lohnpfändungen. Inzwischen ist er nicht einmal mehr gemeldet", erzählt Lara.