Umgangsrecht und Sorgerecht "Ich bin ihm fremd, auch wenn ich sein Vater bin"
Markus hat seinen sechsjährigen Sohn erst elfmal kurz gesehen. Sein sehnlichster Wunsch ist es, einmal unbeschwert mit ihm zu spielen. Andreas ist Teilzeitvater, seine Zwillinge wohnen tageweise bei ihm, dann zieht wieder Einsamkeit ein. Wie belastend es für Väter ist, nach dem Bruch der Partnerschaft von ihren Kindern getrennt zu sein, schilderte die TV-Doku "Ich will trotzdem Vater sein" aus der Reihe "37 Grad" im ZDF.
Im Jahr 2012 waren nach Zahlen des statistischen Bundesamts rund 143.000 minderjährige Kinder von einer Ehescheidung betroffen. Jedes fünfte minderjährige Kinder lebt bei einem alleinerziehenden Elternteil. Der Streit um Unterhalt, Sorgerecht und Umgangsrecht schadet oft der Beziehung zwischen Vater und Kindern. Über 40 Prozent der Väter verlören schon im ersten Trennungsjahr den Kontakt, heißt es in der "37-Grad"-Sendung.
Doppelresidenz-Modell für Trennungskinder
Bei Andreas (48) und Ines (43) soll das nicht passieren. Ihre achtjährigen Zwillinge Paul und Moritz sollen möglichst wenig unter der Trennung leiden und mit beiden Elternteilen aufwachsen. Sie praktizieren das sogenannte Doppelresidenz-Modell: Die getrennten Eltern teilen sich gleichberechtigt die Betreuung und die Kinder pendeln zwischen Mutter und Vater. In beiden Wohnungen haben sie ein Kinderzimmer und ein Alltagsleben. Das klingt harmonisch, ist es aber nicht.
Immer wieder brechen Konflikte auf
Zwar stimmen die Rahmenbedingungen bei Ines und Andreas - die Bereitschaft der Ex-Partner, trotz verletzter Gefühle miteinander umzugehen, und die räumliche Nähe der Wohnungen. Trotzdem brechen bei Eltern und Kindern immer wieder Konflikte auf, jeder leidet auf seine Weise unter dem Trennungsschmerz.
Die "Kindertage" müssen mit den Schichtplänen der Eltern und Stundenplänen der Kinder koordiniert und gerecht verteilt werden. Schnell bricht Unmut hervor, wenn sich ein Elternteil übervorteilt fühlt. Andreas muss sich daran gewöhnen, "Mama und Papa gleichzeitig zu sein", wenn die Kinder bei ihm wohnen. Haushalt und Kinderbetreuung waren während der 23-jährigen Partnerschaft die Aufgabe von Ines. Er hat seine Arbeitszeit reduziert, um intensiver am Leben der Kinder teilhaben zu können. Wenn die Kinder ihre Rucksäcke packen, um zum anderen Elternteil zu pendeln, bleibt der andere einsam zurück.
Paul (8): "Plötzlich ist alles zusammengebrochen"
Die Zwillinge können sich nicht damit abfinden, dass die Familie auseinandergebrochen ist. Paul wünscht sich "dass wir noch einmal alle zusammen in den Urlaub fahren." Für das getrennte Paar ist das undenkbar, aber den Kindern zuliebe vereinbaren sie, mehr Feste und Feiertage zu viert zu verbringen. Immer wieder blättern die Kinder in Familienalben und schauen sich die Fotos aus glücklichen Zeiten an. Der achtjährige Paul sagt Sätze, die für sein Alter ungewöhnlich sind: "Unsere Großeltern haben ja jetzt die Goldene Hochzeit geschafft. Ich dachte, das funktioniert bei unseren Eltern auch. Und auf einmal ist alles zusammengebrochen."
Sein Bruder Moritz verarbeitet die Trauer stumm, zeigt aber zunehmend aggressive Züge - für Ines ein Zeichen, dass alle Familienmitglieder mit der Situation überfordert sind. Sie überzeugt den widerstrebenden Andreas von der Notwendigkeit professioneller psychologische Betreuung, damit Eltern und Kinder den Verlust besser verarbeiten lernen.
Markus will Vater sein - und darf es nicht
Der zweite Fall aus dem TV-Betrag zeigt, wie ein Vater leidet und kämpft, um regelmäßigen Umgang mit seinem Kind zu pflegen, wenn die Mutter dies nicht zugestehen will. Der 45-jährige Markus war nur kurz mit der Mutter seines Kindes zusammen. Aber trotzdem möchte er seine Rolle als Vater ausleben. Er hat die Vaterschaft anerkannt und zahlt pünktlich den gesetzlichen Unterhalt gemäß Düsseldorfer Tabelle, 299 Euro im Monat. Die Mutter hat das alleinige Sorgerecht. Markus steht das Umgangsrecht zu, doch die Ex-Partnerin erschwert den Kontakt zwischen Vater und Sohn.
Um seinen mittlerweise sechsjährigen Sohn wenigstens für ein paar Stunden zu sehen, muss Markus 1300 Kilometer in den hohen Norden fahren. Ob das Treffen zustande kommt und wie lange es dauert, liegt in der Macht der Mutter. Sie gewährt nur Begegnungen in ihrem Beisein, nur am Strand, nie in der Wohnung. Gemeinsames Familienleben, Alltag mit seinem Kind hat Markus nie erlebt. Es besitzt nur eine Handvoll Fotos und die Erinnerung an elf flüchtige Begegnungen.
"Traurig reicht nicht. Es ist viel schlimmer", so beschreibt der verhinderte Vater vor der TV-Kamera seine Verlustgefühle. Seine Gedanken kreisen ständig um seinen Sohn und den Wunsch, ihn in sein Leben einzubeziehen. Das belastet zuweilen die Beziehung zur neuen Partnerin, die mit ihren beiden Töchtern bei Markus eingezogen ist. Die Ersatzfamilie kann die Trennung vom leiblichen Sohn nicht völlig kompensieren.
Getrennte Elternteile haben Umgangsrecht
Beide Elternteile haben ein Recht auf Kontakt und Umgang mit ihren Kindern - auch wenn ein Elternteil das alleinige Sorgerecht hat. Das bedeutet, dass der leibliche Vater auch gegen den Willen der Mutter sein Kind regelmäßig sehen darf. Das Umgangsrecht basiert auf dem Gedanken, dass es für die normale Entwicklung eines Kindes wichtig ist, dass es regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen hat, auch wenn diese getrennt leben. Es kann nur eingeschränkt oder unterbunden werden, wenn dadurch das Wohl des Kindes gefährdet ist. Diese Entscheidung trifft das Familiengericht. Es kann auch anordnen, dass ein Elternteil nur im Beisein einer dritten Person Umgang mit dem Kind haben darf.
Umgangsrecht vor Gericht erstritten
Lange hatte Markus sich vor einem Rechtsstreit mit der Mutter des gemeinsamen Kindes gescheut. Schließlich wendet er sich an eine Anwältin, die ihm hilft, seine Rechte als Vater zu erlangen. Sie formuliert einen Antrag auf regelmäßigen Umgang: Regelmäßige achtstündige Treffen zwischen Vater und Sohn ohne Beisein der Mutter, wöchentlich ein Telefonat und später auch gemeinsame Wochenenden mit Übernachtung.
Nach der Verhandlung vor dem Amtsgericht freut sich Markus über einen ersten Erfolg. Das Gericht spricht ihm regelmäßige Treffen mit seinem Kind zu, zunächst im Beisein einer Person vom Kinderschutzbund, später alleine - wenn sich Vater und Sohn besser kennen gelernt haben. Markus schmerzt die Erkenntnis, dass er für sein Kind ein Fremder ist. Der Traum des Vaters, seinen Sohn auch einmal bei sich zu Hause zu haben, liegt noch in unerreichbarer Ferne.