Jugendwort des Jahres Streit um den "Babo": Dieses Jugendwort gibt es wirklich
"Babo" wurde zum Jugendwort des Jahres 2013 gewählt. Das Wort bedeutet so viel wie Boss oder Anführer und erinnert an den türkischen Baba (Vater) und wird vor allem in kurdischen Gebieten der Türkei benutzt. Hierzulande bekanntgemacht hat den Begriff der deutsch-kurdische Rapper Haftbefehl aus Offenbach mit seinem Lied "Chabos wissen, wer der Babo ist" (Jungs wissen, wer der Boss ist). Nun spaltet die Jugendwortwahl jedoch Sprach- und Jugendforscher.
Bild der Jugend wird ins Negative gezogen
"Babo" wurde von Jurymitgliedern "jeden Alters, die sich auf ganz unterschiedliche Art mit Sprachen beschäftigen", an die Spitze der Top-Fünf-Begriffe gewählt, wie der Langenscheidt-Verlag bekanntgab. Von der Wahl hält Jugendforscher Wolfgang Gaiser vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München nicht viel. "Wenn Spaßformulierungen herausgehoben werden, als ob sie das Sprach- und Denkniveau der Jugend heute wären, verzerrt dies das Bild über die Jugend von heute", sagt Gaiser. "Wir haben aber eine gut ausgebildete, weltoffene, sprachkompetente Jugend in Deutschland." Wenn "unter solchen komischen Labels" der Eindruck erweckt werde, dass dies die Kommunikationsformen und die Themen seien, sei das nicht angemessen. Auf diese Weise werde das Bild der Jugend ins Negative gezogen.
Mit der alljährlichen Wahl wirbt der Verlag auch für sein Lexikon "100% Jugendsprache". "Mit solchen Spielereien Aufmerksamkeit für Verlagsprodukte zu erzielen und Leserschaften zu binden, ist ein geschickter Marketing-Gag", meint Gaiser. "Die Jugend" gebe es in dieser Form ohnehin nicht, sondern viele verschiedene Jugendszenen.
Keine Sorge um die Allgemeinsprache
Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) bezeichnete die Wahl hingegen als eine schöne Idee. Der Leiter der GfdS-Sprachberatung, Lutz Kuntzsch, sagt aber auch: "Das Ganze ist ein Sprachspiel. Ich würde daraus nicht ableiten, dass die Jugend tatsächlich so spricht." Dass das Wort nun in die Allgemeinsprache aufgenommen wird, glaubt er nicht. "Ich vermute, dass das Wort etwas mehr frequentiert wird, die Wahl aber keinen großen Einfluss auf die langfristige Verbreitung haben wird." Deshalb brauche auch niemand befürchten, dass die Jugendsprache die Allgemeinsprache verhunze.
Kuntzsch selbst hatte das Wort "Babo" erst einmal im Interview mit einer Studentin gehört - Ziel erreicht: Denn laut Gaiser vom DJI, der das Wort auch nicht kannte, soll genau das mit Jugendsprache erreicht werden: Abgrenzung von Erwachsenen und anderen Jugendlichen.
Haftbefehl: "Ich will den Slang der Straße den Leuten näher bringen"
Dass der Ausdruck "Babo" allerdings tatsächlich benutzt wird, macht der Mann deutlich, der ihn populär machte: "Die Wahl ist eine große Ehre und freut mich sehr", sagt Rapper Haftbefehl, "aber ich habe das Wort natürlich auch nicht erfunden. Wir haben das von klein auf benutzt."
"Ich will den Slang, den wir auf der Straße benutzen, den Leuten näher bringen, die aus einer ganz anderen Schicht stammen", erläutert der 27-Jährige weiter. Es gehe dabei um Wörter, die bei Migranten etwa in Frankfurt im tagtäglichen Gebrauch seien. "Wir können auch Hochdeutsch. Aber wir begrenzen uns eben nicht auf Deutsch oder Türkisch oder Persisch oder Wörter aus dem Balkan, sondern wir benutzen das alles gleichzeitig."
Endlich ein Jugendwort, das man kennt
Eine weitere Befürworterin der diesjährigen Jugendwort-Entscheidung ist Heike Wiese, die als Professorin für Deutsche Sprache der Gegenwart in Berlin Kiezdeutsch erforscht. Zu der Wahl sagt sie: "Es hat mich positiv überrascht, weil es ein Wort ist, das man kennt. Früher kannte die Jugendwörter des Jahres, etwa "Gammelfleischparty", niemand." Der Verlag wolle das Thema Jugendsprache in die Medien bringen und lässt Vorschläge im Internet einreichen, was das Humorige fördere: "Das ist keine sprachwissenschaftliche Methode, soll es ja aber auch nicht sein. In diesem Fall hat es aber funktioniert. Vielleicht eher ein Zufallstreffer, aber das Wort wird tatsächlich auch von Jugendlichen verwendet."
Wiese hat das Wort schon als Anrede gehört, zum Beispiel in "wie geht's, Babo?" Das gehe dann in Richtung "Chef" und werde ironisch gebrochen benutzt: "Im Berlinerischen wäre es mit 'Meister' zu vergleichen."
Beleidigend ist "Babo" jedenfalls nicht. Zumindest, wenn man kein koreanisch spricht: Da heißt "Babo" nämlich nicht Vater oder Boss, sondern Dummkopf oder Narr.