Aktiv- & Skiurlaub Cerro Torre in Patagonien: Team um "Huberbuam" Thomas gelingt Winterbesteigung
14 Jahre lang stand keiner mehr auf diesem Gipfel - zumindest im tiefsten Winter. So lange ist die letzte Winter- besteigung des Cerro Torre (3128 Meter) in Patagonien her. Nun hat ein Quartett aus erfahrenen Bergsteigern den sturmumtosten Berg erklommen. Wie beim ersten Mal war der bekannte Schweizer Bergsteiger Stephan Siegrist mit von der Partie, begleitet wurde er von Deutschlands Kletter-Ass Thomas Huber sowie dem Eiger Nordwand-Rekordhalter Dani Arnold und dem einheimischen Bergsteiger Matias Villavicencio (Tibu). Die beeindruckenden Bilder der Winterbesteigung des Cerro Torre sehen Sie in unserer Foto-Show.
Patagonien / Cerro Torre: erste Winterbesteigung nach 14 Jahren
Im Sommer sieht man den Cerro Torre vor lauter Bergsteigern kaum - der 3128 Meter hohe Berg in Patagonien ist äußerst beliebt. Mythen umranken den schroffen Gipfel, steil ragt er von allen Seiten in die Höhe. Das mag wohl der Grund sein, warum es lediglich drei bekannte Besteigungen gibt, die unter den extremen Bedingungen des Winters stattgefunden haben. Am 30. Juli 2013 war es nun endlich wieder so weit: Nach 14 langen Jahren, in denen der Gipfel des Cerro Torre im Winter unberührt blieb, hat eine Expedition die Winterbesteigung gemeistert. Von El Chalten aus, dem letzten Dorf vor der Torre-Gruppe, begann das Team aus erfahrenen Kletterern und den zwei Helfern Luis und Hector Soto mit der kompletten Ausrüstung am frühen Morgen des 28. Juli den Aufstieg.
Initiator war der deutsche Spitzenkletterer Thomas Huber, der sich mit dem einheimischen Bergsteiger Matias Villavicencio (Tibu) zusammengetan hatte. Er holte sich noch einen Altbekannten des Torre ins Boot - den Schweizer Bergsteiger Stephan Siegrist, der bereits bei der gelungenen Winterbesteigung vor 14 Jahren dabei war. Waren seine Erfahrungen für das Gelingen der Expedition besonders wertvoll? Thomas Huber: "Jede Expedition profitiert vom Know-How eines Einzelnen. Mit den ganzen Erfahrungswerten, die wir alle bezüglich des Bergsteigens in Patagonien haben, ist es uns gelungen, innerhalb von drei Tagen - von El Chalten aus gerechnet - auf dem Gipfel zu stehen." Dafür nutzen die vier Bergsteiger ein Schönwetterfenster Ende Juli/Anfang August.
Thomas Huber: "Wir hatten Glück, wir waren schnell"
War es das, was das Team von anderen, gescheiterten Expeditionen unterschied? Nur das Wetter, reiner Zufall? Thomas Huber: "Wir hatten Glück, wir waren schnell, wir waren ein super Team. Es hat sich keiner in den Vordergrund gerückt. Wir haben alle gemeinsam das eine Ziel fokussiert: das Wetter 100 Prozent auszunutzen und den Gipfel des Torre zu erreichen."
Leicht war das allerdings nicht, wie uns der ältere der zwei "Huberbuam" vor Augen führt: "Der Torre ist kein Spaziergang, jeder Meter - speziell im Winter - ist fordernd. Von allen Seiten ragt dieser Berg über 1000 Meter senkrecht empor, er ist schwierig zu besteigen, aber mit den heutigen Mitteln und dem Können vieler Bergsteiger machbar. Die einzige manchmal unkalkulierbare Komponente ist in Patagonien das Wetter. Nirgendwo auf der Welt hat das Wetter eine Dynamik wie hier in Patagonien. Stürme, die aus dem Nichts kommen und bis zu 100 km/h stark sind, sind in diesen Regionen keine Seltenheit. Aber dieser Berg, speziell diese Route, ist einzigartig auf der Welt und es ist ein Geschenk, bei gutem Wetter durch diese Eispilze zu steigen."
Stephan Siegrist: "Die Ferrari-Route ist einfach ein Traum"
Von den Eisskulpturen zeigte sich auch der Wiederholungstäter Stephan Siegrist fasziniert: "Wir befanden uns in einer Märchenlandschaft von unwirklichen Eisgebilden. Die Ferrari-Route ist einfach ein Traum! Für mich war es immer wieder ein Wunsch, diese Route in dem unwirklichen Gelände nach 1999 noch einmal klettern zu dürfen. Nun, 14 Jahre nach unserer ersten Winterbegehung der Ferrari-Route und der zweiten Winterbesteigung des Cerro Torre überhaupt, durfte ich wieder hier sein. Meines Wissens hat der Cerro Torre seit meinem letzten Besuch keine weitere Winterbesteigung gesehen."
Der Cerro Torre ist schwer zu besteigen
Warum eigentlich, haben wir Thomas Huber gefragt: "Der Cerro Torre ist einfach ein besonderer Berg. Wer einmal vor dem Torre gestanden ist, weiß warum. Dazu braucht es keine Worte. Warum erst nach 14 Jahren? Vielleicht weil keiner Lust hatte, den Torre in der kalten Jahreszeit zu besteigen." Und ihr hattet Lust? "Das Winterbergsteigen in Patagonien ist etwas Besonderes. Für mich ist genau das Patagonien, und mit Sicherheit war ich nicht das letzte Mal dort! Vielleicht ist das Risiko sogar geringer als im Sommer, weil man in der kalten Jahreszeit den durch die Sonneneinstrahlung hervorgerufenen Eisschlag vernachlässigen kann."
Wo keine Sonneneinstrahlung ist, ist in der Regel auch nicht viel Wärme. Stephan Siegrist erzählt trotzdem von einer „angenehmen“ Nacht in dem Adlerhorst. Für uns Normalbürger kaum vorstellbar: Wie hält man diese andauernde Kälte aus? Thomas Huber: "Wir haben nicht nur unser Training auf das Projekt abgestimmt. Auch das Material wurde sorgfältig ausgewählt. Wir hätten Schlafsäcke und gute, warme Bekleidung dabei. Würden wir die lange Biwak-Nacht von über zwölf Stunden ununterbrochen zittern vor Kälte, könnten wir am Tag keine Leistung abrufen."
Das "perfekt funktionierende Team" um Stephan Siegrist
Und sie haben enorme Leistungen abgerufen, das "perfekt funktionierende Team" wie uns Stephan Siegrist begeistert erzählt: "Wir hatten eine super Zeit zusammen, was bei vier 'Alpha-Tieren' auch nicht selbstverständlich ist." Wir haben den Schweizer Bergsteiger gefragt, wie er die zweite Winterbesteigung im Vergleich zu seinem ersten Erfolg am Cerro Torre sieht: "Da die erste Begehung längere Zeit beanspruchte, da wir einem Sturm beigeben mussten, für lange Zeit nur unter uns Vieren im Dunkeln saßen und die Stürme abwarten mussten, hat diese Besteigung mich schon sehr geprägt. Doch bedeuten mir beide Begehungen sehr viel. Ich hatte immer den Traum diese schöne Tour noch einmal klettern zu dürfen."
1999 - 2013: Abbrechende Gipfel, Internet und leichte Ausrüstung
Hast du denn Patagonien, den Cerro Torre überhaupt noch wieder erkannt? 14 Jahre sind eine lange Zeit... "Es hat sich viel verändert. Das fängt schon in Chalten an: Heute gibt es Unterkünfte, die man auch im Winter bewohnen kann (auch wenn wir dazu nicht kamen), und man hat Internet im ganzen Dorf. Die Bergsteiger können so Wettermodelle beziehen und eine vernünftige Vorhersage machen. Dabei ist natürlich Charly Gabl als Meteorologe immer noch ein wichtiges Backup für eine definitive Wetterprognose. Moralisch eine sehr große Erleichterung - wer schon mal einen richtigen Sturm in Patagonien erlebt hat, weiß wovon ich spreche!
Wesentlich verändert hat sich auch das Bergsteiger-Material: Es ist leichter und technisch besser geworden. Ich denke da auch an kleinere Ausrüstungsgegenstände wie die LED-Lampen und Lithium-Batterien. 1999 mussten Thomas Ulrich und ich nach 14 Tagen in der Glaziologen-Hütte hinter dem Passo del Viento verharren und den 14 Stunden-Weg nach Chalten und zurück antreten, nur um Batterie-Nachschub zu besorgen. Am Berg haben sich insbesondere die Seillänge auf den 'Helm' und die letzten vier Seillängen zum Gipfel verändert. Der Helm weißt nur noch wenig Frost auf. Zur Zeit steigt man viel früher auf den Nordgrat- und den Gipfelpilz kann man im Moment in recht gutem Eis angehen (weniger Reif). Dazu hat nach dem Jahr 2000 der westliche Pilz-Gipfel begonnen sich abzuspalten und ist schließlich abgebrochen."
Aufstieg zum höchsten Punkt des Torre: "Wir sind so glücklich!"
Etwas anderes ist aber definitiv nicht wie damals: Kein Wind pfeift um den Gipfel, als die vier Bergsteiger ihn am frühen Abend des dritten Tages nach dem Aufbruch in Chalten erreichen. Die letzten zehn Meter vom Gipfelplateau auf den höchsten Punkt des Cerro Torre legen sie ungesichert zurück. Stephan Siegrist: "Ein weiteres unvergessliches Erlebnis in Patagonien! Wir sind so glücklich!" Noch glücklicher als bei der Begegnung mit den Brüdern Hector und Luis Soto, die den Gipfelstürmern auf dem Rückweg mit Brot, Salami und Bier entgegeneilten, wollen wir von Thomas Huber wissen: "Alles ist schön, weil eben alles, jeder Moment zusammengehört. Das geht schon in der Heimat los: das Packen, der Flug, die Spannung, das Ungewisse, die Fahrt nach Chalten, die Vorfreude, das Klettern der Gipfel, der endlose Weg zum Marconi und das erste Bier… Einfach alles! Es war genial, mit guten Freunden über den Torre eine perfekte Zeit erlebt zu haben."
Thomas Huber: "Lasst euch überraschen"
"Perfekter" als andere Winterbesteigungen, Routen, Gipfel? "Jeder Berg, jedes Abenteuer hat eine besondere Note. Ob Baffin, Karakorum, Yosemite oder Antarktis, jede Expedition war außergewöhnlich und perfekt. Patagonien ist für mich jedoch immer etwas Besonderes. Was vielleicht vor acht Jahren noch der Yosemite war, ist für mich heute Patagonien. Ich bin dort noch nie gescheitert, auch wenn ich mal ohne Gipfel wieder die Heimreise antreten musste. Ich hatte immer eine besondere Zeit, die mich im Leben einen Schritt weiter brachte." Und das auch ohne den häufigen Kletterpartner und jüngeren Bruder: "Alexander hatte in diesem Sommer einen anderen Plan. Wir werden in Zukunft viel zusammen am Weg sein, aber hin und wieder gehen wir eigene Wege. Das ist auch gut so." Zum Abschluss wollen wir von dem bayerischen Profikletterer noch wissen, auf welche Besteigungen und Gipfel wir uns schon freuen können: "Wo es hingehen wird? Vielleicht… Lasst Euch überraschen! Wir haben noch so viele Pläne und wenn es die Gesundheit zulässt, schaffen wir auch den ein oder anderen Gipfel."
Fakten zur dritten Winterbesteigung des Cerro Torre
Zweite Winterbesteigung der Ferrari-Route, dritte Winterbesteigung des Cerro Torre.
Team:
Dani Arnold, Schweiz, www.daniarnold.ch
Thomas Huber, Deutschland, www.huberbuam.de
Stephan Siegrist, Schweiz, www.stephan-siegrist.ch
Matias Villavicencio „Tibu“, Argentinien.
Helfer für Materialtransport: Luis und Hector Soto
Zeitlicher Ablauf:
27.7.2013: Ankunft El Chalten
28.7.: Marsch ins Niponino
29.7.: Aufstieg zum Col Stanhardt und Abseilen Richtung "Circo de los Altares", anschließend Aufstieg Richtung "Filo Rojo". Biwak im "Adlerhorst".
30.7.: Aufstieg zum Gipfel des Cerro Torre (3128 Meter) über die Ferrari-Route und Abstieg bis zum "Adlerhorst".
31.7.: Abstieg via Circo de los Altares aufs Inlandeis und dann über den Marconi-Gletscher bis zum Lago Electrico: Biwak.
1.8.: Rückmarsch über Piedra del Fraile nach Chalten.