Fernreisen Jetzt fertig: Österreichisches Bergidyll im subtropischen China
Plagiat im ganz großen Stil: Im Süden Chinas ist am Samstag die Nachbildung des österreichischen Bergdorfs Hallstatt eingeweiht worden. Die Baufirma "Minmetals Land" hat in der subtropischen Provinz Guangdong die 900-Einwohner-Gemeinde mit Kirchturm, Dorfplatz, pastellfarbenen Häusern und Engelsstatuen nachgebaut. Hallstatt im Salzkammergut gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Zu der Zeremonie in der neu errichteten Wohnanlage für wohlhabende Chinesen war auch eine Delegation aus Österreich angereist. Der Hallstätter Bürgermeister Alexander Scheutz unterzeichnete ein Abkommen über kulturellen Austausch und sagte, er sei "sehr stolz", dass sein Dorf in China nachgebaut wurde.
Andere Hallstätter sehen die Kopie am anderen Ende der Welt kritischer. "Sie hätten die Besitzer der Hotels und der anderen Gebäude fragen sollen, ob sie mit der Nachbildung von Hallstatt in China einverstanden sind. Aber das haben sie nicht getan", klagte Hotel-Betreiberin Monika Wenger vor der Eröffnungszeremonie. "Das ist das Problem, das wir mit diesem Projekt hier haben."
Auch die chinesischen Nachbarn des neuen Hallstatts sehen das Alpenidyll in Südchina durchaus skeptisch. "Chinesische Architektur ist sehr charakteristisch und stilvoll", sagte zum Beispiel Zhong Ping. "Man sollte einfach in seinem eigenen Stil bauen. Warum müssen wir andere kopieren? Selbst die Blumen sind falsch, das sehe ich auf den ersten Blick."
Fehler im Detail
Um die Illusion zu perfektionieren, haben die Planer und Bauarbeiter keine Mühen gescheut. Neben den sehr detailgetreuen Nachbauten der Gebäude sollen extra Pferdegespanne und Tauben importiert werden. Auch österreichische Bäume wurden schon eingeflogen, dafür Bambus und andere subtropische Fauna entfernt.
Für die Zukunft versprechen Werbebroschüren ganzjährig blühende Alpenblumen, eine Wiener Konditorei, eine Art Hofbräuhaus und einen romantischen Dorfplatz. Hochwertige europäische Restaurants und eine internationale Schule sind ebenfalls versprochen, sowie ein Swimming Pool auf dem Gipfel eines der umliegenden Hügel. Allerdings fanden sich zunächst kaum Käufer der Nachbau-Häuser.
Im Detail haben sich allerdings auch Fehler eingeschlichen: So sieht die Kirche zwar fast wie das Original aus, doch als Kirche wird sie wegen der in China eingeschränkten Religionsfreiheit kaum genutzt werden. Laut dem chinesischen Makler soll sie stattdessen entweder als Restaurant, Sporthalle oder Konzertsaal dienen. Außerdem wird das chinesische Hallstatt eine Nachbildung der Getreidegasse enthalten, in der Mozart geboren wurde. Das Original findet sich allerdings nicht in Hallstatt, sondern natürlich in Salzburg.
Auch die Umgebung lässt die Hallstatt-Nachbildung surreal erscheinen. So ist der künstlich angelegte See nur ein Fünftel so groß wie der echte Hallstätter See und - wie Fotos zeigen - alles andere als ein klarer Bergsee. Er ist ziemlich verschlammt. Und wird das österreichische Original im Salzkammergut von majestätischen Alpengipfeln umrahmt, müssen bei der asiatischen Kopie ein paar braune Hügel herhalten. Auch mit frischer Bergluft oder weiter Aussicht kann die Nachahmung nicht punkten. Die Dorf-Kopie liegt in der Provinz Guangdong, die vor allem für ihre Industrieanlagen bekannt und wo die Luftverschmutzung besonders hoch ist.
Oft kopiert, selten verkauft
Weder die Kopien europäischer Vorbilder, noch die schlechten Verkaufszahlen sind jedoch in China etwas Neues. Auch die Wohnungen des 2006 erbauten Stadtteils German Town Anting in der Nähe Schanghais verkaufen sich kaum. Die von einem deutschen Architekturbüro geplante Siedlung sieht aus wie eine typische mittelgroße deutsche Stadt, mit vom Bauhaus-Stil inspirierter Architektur und Platz für 20.000 Einwohner.
Im Jahr 2005 entstand in der Nähe von Chengdu British Town, die das englische Dorchester kopiert. Ein Jahr später wurde Thames Town in der Nähe von Shanghai fertiggestellt, eine naturgetreue Nachbildung eines englischen Städtchens. Auch hier stehen die Gebäude leer, die künstlich-pittoreske Kulisse dient heute hauptsächlich für Hochzeitsfotos.
Und nur 75 Kilometer vom chinesischen Hallstatt finden sich Villen im Schweizer Stil, die seit fünf Jahren fertig sind und trotzdem noch keine Käufer gefunden haben. In Österreich nimmt man die Kopie - von den Kritikern abgesehen - gelassen. Auf der Website des echten Hallstatt prangt der Slogan: "Millionenfach fotografiert - einmal kopiert - nie erreicht".