In der Hauptstadt der alten Hethiter Deutsche Forscher entdecken neue Sprache
Was muss das für ein Gefühl sein? Wenn man etwas entdeckt, das längst vergessen war. Deutschen Forschern ist solch ein Sensationsfund gelungen.
Rund 30.000 Keilschrifttafeln haben Archäologen in den vergangenen 100 Jahren in der alten Hethiter-Hauptstadt Hattuscha (Türkei) ausgegraben. Nun fiel ihnen eine Tafel in die Hände, die eine Sensation barg.
"In einem Ritualtext, der in hethitischer Sprache verfasst ist, ist eine Rezitation in einer bisher unbekannten Sprache versteckt", berichtet der Leiter der Ausgrabungsstätte, Andreas Schachner von der Istanbuler Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts.
Das von den Hethitern als "Sprache des Landes Kalašma" bezeichnete Idiom sei bisher noch weitgehend unverständlich. Ersten Erkenntnissen nach zeigt die Sprache aber Ähnlichkeiten zu ausgestorbenen anatolisch-indogermanischen Sprachen.
Sensation kam nicht ganz unerwartet
Kalašma war eine Gegend am nordwestlichen Rand des hethitischen Kernlandes, wahrscheinlich in der Gegend des heutigen Bolu oder Gerede. Laut Elisabeth Rieken von der Philipps-Universität Marburg, Spezialistin für altanatolische Sprachen, teilt der Text trotz seiner geografischen Nähe zum palaischen Sprachgebiet mehr Merkmale mit dem Luwischen. Beides sind Dialekte des spätbronzezeitlichen Anatoliens.
Die Texttafel ist eine Überraschung, allerdings eine, auf die die Forscher gehofft hatten. Denn die Leidenschaft der Hethiter für andere Sprachen war den Sprachexperten bekannt. Altorientalist Daniel Schwemer (Universität Würzburg) erklärt: "Die Hethiter waren in einzigartiger Weise daran interessiert, Rituale in fremden Sprachen aufzuzeichnen." Es war also nur eine Frage der Zeit, bis man über eine solche Rarität stolpern würde.
Wer waren die Hethiter?
Im 2. Jahrtausend vor Christus regierte im antiken Anatolien ein Volk, dessen Reich ebenso einflussreich wie kurzlebig war: die Hethiter. Ihr Imperium umfasste große Teile der heutigen Türkei, Syriens und des Libanons. Für fast 500 Jahre galten die Hethiter als eine der einflussreichsten Mächte der antiken Welt. Die Pharaonen Ägyptens und die Könige Babyloniens betrachteten sie als gleichrangig. Um etwa 1200 vor Christus wurde die Hauptstadt Ḫattuša (zu Deutsch: Hattuscha) jedoch zerstört und die zentrale hethitische Verwaltung aufgegeben. Wohin sie gingen und ob das freiwillig geschah, sind weiterhin Rätsel, die Forscher in Boğazköy-Hattuša unter der Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts entschlüsseln wollen.
Solche Ritualtexte, die von Schreibern des hethitischen Königs verfasst wurden, spiegeln verschiedene anatolische, syrische und mesopotamische Traditionen und sprachliche Milieus wider. "Sie geben Einblicke in die wenig bekannten sprachlichen Landschaften des spätbronzezeitlichen Anatoliens, wo nicht nur Hethitisch gesprochen wurde. So enthalten Keilschrifttexte aus Boğazköy-Hattuša auch Passagen in Luwisch und Palaisch, zwei weiteren anatolisch-indoeuropäischen Sprachen, die eng mit dem Hethitischen verwandt sind, sowie in Hattisch, einer nicht-indoeuropäischen Sprache", so Schwemer.
Jetzt kann die "Sprache von Kalašma" zum Kanon der Idiome hinzugefügt werden.
- uni-wuerzburg.de: "Neue indogermanische Sprache entdeckt"
- hethport.uni-wuerzburg.de: "Abriss der hethitischen Geschichte"
- nationalgeographic.de: "Was besiegelte den Untergang der Hethiter?"