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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wieder Streik bei der Bahn Kritik von Pro Bahn: "Der Fahrgast badet das aus"
Pendler schütteln genervt den Kopf: wieder ein Streik. Der Fahrgastverband Pro Bahn hat eine Idee, wie eine gute Lösung für alle in Zukunft aussehen könnte.
In ganz Deutschland freuen sich Reisende darauf, mit dem 49-Euro-Ticket preiswert und mühelos von A nach B zu gelangen. Da dämpft ein erneuter Streik der Bahn die Euphorie auch schon wieder.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kündigte am Donnerstag die nächste Warnstreikrunde im Tarifstreit mit der Bahnbranche an. Der dritte Warnstreik in diesem Jahr werde von Sonntag, 22 Uhr, bis Dienstagabend, 24 Uhr, dauern, also insgesamt 50 Stunden.
Besonders Neukunden könnten wieder abspringen
"Für einen Warnstreik ist das schon eine Hausnummer", kritisiert Detlef Neuß vom Bundesverband des Fahrgastverbandes Pro Bahn bei t-online. Neuß sagt: "Dieser erneute Streik ist wirklich keine Reklame für das Deutschlandticket. Die Gefahr droht, dass gerade Neukunden beim Deutschlandticket abspringen oder Bahnfahrer ihr Abo kündigen, weil ja eh nichts funktioniert."
Richtig heftig erwischt der Warnstreik aber die Pendler. "Sie sind Kummer gewohnt", sagt Neuß. Wenigstens hat die Gewerkschaft diesmal eine Kernforderung von Pro Bahn erfüllt und die Arbeitsniederlegung mit Vorlauf angekündigt.
Neuß erklärt: "Jetzt haben Fahrgäste ausreichend Zeit, sich darauf einzustellen, und wir können hoffen, dass der Autoverkehr in den Ballungsräumen nicht zusammenbricht. Beim letzten Streik haben wir in Nordrhein-Westfalen die Erfahrung gemacht, dass Reisende Fahrgemeinschaften gebildet oder Homeoffice für die Streiktage geplant haben."
"Der Fahrgast badet den Tarifstreit aus"
Der Fahrgastverband fordert, den Konflikt – "mit Blick auf die vielen Pendler und Menschen, die keine Alternative zum Bahnfahren haben" – so schnell wie möglich am Verhandlungstisch beizulegen. Er schwelt seit Ende Februar zwischen den Bahnmitarbeitern, der Deutschen Bahn und 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen.
Es geht um höhere Tarife für rund 230.000 Beschäftigte. Die Gewerkschaft EVG will bei den Verhandlungen mindestens 650 Euro mehr Gehalt im Monat für die Beschäftigten herausholen oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen, das alles bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von einem Jahr.
"Wir sind uns bewusst, welchen enormen Belastungen Bahnmitarbeiter unterliegen, aber je mehr Warnstreiks geführt werden, desto geringer wird das Verständnis der Fahrgäste für die Forderungen der Bahnmitarbeiter werden. Der Fahrgast badet das in letzter Konsequenz aus", gibt Neuß zu bedenken.
Pro Bahn fordert die Entwicklung eines Streikfahrplans
Wie könnte für die Bedürfnisse von Reisenden und streikwilligen Bahnmitarbeitern eine gemeinsame Lösung gefunden werden? Eine Kernforderung des Fahrgastverbandes Pro Bahn ist die Entwicklung eines Streikfahrplans.
"Uns ist klar, dass das nicht von heute auf morgen geht. Aber es sollte möglich sein, wie zum Beispiel in Frankreich oder Italien, auch während eines Warnstreiks auf den stark befahrenen Strecken einen stündlichen Not-Zug einzurichten", sagt Neuß.
Er appelliert an alle Streitenden und Streikenden, eine bestimmte Gruppe Menschen nicht aus den Augen zu verlieren. "Es müssen auch die Belange der Fahrgäste bedacht werden, die ohne die Bahn keine Chance haben, an ihr Ziel zu gelangen. Dazu gehören unter anderem auch Schüler oder Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung. Ein Streikfahrplan würde das Eisen nicht aus dem Feuer reißen, aber ein Minimum an Mobilität für diese Menschen möglich machen und ein Zeichen im Sinne der Fahrgäste setzen."
Die nächste Gesprächsrunde der EVG mit der Deutschen Bahn ist für den 23. Mai angesetzt.
- Interview mit Detlef Neuß, Bundesverband des Fahrgastverbandes Pro Bahn
- Material der Nachrichtenagentur dpa