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Warum Zieldaten dem Klimaschutz nicht nützen


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Waldbrände und Hitzetote
"Wir müssen die Politiker zu mehr Klimaschutz zwingen"

MeinungEin Gastbeitrag von Nick Heubeck

11.12.2020Lesedauer: 4 Min.
Waldsterben durch Borkenkäfer und Trockenheit in Solms, Hessen: Auswirkungen der Klimakrise.Vergrößern des Bildes
Waldsterben durch Borkenkäfer und Trockenheit in Solms, Hessen: Auswirkungen der Klimakrise. (Quelle: imago images / imagebroker)
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Fünf Jahre nach dem Beschluss des Pariser Klimaabkommens hat man sich nun auf ein strengeres Klimaziel für 2030 geeinigt. Das reicht nicht, kommentiert Nick Heubeck im Gastbeitrag für t-online.

Mühsam hat sich die EU auf ein neues Klimaziel geeinigt, das innerhalb der nächsten zehn Jahre erreicht werden soll: Bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger Ausstoß von Treibhausgasen als 1990. Dieser Schritt kommt kurz vor dem fünften Geburtstag des Pariser Klimaabkommens. Doch reicht das für einen ambitionierten Klimaschutz? Nein, meint Nick Heubeck von Fridays for Future im Gastbeitrag.

Wissen Sie noch, wo Sie am 12. Dezember 2015 waren? Nein? Da geht es Ihnen wie den allermeisten. Es gibt allerdings Tage, die sollten sich eigentlich ins kollektive Gedächtnis der Bürgerinnen brennen. Der 12. Dezember ist so einer: In Paris schloss die Weltgemeinschaft einen historischen Kompromiss. Die Staats- und Regierungschefs verpflichteten sich dazu, politische Maßnahmen einzuleiten, um die Erderhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts auf "weit unter 2 Grad Celsius, vorzugsweise aber auf 1,5 Grad Celsius" zu begrenzen.

Heute, fünf Jahre später, sind wir von diesem Ziel weiter entfernt als je zuvor. Führen die Regierungen ihren aktuellen Kurs unverändert fort, werden wir die Ende des Jahrhunderts angestrebte durchschnittliche Erhitzung von 1,5 Grad laut den Prognosen der Vereinten Nationen bereits in wenigen Jahren überschreiten. Würden die von uns gewählten Vertreterinnen zumindest ihre aktuellen Pläne erfüllen, kämen wir laut eines neuen Berichts auf mehr als drei Grad Erhitzung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter. Zur Erinnerung: Für diesen Fall sagen Wissenschaftlerinnen voraus, dass die Bewohnerinnen großer Teile der Erde ihre Lebensgrundlage durch steigende Meeresspiegel, Dürren und fehlende Nahrungsmittelversorgung vollständig verlieren.

Nick Heubeck ist 22 Jahre alt und studiert Kommunikation und Politik in Bamberg. Er ist seit Anfang 2019 bei Fridays for Future aktiv und ist dort für Strategie und die digitale Kommunikation verantwortlich.

Regierungen drücken sich vor wichtigen Entscheidungen

Bis heute war das kein Anlass für die Regierungen der Industrienationen, etwas Grundlegendes an ihrer Politik zu ändern. Statt die Bedrohung wie früher noch zu leugnen, findet der Klimaschutz inzwischen in den Reden der Staatsoberhäupter statt. So wird den Bürgerinnen vorgegaukelt, dass sich die Regierungen um die Krise kümmerten, während sie sich faktisch weiter vor notwendigen Entscheidungen drücken. Selten wurde das deutlicher als in diesem Jahr in der EU: Statt wie angekündigt weltweite Vorreiterin in der Bekämpfung der Klimakrise zu werden, flossen allein in diesem Jahr im Rahmen der Corona-Hilfspakete Milliarden an Steuergeldern in fossile Energieträger. Zusätzlich entschieden sich die Politikerinnen in Brüssel erst kürzlich gegen eine klimagerechte und zukunftsfähige Neuordnung der Gemeinsamen Agrarpolitik in den Mitgliedsstaaten. Warum auch im Jahr 2020 dafür sorgen, dass der größte Posten der EU, in den jeder dritte Euro des Budgets fließt, die Klimakrise nicht weiter anheizt?

Stattdessen rechtfertigen sich die meisten der Verantwortlichen, indem sie auf die heutigen Verhandlungen zur Erhöhung des europäischen Klimaziels für 2030 verweisen. Dabei gibt es jedoch zwei Probleme: Zum einen einigten sich die Staaten nicht auf einen Pfad, mit dem sie ihren Teil zum 1,5-Grad-Ziel beitragen können. Die heute verkündeten Emissionsreduktionsziele zeigen allenfalls, dass der EU klimapolitische Ambitionen noch immer völlig fehlen. Um einen gerechten Beitrag zur Eindämmung der Klimakrise zu leisten, kommen die Regierungen nicht an einer Senkung der Treibhausgase um etwa 80 Prozent gegenüber 1990 vorbei.

Blockadeinstrument effektiver Klimapolitik

Noch wichtiger ist jedoch: Zieldaten im Klimaschutz auszurufen, die Jahrzehnte nach dem Ende der Amtszeiten heutiger Entscheidungsträger liegen, ist inzwischen zu einem der wichtigsten Blockadeinstrumente effektiver Klimapolitik geworden. Unzählige Regierungen und Unternehmen beschlossen in diesem Jahr, in zwanzig, dreißig oder sogar vierzig Jahren nicht mehr Emissionen auszustoßen, als sie auf natürlichem Wege wieder binden können. Wer aber heute noch Investitionen etwa in Kohlekraftwerke oder herkömmliche Stahlöfen tätigt, die weit bis in die Mitte dieses Jahrhunderts angelegt sind, macht diese Ziele wertlos. Stattdessen verschieben die Verantwortlichen die notwendigen Entscheidungen auch 25 Jahre nach der ersten Weltklimakonferenz noch auf ihre Nachfolgerinnen – wie praktisch auch.

Wohin diese Politik führt, hat uns die Natur auch in diesem Jahr deutlich gemacht. Eine Welt, die wir durch unsere Aktivitäten bereits um mehr als ein Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erhitzt haben, tötet längst Menschen. Erinnern Sie sich noch an die Waldbrände in Australien, die neben drei Milliarden Tieren (ich wiederhole: drei Milliarden Tieren) auch Dutzende Menschen das Leben kosteten? Das war nur der Anfang dieses Krisenjahres. Im Anschluss durchlebten wir Brände in Kalifornien, Überschwemmungen in weiten Teilen Chinas, Tropenstürme in Mittelamerika und Dürren in ganz Europa. Und obwohl hierzulande der Großteil der Menschen der Meinung ist, die Klimakrise würde sie selbst erst einmal gar nicht betreffen, sterben auch in Deutschland jedes Jahr Tausende Menschen im Alter von über 65 Jahren im Zusammenhang mit Hitze.

Um zu verhindern, dass die heutigen Folgen nicht in der Klimakatastrophe enden, müssen wir die Emissionen in den kommenden Jahren drastisch senken. Eins ist sicher: Nur mit dem Druck aus allen Teilen der Gesellschaft werden die Politikerinnen die erforderlichen Maßnahmen umsetzen. Es liegt also an uns allen, sie dazu zu zwingen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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