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Arktis-Expedition – Polastern kehrt zurück: "Eis am Nordpol war aufgeschmolzen"


Arktis-Expedition
"Wir haben dem Eis beim Sterben zugeschaut"

dpa, Janet Binder

Aktualisiert am 12.10.2020Lesedauer: 4 Min.
Die Fotografin Esther Horvath begleitete die "Polarstern": Das Forschungsschiff ließ sich für die Expedition vom arktischen Eis einschließen.Vergrößern des Bildes
Die Fotografin Esther Horvath begleitete die "Polarstern": Das Forschungsschiff ließ sich für die Expedition vom arktischen Eis einschließen. (Quelle: Jakob Stark/ZUMA Wire/imago-images-bilder)
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Die teuerste und aufwendigste Expedition in der Arktis geht zu Ende. Nicht nur das Coronavirus, sondern auch ein Polarfuchs hätte das Projekt fast zum Scheitern gebracht.

Wenn am heutigen Montag das deutsche Forschungsschiff "Polarstern" nach einem Jahr in der Arktis in seinen Heimathafen Bremerhaven zurückkehrt, wird auch Expeditionsleiter Markus Rex an Bord sein. Der Atmosphärenphysiker hat drei von fünf Etappen der "Mosaic"-Expedition begleitet und war somit mit am längsten an Bord. Hinter ihm und seinem Team liegt eine der abenteuerlichsten Fahrten in der Geschichte der Arktis-Forschung, die am 20. September 2019 in Norwegen begann – und die wegen der Corona-Pandemie zeitweise auf der Kippe stand.

Zehn Monate lang driftete die "Polarstern" angedockt an eine riesige Eisscholle durch die Arktis. Den gesamten Eiszyklus vom Gefrieren bis zur Schmelze zu beobachten, zu messen und zu dokumentieren – das konnten die Wissenschaftler so zum ersten Mal. Sie versprechen sich von den gewonnenen Daten wichtige Erkenntnisse über das Nordpolarmeer - und über die Klimakrise. Kaum eine Region auf der Erde bekommt diese so deutlich zu spüren wie die Arktis.

"Das Eis am Nordpol war völlig aufgeschmolzen"

Nach dem Zerbrechen der Scholle Ende Juli in der sommerlichen Arktis führte die letzte Etappe die "Polarstern" unter Motor noch einmal Richtung Nordpol. Was Rex da gesehen hat, hat ihn entsetzt: "Das Eis am Nordpol war völlig aufgeschmolzen, bis kurz vor dem Pol gab es Bereiche offenen Wassers." Dort, wo normalerweise dichtes, mehrjähriges Eis war, sei die "Polarstern" in Rekordzeit durchgefahren. "Wir haben dem Eis beim Sterben zugeschaut", sagt Rex.

Es ist eines der Erlebnisse, die ihm und seinem Team in Erinnerung bleiben werden von einer Fahrt der Superlative. Mit 140 Millionen Euro Budget war es die bisher teuerste und logistisch aufwendigste Expedition in die zentrale Arktis. Fast 500 Menschen aus allen Ecken der Welt waren etappenweise an Bord. Rex, der für das Alfred-Wegener-Institut (AWI) arbeitet, fühlte sich für das Wohlergehen aller verantwortlich. Er ist nun froh, dass die Reise ohne größere Blessuren zu Ende geht. Das Schlimmste sei ein Beinbruch eines Kollegen gleich am Anfang an Bord gewesen. Dazu kamen kleinere Erfrierungen im Gesicht bei einigen Teilnehmern – bei bis zu minus 42 Grad nichts Ungewöhnliches. "Die verheilten aber problemlos", sagt Rex.

Eisbärenwächter schützten die Forscher

Dabei hätte viel passieren können. Begegnungen mit Eisbären gab auf der Scholle viele. An eine besonders brenzlige erinnert sich Rex: "Der Bär war nur noch 40 Meter vom Eisbärenwächter entfernt." Dem Wächter gelang es erst mit einem Schuss knapp über den Eisbärenkopf, das Tier zu verjagen. Damit die Wissenschaftler in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen konnten, sicherten Wächter die Scholle permanent ab. Meist vertrieb bereits Lärm die vierbeinigen Gäste.

Am Abend des 10. Oktober 2019 war AWI-Fotografin Esther Horvath bei einem solchen Besuch an Bord. Vom Bug der "Polarstern" aus fotografierte sie eine Eisbärenmutter und ihr Junges, die das Forschungscamp erkundeten. "Ich hatte schon in dem Moment das Gefühl, dass es ein wichtiges Foto sein wird", erzählt sie. Tatsächlich gewann das Bild den renommierten "World Press Photo Award" in der Kategorie "Umwelt".

Ein Fuchs mit Vorliebe für Strom- und Datenkabel

Auch andere Tiere kamen zu Besuch. Christian Haas, Fahrtleiter der zweiten Etappe, erinnert sich: "Ein kleiner, niedlicher Polarfuchs hätte fast das ganze Projekt zum Scheitern gebracht, weil er mit Vorliebe Strom- und Datenkabel auf dem Eis angeknabbert hat und sich nicht vertreiben lassen wollte."

Noch stärker als die Tiere beeindruckte Fotografin Horvath die Polarnacht. "Dieses tiefe Schwarz hat mich jeden Tag aufs Neue fasziniert, das war magisch", sagt sie. Von Mitte Oktober vergangenen Jahres an war es durchgehend dunkel. "Auf der Scholle wurde im Licht der 'Polarstern' und der Kopflampen gearbeitet. Ich habe mich ständig wie in einer Kinoszene gefühlt."

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Als die Sonne im März langsam zurückkehrte, war Horvath nicht mehr an Bord. Miterlebt hat das aber Geophysiker Haas. Für ihn war das Einsetzen der "nautischen Dämmerung" beeindruckend: "Weil sich dieser fahle Lichtschein in der Nähe des Nordpols innerhalb eines Tages um den kompletten Horizont um uns herumdreht, kann man erahnen, dass die Erde eine Kugel ist."

Die Corona-Pandemie brachte die ganze Expedition in Gefahr

Christian Pilz, Atmosphärenphysiker am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig, hat das Gegenteil der Nacht erlebt: den Polartag. Er war im Sommer zwei Monate an Bord und hatte wegen der durchgängigen Helligkeit und Temperaturen um null Grad gute Arbeitsbedingungen. "In unseren roten Sicherheitsanzügen war es fast zu warm." Pilz und seine Kollegen ließen einen Fesselballon von der Größe eines Linienbusses in bis zu 1000 Meter Höhe aufsteigen, um dort atmosphärische Parameter wie Turbulenz, Strahlung und Feinstaubkonzentration zu messen.

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Eigentlich hatte Pilz schon zwei Monate früher an Bord sein sollen. Doch mit dem Beginn der Corona-Pandemie war zunächst unklar, ob die "Mosaic"-Expedition fortgesetzt werden kann. Wegen der Reisebeschränkungen war der vorgesehene Austausch des Teams an Bord per Flugzeug nicht möglich. Stattdessen fuhren schließlich zwei Forschungsschiffe mit Wissenschaftlern von Bremerhaven aus los. Die "Polarstern" unterbrach ihre Drift, die Mannschaften konnten in Spitzbergen ausgetauscht werden. Die "Polarstern" kehrte zurück an ihre Scholle und setzte die Drift fort.

Glühwein bei minus 30 Grad

Leiter Markus Rex ist mehr als zufrieden mit dem Verlauf der Expedition. "Nicht mal Corona hat uns aus der Bahn geworfen", betont er. "Während der Abwesenheit der 'Polarstern' haben wichtige Messinstrumente autonom auf der Scholle weitergearbeitet." In dem gesamten Jahr seien unzählige Proben und Daten von Eis, Schnee, Wasser und Luft gesammelt worden. "Die werden noch künftige Generationen von Wissenschaftlern beschäftigen."

Neben der vielen Arbeit gab es dabei auch Zeit für Spieleabende, Sport und Feste. Nicht nur Weihnachten wurde an Bord gefeiert, sondern auch Geburtstage, so wie der von Markus Rex im November. Auf der Scholle wurde eine Eisbar aufgebaut, bei minus 30 Grad gab es Glühwein. Rex: "Der erste Schluck ist noch warm, der zweite kalt und der dritte ist Eis."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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