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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Klimavorstoß vor der Bundestagswahl Altmaiers Augenwischerei
Der Wirtschaftsminister verkündet überraschend einen neuen Klimaplan. Ob den Worten Taten folgen, ist fraglich. Der Vorstoß könnte sich als Ablenkungsmanöver entpuppen.
Das dürfte selbst für Parteikollegen eine Überraschung gewesen sein. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat am Morgen in einem Pressestatement seinen Vorstoß für eine neue Klimastrategie angekündigt. Abgesprochen mit den anderen Ministerien, wie Umwelt, Verkehr oder Landwirtschaft, war das laut eigenen Aussagen wohl nicht. In der Pressekonferenz hat Altmaier dann auch nur wenig Konkretes zu verlautbaren – schließlich bedarf es für eine neue Klima- und Wirtschaftspolitik nicht nur dem Plan eines einzelnen Ministers.
Bisher wenig für das Klima getan
Der Vorstoß Altmaiers kommt auch deshalb überraschend, weil er in der Vergangenheit nicht gerade für umweltpolitische Zugeständnisse bekannt war. Erst vor wenigen Tagen hat der Wirtschaftsminister einen Entwurf zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vorgelegt. Dieser wird von Umweltschützern als deutlich zu schwach kritisiert, um den Ausbau von Wind und Sonne in Deutschland wieder auf Kurs zu bringen.
"Wenn Peter Altmaier tatsächlich aus den Fehlern der Union beim Klimaschutz lernen will, muss er zur Erreichung der Pariser Klimaziele jetzt die Ausbaumengen für die Solarenergie verdoppeln und das Ausbauziel bis 2030 auf mindestens 75 Prozent Ökostrom anpassen“, sagte Greenpeace-Klimaexperte Andree Böhling der Deutschen Presse-Agentur.
Auch beim Lieferkettengesetz ringt er lieber mit Arbeitsminister Heil, ab welcher Größe Unternehmen in der Lieferkette für die Einhaltung von Menschenrechten haften sollen – die von Ministerin Schulze geforderten Umweltauflagen sind für Altmaier da zweitrangig.
Zwanzig Vorschläge für das Klima
Was also taugt die Klima-Überraschung des Wirtschaftsministers? Während er auf der Pressekonferenz vage bleibt, enthält das Maßnahmenpapier immerhin zwanzig Vorschläge für eine neue Klima- und Wirtschaftspolitik. Diese decken sich teilweise mit dem EU Green Deal, so beispielsweise das Erreichen der Klimaneutralität bis 2050.
Neu ist der Vorschlag, konkrete Minderungsziele für die Zeit zwischen 2022 und 2050 festzulegen – für jedes einzelne Jahr. Auch die Verwendung eines bestimmten Prozentsatzes des Bruttoinlandsprodukts für Klimaschutz und Wirtschaftsförderung und eine gegebenenfalls höhere CO2-Bepreisung stellt Altmaier in den Raum. Der Plan umfasst darüber hinaus Maßnahmen wie eine verbesserte Transparenz oder die Gründung einer "Klima-Universität".
Vertrauen auf zukünftige Innovationen
In einem Interview mit dem Spiegel räumt Altmaier gleichzeitig ein, dass er für das Erreichen etwaiger Ziele auf die "Genialität unserer Ingenieure" setzt. Und hier zeigt sich das Problem des Vorstoßes – zwar klingen einige Vorschläge vernünftig – sehr konkret ist das Ganze jedoch nicht. Wie Emissionen in der Alltagspraxis eingespart werden sollen, wird sich in Altmaiers Verständnis einfach ergeben – ganz im Sinne von "Irgendwer wird schon etwas erfinden."
Erst in der letzten Nacht ist Altmaiers Papier fertig geworden. Angesichts der fehlenden Absprachen, der unkonkreten Vorschläge und der überhasteten Vorstellung des Plans liegt der Verdacht nahe, dass es dem Minister gar nicht so sehr ums Klima geht.
Wenn man jetzt jedoch ein wenig Furore macht und das Thema vereinnahmt, dann ist es vielleicht pünktlich zum Wahlkampf im nächsten Jahr durchdiskutiert und die Bevölkerung der Debatten überdrüssig. So fällt manchem Wähler gar nicht mehr auf, wie schlecht es tatsächlich um die Umsetzung ambitionierter Klimaziele bestellt ist.
- Bundeswirtschaftsministerium: Klima schützen & Wirtschaft stärken
- Spiegel: "Ich setze auf die Genialität unserer Ingenieure"